Regulative der Weiterbildungsbeteiligung

Alexandra Ioannidou

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-244

R. d. W. beschreiben in Anlehnung an Wittpoth (2018) Faktoren, die die Aufnahme einer Weiterbildungsaktivität beeinflussen. Wittpoth (ebd.) unterscheidet hierbei zwischen soziodemografischen und milieuspezifischen (Bildung, Beruf, Geschlecht, Familie, Milieuzugehörigkeit, soziales Kapital) sowie kontextbezogenen (Raum, soziale Welten, Betrieb, Zustand des Weiterbildungssystems) Faktoren.

Einige dieser Faktoren wurden schon in den 1960er Jahren aufgrund belastbarer Befunde zur Erklärung der Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung herangezogen (z. B. Bildungsstand oder Beschäftigungsstatus als stark prädiktiv). Milieuzugehörigkeit, soziales Kapital, Weiterbildungsmotivation und Einstellungen zur Lebenswelt wurden vornehmlich mit Blick auf non-formale und informelle Lernprozesse als R. d. W. identifiziert. Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich der monetären und nicht-monetären Erträge von Erwachsenen- und Weiterbildung, die eine wichtige Rolle in der Humankapitaltheorie (Humankapital) spielen, wirken ebenfalls regulierend auf die (Nicht-)Teilnahme an Bildungsangeboten, insb. in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung. Nicht zuletzt werden (sozialer) Raum und Zeit in jüngeren Arbeiten als Ressourcen betrachtet, die ein aktives Lernverhalten begünstigen oder hemmen.

In der letzten Dekade wurden integrative Modelle angeboten, die multidisziplinär angelegt sind und Weiterbildungsbeteiligung als das Zusammenspiel mehrerer Faktoren auf verschiedenen Ebenen betrachten (Boeren, 2016). Es wird davon ausgegangen, dass Entscheidungsprozesse für oder gegen eine Teilnahme, die biografisch geprägt auf der individuellen Ebene stattfinden, durch Merkmale der Mesoebene (Weiterbildungsangebot und Anbieterstruktur) und der Makroebene (Regulierungs- und Finanzierungsmechanismen sowie die Existenz von institutionellen Komplementaritäten zwischen Bildungs-, Weiterbildungs- und Beschäftigungssystem) beeinflusst werden. Diese Modelle versuchen, die Wechselbeziehungen unterschiedlicher R. d. W., die auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind, theoretisch zu begründen und Länderunterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung zu erklären. Neben der zu erforschenden Komplexität mangelt es jedoch oftmals an der Verfügbarkeit (international) vergleichbarer Daten und Typologien zu Merkmalen des Weiterbildungssystems.

Die international vergleichende Erwachsenenbildungsforschung bietet besondere Gelegenheiten, die Relevanz unterschiedlicher R. d. W. zu untersuchen. Forschungsbefunde zeigen einen Zusammenhang zwischen hoher bzw. niedriger Weiterbildungsbeteiligung und länderspezifischen regulativen Merkmalen. Zur Erklärung dieses Phänomens wird auf Theorien und Typologien zurückgegriffen, die in politikwissenschaftlichen Analysen (politikwissenschaftliche Bildungsforschung) breit rezipiert werden (z. B. Wohlfahrts­staatsregimes, Variationen des Kapitalismus, Qualifikationsregimes). Mithilfe dieser Theorien werden Institutionen und Mechanismen in den Blick genommen, die Erklärungsansätze bieten, wie Bildungs- und Qualifikationssysteme, Arbeitsmärkte oder regionale Kontexte die Weiterbildungsbeteiligung beeinflussen.

Neuere Analysen zur politischen Ökonomie von Weiterbildungssystemen lassen zudem erkennen, dass spezifische institutionelle Merkmale die Teilnahme an Weiterbildung besonders fördern bzw. hemmen (Desjardins, 2017). Hierzu zählen offene und durchlässige formale Bildungsstrukturen, Governance-Regimes und die Einbindung nicht-staatlicher Akteure, öffentliche Unterstützung von Bildungsprogrammen für sozial benachteiligte Erwachsene, eine aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Politiken, die soziale Ungleichheiten adressieren.

Literatur

Boeren, E. (2016). Lifelong learning participation in a changing policy context. An interdisciplinary theory. Basingstoke/Hampshire (GB): Palgrave Macmillan.

Desjardins, R. (2017). Political economy of adult learning systems. Comparative study of strategies, policies and constraints. London (GB): Bloomsbury Academic.

Wittpoth, J. (2018). Beteiligungsregulation in der Weiterbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 2, S. 1149–1172). Wiesbaden: Springer VS.

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