Sozialformen

Michael Schön

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-253

S. oder auch „soziale Organisationsformen“ beschreiben die Art und Weise der (geplanten) Zusammenarbeit und damit das Beziehungsgefüge von Lehrenden und Teilnehmenden im Rahmen einer Bildungsveranstaltung (Veranstaltungen). S. geben die innere Struktur der Interaktion und Kommunikation sowie die äußere Struktur der Raumausstattung und Sitzordnung vor, in der die am Lernprozess beteiligten Personen Inhalte und Themen erarbeiten, Lernziele erreichen und miteinander umgehen sollen – sowohl Lernbegleitende mit Lernenden als auch Lernende untereinander. In diesem Rahmen können passende Unterrichts- und Aktionsformen bzw. Methoden angewandt werden, deren adäquater Einsatz wiederum zielgruppen-, aufgaben- und situations­abhängig ist.

Statt des Begriffs S. wurde in der älteren schulpädagogischen Literatur von „Unterrichtsformen“, „-verfahren“ oder „-techniken“ gesprochen und S. oft mit „Unterrichtsmethodik“ gleichgesetzt. Erst 1965 nahm der deutsche Pädagoge Wolfgang Schulz eine weiterführende Differenzierung vor und führte den Begriff S. ein (sog. Berliner Modell der Didaktik). Schulz verstand darunter alle didaktisch-methodischen Entscheidungen (Didaktik – Methodik) hinsichtlich der Gruppen- und Raumstruktur (Raum) in einer Unterrichtssituation. Der Begriff wird somit bis heute in gleicher Bedeutung verwendet.

In der Schulpädagogik liegt der Fokus auf der Sozialform des klassischen Unterrichts, der in der Erwachsenen- und Weiterbildung eher selten anzutreffen ist. Dabei werden vier S. unterschieden (Jank & Meyer, 2018), wobei mitunter auch leicht abweichende Bezeichnungen existieren: (1) Einzelarbeit, (2) Partnerarbeit, (3) Gruppenarbeit und (4) Frontalunterricht.

Zwar werden von manchen Autorinnen und Autoren gelegentlich weitere S. genannt, z. B. Rollenspiel und Kreisgespräch, jedoch lassen sich diese auch unter die vier elementaren S. subsummieren, z. B. Rollenspiel und Kreisgespräch unter Gruppenarbeit.

Mit der Entscheidung für eine bestimmte Sozialform übernehmen die Lernbegleitenden die Verantwortung für die bewusste Planung der Beziehungsgestaltung und müssen dabei beachten, dass ihr spezifisches Verhalten gegenüber den Lernenden bei diesen wiederum entsprechende Verhaltensweisen bedingt (Arnold & Schön, 2019). Die Wahl der Sozialform steht in engem Zusammenhang mit der Didaktik, weshalb in der didaktischen Analyse immer auch die soziale Ausgestaltung eines Lernarrangements in Hinblick auf die Lehr-Lern-Ziele bedacht werden muss. Je nach Gruppendynamik können S. die Lernatmosphäre sowie das Verhalten und die Lernerfolge der Teilnehmenden beeinflussen, somit konstruktiv oder destruktiv wirken. Den Teilnehmenden sollte immer auch ermöglicht werden, das eigene Verhalten zu erkennen und zu reflektieren. S. dienen dahingehend auch als Erfahrungsraum, da durch die Interaktion mit anderen ein Perspektivwechsel angestoßen werden kann.

Im Vergleich zur Schulpädagogik, in der S. traditionell als eigenständige Thematik fokussiert und reflektiert werden, ist dies in der Erwachsenen- und Weiterbildung eher unüblich. Auch wenn sich zentrale Charakteristika zur Wahl von S. auf die Erwachsenenbildung übertragen lassen, wie die intendierten Handlungsmuster oder die Koopera­tions- und Kollaborationskonstellationen, werden sie dort zumeist als fester Bestandteil einer pädagogisch-didaktischen Methodik gesehen und dahingehend in die Ausgestaltung und Darstellung von Lernarrangements direkt integriert (Arnold & Stroh, 2017). Auch sind in vielen Methoden bereits spezifische S. festgelegt und bedingen diese bzw. sind ihnen inhärent; so weist z. B. die Methode des Gruppeninterviews die Sozialform Gruppenarbeit auf.

Dennoch ist das Verhältnis zwischen Sozialform und Methode mitunter komplex. So lassen sich bei Gruppen- und Partnerarbeiten durch die Zusammenstellung bzw. Personenkonstellation spezifische Dynamiken generieren, die teilweise für die Zielerreichung in Betracht gezogen werden müssen. Hier können bspw. Kriterien wie Alter, Geschlecht und Berufserfahrung (Erfahrungen – Erfahrungsorientierung) bedeutsam sein. Darüber hinaus lassen sich S. auch innerhalb von Sequenzen miteinander kombinieren: Während bspw. mit einem Frontalvortrag begonnen wird, können im weiteren Verlauf Einzelarbeit und Gruppenarbeit veranlasst werden, um abschließend im Plenum die Ergebnisse zu diskutieren.

Literatur

Arnold, R. & Schön, M. (2019). Ermöglichungsdidaktik. Bern (CH): hep.

Arnold, R. & Stroh, C. (2017). Methoden systemischer Erwachsenenbildung. Baltmannsweiler: Schneider.

Jank, W. & Meyer, H. (2018). Didaktische Modelle (12. Aufl.). Berlin: Cornelsen.

Nuissl, E. & Siebert, H. (2013). Lehren an der VHS. Ein Leitfaden für Kursleitende (Reihe Perspektive Praxis, Bd. 15). Bielefeld: wbv Publikation.

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