Projektmethode

Ingeborg Schüßler

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-236

Die P. – auch als Projektunterricht, -arbeit oder -lernen bekannt – ist eine Organisationsform des Lehr-Lern-Prozesses, in der ein Thema fachübergreifend, problembasiert sowie konstruktiv bearbeitet wird und sich häufig an Prinzipien und Phasen des Projektmanagements orientiert. Die P. geht in ihrer pädagogischen Grundlegung auf den amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey (1859–1952) zurück. Sein auf dem Pragmatismus basierendes Verständnis des Begriffs „Projekt“ stellt die Bedeutung zielgerichteten, gemeinschaftlichen Handelns an lebenswirklichen Situationen heraus. Hierdurch sollte nicht nur Demokratie geübt, sondern auch weiterentwickelt werden. Im Mittelpunkt seiner Projektidee steht die Erfahrung in Form des Ausprobierens oder des Versuchs („learning by doing“). Solche Erfahrungen sind, nach Dewey, kein passives Erleben, sondern bedingen eine konflikthafte, in sich unabgeschlossene Situation, die auf Veränderung angelegt ist und die Lernenden damit zum selbstständigen Lernen und zu verändertem Handeln herausfordern.

In Deutschland fand die P. insb. zur Zeit der Reformpädagogik Verbreitung. Namen, die damit in Verbindung stehen, sind z. B. Hugo Gaudig, Adolf Reichwein, Peter Petersen, Georg Kerschensteiner oder Maria Montessori. Eine Innovation erfuhr sie in den 1960er und 1970er Jahren im schulischen Bereich im Zuge der Forderung nach offenem Unterricht. Aufgrund der Diskussion um Schlüsselqualifikationen in den vergangenen Jahren wird der P. als Möglichkeit der erweiterten Kompetenzentwicklung (Kompetenz) im Rahmen handlungsorientierter Lehr-Lern-Konzepte eine herausragende Bedeutung zuerkannt. In der beruflichen Bildung (Berufsbildung) hat die P. Bezüge zur Lernfeldorientierung und dem Problem Based Learning sowie zum Planspiel und der Fallmethode (fallbasierte Weiterbildung – Fallarbeit). Sie kommt auch verstärkt in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung (betriebliche Weiterbildung) (z. B. Übungsfirmen) sowie der allgemeinen Erwachsenenbildung zum Einsatz (z. B. Projekte zur biografischen oder intergenerationellen Bildung oder im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung, BNE). Menschen lernen in Projekten, aber auch außerhalb institutionalisierter Lernkontexte, z. B. in Elterninitiativen und Selbsthilfegruppen oder innerhalb der sog. neuen sozialen Bewegungen. Durch die zunehmende Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien seit Ende der 1990er Jahre und dem damit verbundenen verstärkten Einsatz neuer Medien in der Lernprozessgestaltung (E-Learning, Blended Learning) erhält die P. eine besondere Popularität. So erlauben es webbasierte Lernplattformen, die Elemente wie Foren, Wikis oder Videokonferenzen enthalten (digitales Lernen), den Teilnehmenden, zeitlich und/oder örtlich unabhängig voneinander an Projekten zu arbeiten. Allerdings wird in diesem Kontext vieles als P. tituliert, ohne tatsächlich ein „echtes“ Projekt zum Gegenstand des Lernens zu machen.

Folgende Aspekte kennzeichnen zusammenfassend die P.:

  • Bedürfnisbezogenheit und Teilnehmerorientierung: Die Interessen und Bedürfnisse der Lernenden bestimmen die Auswahl des Projektthemas.
  • Situations- und Lebensweltbezogenheit (Lebenswelt): Das Projekt bezieht sich auf eine tatsächliche, für die Lernenden erfahrbare und aktuelle Situation.
  • Interdisziplinarität: Die komplexe Struktur der Projektthemen erfordert die überfachliche bzw. von verschiedenen fachlichen Aspekten ausgehende Bearbeitung mit Kopf, Herz und Hand (Prinzip der Ganzheitlichkeit).
  • Selbstorganisation: Der Lehr-Lern-Prozess wird durch die Lernenden, unter Begleitung eines Lehrenden, selbst organisiert – einschließlich der Beurteilung des Verlaufs und des Ergebnisses (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen).
  • Produkt- und Handlungsorientierung: Das Projekt zielt auf die Erzeugung eines konkreten Produkts ab, wobei darüber eine Verbindung von Denken und Handeln sowie Theorie und Praxis hergestellt werden soll (handlungsorientierte Didaktik).
  • kollektive Realisierung: Alle Mitglieder einer Lerngruppe tragen verantwortlich durch Bearbeitung bestimmter zugeteilter bzw. übernommener Aufgaben zum Gelingen des Projekts bei und klären auch aufkommende Konflikte (Mediation – Konfliktberatung), wodurch gleichsam ein soziales Lernen gefördert wird.
  • gesellschaftliche Relevanz: Die Bedeutung des Projekts wird durch eine Orientierung an aktuellen Ereignissen erreicht.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die P. sowohl an die Lehrenden, die Lernenden als auch an die Lernumgebung spezifische Anforderungen stellt. Die Lehrenden treten im Lernprozess zurück und verhalten sich eher informierend, beratend, anregend, kooperierend und koordinierend. Hingegen nehmen bei den Lernenden Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu. Sie werden mit und ohne Hilfe anderer aktiv, motivieren sich selbst, werden sich ihrer Lernbedürfnisse bewusst, legen ihre Lernziele fest, bestimmen die benötigten Ressourcen und Materialien, wählen eine angemessene Lernstrategie aus, führen diese durch, regulieren sie nach Bedarf und evaluieren das Lernergebnis (Lernevaluation). Dies erfordert insgesamt ein hohes Maß an Problemlösungswissen (Metakognition). Die institutionellen Rahmenbedingungen müssen Kooperationsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Institution gewährleisten sowie einen passenden Zeitrahmen (Zeit) zur Erarbeitung der Projekte zur Verfügung stellen.

Die P. im Sinne eines teilnehmer- und handlungsorientierten Lernens trägt damit als didaktisches Prinzip derzeitigen Anforderungen an selbstständiges, flexibles Arbeiten mit dispositiven Aufgaben und der eigenständigen Bewältigung unsicherer Lebenssituationen in besonderem Maße Rechnung.

Literatur

Frey, K. (2012). Die Projektmethode: „Der Weg zum bildenden Tun“ (12., neu ausgest. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Traub, S. (2012). Projektarbeit erfolgreich gestalten. Über individualisiertes, kooperatives Lernen zum selbstgesteuerten Kleingruppenprojekt (Reihe Schulpädagogik, utb 3657). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Winkel, K. (2003). Wiederentdeckt: Dewey und der Projektunterricht. Bildungsbenachteiligte Jugendliche werden „weiterbildungsfähig“ – Beobachtungen aus einer Gesamtschule im saarländischen LLL-Programm. DIE-Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 10(3), o. S.

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