Schlüsselqualifikationen

Arnim Kaiser

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-246

Unter S. versteht man grundlegende, erwerbbare Wissenselemente, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, von denen angenommen wird, sie seien zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen und zum Erwerb neuer Fähigkeiten geeignet und garantierten damit – im Unterschied zu spezialisiertem Wissen und Können – breite Verwendungsmöglichkeiten. Die Leistung von S. ist somit an ihre Transferfähigkeit gebunden. Transfer gründet auf zwei Voraussetzungen: Die Situationen, in denen S. zur Anwendung kommen sollen, müssen trotz ihrer Unterschiede im Konkreten strukturell ähnliche Elemente enthalten. Neben diesem materialen Moment setzt Transfer zudem voraus, über formale (prozedurale) Fähigkeiten zu verfügen, z. B. über praktische Fertigkeiten (wie den Umgang mit Computern), soziale Techniken (wie die des aktiven Zuhörens) oder kognitive Strategien (wie die zur vertieften Analyse von Texten).

Die Kognitionsforschung (Kognition) hat hervorgehoben, dass erst das Zusammenspiel von Wissen und Fähigkeiten kompetentes und erfolgreiches Handeln sichert. S. stehen damit unter der Einschränkung, dass allein der Besitz flexibel verwendbarer formaler Fähigkeiten nicht ausreicht, um mit diesem Konzept verbundene Erwartungen der Bewältigung unterschiedlicher Situationen zu erfüllen. Zugleich bedarf es sach- bzw. situationsspezifischen Wissens, was allerdings die Transfermöglichkeiten begrenzt.

Um zu präzisieren, um welche Qualifikationen es sich konkret handelt, wenn allgemein von S. die Rede ist, können entsprechende Handlungsfelder auf ihre konstitutiven Momente hin analysiert werden. Mit Blick z. B. auf betriebliche Arbeitsprozesse gelangt man auf diesem Weg zu funktions- und berufsübergreifenden Qualifikationen, wie Materialkenntnisse oder Problemlösekompetenz oder Fähigkeiten zur Teamarbeit. Verallgemeinert lassen sich danach Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz (Kompetenz) unterscheiden. Diese Trias ist aber um andere wichtige S. wie Organisations-, Reflexions- oder digitale Kompetenz erweiterbar. Ein anderer Weg zur Identifizierung konkreter S. besteht darin, sie auf einer hohen Abstraktionsebene zu definieren, sodass sie tatsächlich als „Schlüssel“ zur Aneignung und Anwendung von Kompetenzen auf da­runterliegenden Ebenen fungieren. In diesem Sinn ist z. B. die metakognitive Kompetenz, also die Fähigkeit, Denken explizit zu steuern, als S. anzusehen (Lernstrategien –
Arbeitstechniken
). Sie ist derart fundamental und für effizientes Problemlösen unverzichtbar, dass man von einer „Protokompetenz“ sprechen kann, die wiederum weitere stringent ausdifferenzierbare Teilkompetenzen unter sich subsumiert.

Mittlerweile ist das Konzept der S. in konkrete Programme übersetzt worden, z. B. den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR). Hier sind allerdings mit Blick auf den Aspekt der S. etliche Einschränkungen anzubringen: Der DQR erstellt kein individuelles Profil von S. Er dient lediglich dazu, unterschiedliche Abschlüsse (formale Qualifikationen) miteinander vergleichbar zu machen (Zertifikate – Abschlüsse). Dazu ist ein übergeordneter Begriff notwendig, der diesen Vergleich ermöglicht, und das soll jener der S. sein. Als formaler Rahmen dient eine Matrix, bestehend aus Fachkompetenz, unterteilt in Wissen und Fertigkeiten, sowie aus personaler Kompetenz, untergliedert in Sozialkompetenz und Selbstständigkeit. Diese Kompetenzen werden über sechs aufsteigende Leistungsniveaus ausdifferenziert. Die sich so ergebende Matrix ist jedoch in sich nicht stringent. Einzelne Kategorien und Stufen überlappen sich bzw. solche, die auf der gleichen Ebene angesiedelt sind, stehen eher in Über- und Unterordnungsverhältnissen zueinander. Eine solche Stringenz ist in diesem speziellen Fall auch nicht zwingend notwendig, da der DQR in erster Linie als ein administratives Instrument anzusehen ist. Er löst systemtheoretisch gesehen das Problem, dass andere Systeme (z. B. Politik- oder Beschäftigungssystem) Anforderungen an das Bildungssystem (Weiterbildungssystem) stellen, die dieses über seine binären Codes (z. B. bestanden – nicht bestanden) in systemeigene Programme umformuliert. Dieser Umformulierungsprozess ist für den DQR über das Konzept der S. systemaffin legitimiert.

Literatur

Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. (Hrsg.). (2013). Handbuch zum Deutschen Qualifikationsrahmen. Struktur – Zuordnungen – Verfahren – Zuständigkeiten. Berlin: BLK DQR.

Kaiser, R. & Kaiser, A. (2018). Die Neue Didaktik – Metakognition als Schlüsselkonzept für Lehren und Lernen. Hermann Luchterhand Verlag. (Hrsg.), Grundlagen der Weiterbildung – Praxishilfen (GdW-Ph) (Loseblattsammlung, Ergänzungslieferung 162, S. 6.10.41,1–6.10.41,29). Köln: Luchterhand.

Ladenthin, V. (2020). Was soll Bildung leisten? Begründung von Lernzielen in Konzepten der Kompetenzorientierung. Weiterbildung, 31(6), 18–20.

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