Sprache – Fachsprache

Michael Becker-Mrotzek

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-257

S. ist das wichtigste Mittel der Menschen zur gegenseitigen Verständigung. Sie hat zugleich eine wissensbildende und eine gemeinschaftsbildende Funktion. Gegenstand der Erwachsenenbildung ist S. bspw. bei Kursen zum Erlernen von Fremdsprachen und in Form von Texten und Gesprächen als Medium des Lehrens und Lernens.

S. bezeichnet zum einen die verschiedenen nationalen Einzelsprachen (Landessprachen), wie Deutsch oder Englisch. Zum anderen wird mit S. deren Zusammensetzung aus der Summe der sprachlichen Mittel, d. h. den Lauten (Phonemen) bzw. Buchstaben (Graphemen), den Wörtern (Lexemen), den Regeln zur Bildung von Sätzen (Grammatik) und den Regeln für den Gebrauch der S. (Pragmatik) gemeint.

Gesellschaften und ihre Mitglieder sind typischerweise, aber auch bedingt durch Migration mehrsprachig (Mehrsprachigkeit), d. h. in einer Gemeinschaft insgesamt und von jedem Individuum werden mehrere Sprachen und/oder Varietäten (Ausprägungen) gesprochen. Die Standardsprache (Hochsprache) ist diejenige Varietät, die als allgemeinverbindliche Norm der geschriebenen und gesprochenen S. gilt und großräumig jenseits spezifischer Zwecke angewandt wird.

Die einzelnen Varietäten machen von der Gesamtheit der sprachlichen Mittel in je spezieller Weise Gebrauch, so wie es für ihren Bereich nützlich ist. Unterscheiden lassen sich folgende Varietäten:

  1. Alltagssprache ist die Varietät, die Menschen im Alltag verwenden, um sich über gewöhnliche Angelegenheiten zu verständigen; sie wird überwiegend bei der persönlichen Interaktion und Kommunikation verwendet und orientiert sich an der gesprochenen S. Beispiele sind regionale Umgangssprache (Dialekte bzw. Mundart, Regiolekte) und soziale Umgangssprache (Soziolekte, Ethnolekte).
  2. Bildungssprache ist die Varietät, um sich über abstrakte und abwesende Sachverhalte zu verständigen. Sie wird nicht nur in Bildungseinrichtungen (z. B. im Rahmen der Schulbildung), sondern auch für anspruchsvolle Schriften verwendet. Sie ist stärker an der geschriebenen S. orientiert, auch wenn sie mündlich gebraucht wird.
  3. F. ist die Varietät, mit der sich (fachlich vorgebildete) Personen über Sachverhalte eines spezifischen Fachs – d. h. eines thematisch sinnvoll abgrenzbaren Bereichs einer arbeitsteiligen Gesellschaft, z. B. die Medizin, das Bankenwesen, das Bauhandwerk –
    verständigen und hierbei Fachausrücke verwenden. F. findet sich im beruflichen Kontext, aber vermehrt auch im Alltag, z. B. in Form von amtlichen Bescheiden, Gebrauchsanleitungen, Verträgen oder auch in Werkstattgesprächen, der Arzt-Patienten-Kommunikation, medizinischen TV-Sendungen oder Erklärvideos.

F. umfasst die sprachlichen Mittel, die für die mündliche und schriftliche Kommunikation in einem bestimmten Fachbereich benötigt werden. Der Wortschatz ist in großen Teilen terminologisiert, also von alltagsprachlichen Ausdrücken in Fachbegriffe umgewandelt. Die Begriffe sind einerseits eindeutig definiert, indem sie einem Sachverhalt zugeordnet werden, andererseits bilden die Einzelbegriffe ein Begriffssystem, das bspw. in Fachwörterbüchern dokumentiert wird.

Die Textsorten in der F. sind stark konventionalisiert, indem sie angeben, was, wie und an welcher Stelle im Text darzustellen ist. Einige Textsorten sind durch Gesetz oder andere Vorgaben (z. B. DIN) normiert, z. B. Beipackzettel zu Medikamenten. Solche Textmuster bieten Orientierungshilfen beim Lesen und Schreiben und helfen bei der Verständigung (Verstehen – Verständigung). Auch Fachgespräche (z. B. Bankberatungsgespräche, telefonische Hotlines, medizinische Aufklärungsgespräche) weisen stark konventionalisierte bis normierte Strukturen auf.

F. zeichnet sich des Weiteren durch einen spezifischen Gebrauch der grammatikalischen Mittel aus; so finden sich gehäuft Wortzusammensetzungen (Komposita), sprachliche Neubildungen (Neologismen), Entlehnungen aus anderen Sprachen (Pneumatiken), bildhafte Übertragungen von Worten aus anderen Bedeutungszusammenhängen (Metaphern) sowie Anonymisierungen und Objektivierungen durch Sätze in der dritten Person Singular, Präsens- und Passivkonstruktionen oder Substantivierungen. Ebenfalls typisch für geschriebene F. ist die gehäufte Verwendung von Abkürzungen, Zahlen, Symbolen und Formeln sowie Abbildungen und Tabellen.

F. als zentrale Varietät für die fachliche Kommunikation zählen zu den wichtigen Inhalten der beruflichen Aus- und Weiterbildung (berufliche Weiterbildung). Neben der Einführung in die jeweilige F. ist es sinnvoll, zugleich allgemeine Merkmale von F. zu vermitteln, auch im Unterricht von Deutsch als Zweitsprache.

Die Erwachsenenbildungsforschung (Weiterbildungsforschung) hat in ihrer Geschichte in unterschiedlicher Form auf die Relevanz von S. für Bildungsprozesse hingewiesen, (1) indem sie die Herausforderungen aufzeigte, die sich aus der Vermittlung von Wissenschafts- und Alltagswissen (Wissen) ergeben, (2) indem sie sprachliche Varietäten der Weiterbildungsanbieter und -adressaten thematisierte (Hans Tietgens: „Warum kommen wenig Industrie-Arbeiter in die Volkshochschule?“) und (3) indem sie die Notwendigkeit einer sprachlichen Grundbildung für alle angesichts von funktionalem Analphabetismus und Zuwanderung verdeutlichte (Alphabetisierung – Grundbildung; Literalität – Numeralität).

Literatur

Adamzik, K. (2018). Fachsprachen. Die Konstruktion von Welten (utb 4962). Tübingen: A. Francke.

Kniffka, G. & Roelke, T. (2016). Fachsprachenvermittlung im Unterricht (Reihe StandardWissen Lehramt, utb 4094). Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Roelke, T. (2020). Fachsprachen (Reihe Grundlagen der Germanistik, Bd. 37, 4., neu bearb. Aufl.). Berlin: Erich Schmidt.

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