Programmplanung

Aiga von Hippel

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-235

Mit P. ist das professionell-pädagogische Planen von Programmen in der Erwachsenen- und Weiterbildung gemeint, wobei Programme die – oft nach thematischen
Schwerpunkten und Zielgruppen strukturierten – Weiterbildungsangebote enthalten (Angebot). P. ist mesodidaktisches Handeln (didaktische Handlungsebenen) und kann somit handlungstheoretisch begründet werden (Gieseke in Fleige et al., 2019).

Der Begriff P. lässt sich insb. von zwei weiteren Begriffen abgrenzen:

  1. Dies ist zum einen der Begriff „Angebotsplanung“ (Schlutz, 2006). Die Angebotsplanung ist als eine Unterform der P. zu sehen. Sie ist eher auf die konzeptionelle Arbeit am einzelnen Projekt bzw. Angebot oder an einem Curriculum und damit mehr auf mikrodidaktische Planungsprozesse bezogen, während P. die Koordination und Durchführung der vielfältigen Angebote aus einer Gesamtperspektive umfasst.
  2. Zum anderen ist dies der Begriff „(Weiter-)Bildungsmanagement“ (Bildungsmanagement; Leitung – Management). Das Management steht für die gesamten Abläufe einer Institution (inkl. Finanzierung, Organisations- und Personalentwicklung usw.), während die P. für die pädagogische Konzeption steht. Im kooperativen Management haben sie auch gemeinsame Aufgaben (Robak in Fleige et al., 2019).

Programme als das gesellschaftliche Angebot für lebenslanges Lernen (lifelong learn­ing) im Erwachsenenalter haben unterschiedliche Funktionen: Für die Adressatinnen und Adressaten bieten sie Informationen zum Angebot der jeweiligen Weiterbildungseinrichtung und dienen als Entscheidungshilfe. Für die Organisation fungieren sie als Werbe- und Informationsmittel, als Tätigkeitsnachweis und als Legitimierung gegenüber Geldgebern und politisch Verantwortlichen (Käpplinger, 2021; Nolda, 2018). Die Programme einer Einrichtung lassen sich in Programmarten mit differenten Themen und Graden der Offenheit für Zielgruppen unterteilen (z. B. in der betrieblichen Weiterbildung in offene Angebote, bereichsinterne Angebote, externe Angebote usw.; in Volkshochschulen (vhs) in offene Angebote, Projekte, Firmenschulungen usw.).

In einer inhaltlich-rekonstruktiven Definition ist die P. mehr als nur eine formal-organisatorische Tätigkeit. Vielmehr ist sie eine professionell-pädagogische Auslegung von Bildungsbedarfen: „Ein Programm ist der zeitgeschichtlich materialisierte Ausdruck gesellschaftlicher Auslegung von Erwachsenenbildung durch einen bestimmten Träger, realisiert über eine Vielzahl an Angeboten. Es ist beeinflusst durch bildungspolitische und ökonomische Rahmenbedingungen, nachfragende Unternehmen und potenzielle Adres­sat/innen. Es wird ausgelegt und gefiltert durch professionell Handelnde“ (Gieseke, 2015, S. 165). Zwar beinhaltet P. auch die Organisation und Koordination der vielfältigen Angebote. Jedoch erfolgt dies in einem interpretativen Vorgehen und in der Reflexion, dass auch auf den ersten Blick organisatorische Entscheidungen (z. B. für einen bestimmten Raum und eine bestimmte Angebotszeit) letztlich didaktische Entscheidungen (z. B. in Anbetracht einer bestimmten Zielgruppe) darstellen.

P. ist durch Entscheidungen geprägt, die angesichts teils widersprüchlicher Erwartungen und Interessen (von unterschiedlichen Akteuren auf Adressaten-, Organisations- und gesellschaftlicher Ebene) getroffen und begründet werden müssen. In ihnen zeigt sich die professionelle Handlungslogik (Profession). P. gilt – neben der mikrodidaktischen Tätigkeit der Gestaltung und Durchführung von Veranstaltungen – als das Herzstück professioneller Erwachsenenbildungsarbeit und macht das Spezifische an ihr aus; spezifisch deswegen, weil die Auswahl der Themen und Zielgruppen (und anderer mesodidaktischer Entscheidungen) immer wieder neu gestaltet und begründet werden muss, da in weiten Teilen der Erwachsenen- und Weiterbildung im Unterschied zum schulischen Bereich keine staatlich festgelegten Curricula gelten und keine für alle staatlich reglementierte Teilnahmepflicht besteht. Stattdessen müssen Bildungsangebote und -programme kontinuierlich in Abstimmung unterschiedlicher Interessen, Bedarfe und Bedürfnisse der Adressaten und Zielgruppen geplant werden (Adressatenforschung; Zielgruppenorientierung). Interessen, Bedarfe und Bedürfnisse werden dabei nicht deduktiv abgeleitet, sondern erschlossen und interpretiert, sodass diese bei den Adressaten- und Zielgruppen teilweise auch erst geweckt werden (Bildungsbedarfsanalyse –
Bildungsbedarfserschließung
). Gieseke (2015) bezeichnet Programmplanende demgemäß als „Seismografen gesellschaftlicher Entwicklung“.

Mesodidaktische Entscheidungen im Prozess der P. beziehen sich auf die Auswahl und Strukturierung der Themen, die Auswahl und Ansprache von Zielgruppen, die Entwicklung von Zielen der Angebote, die Erhebung des Bildungsbedarfs, die Erschließung von Bedürfnissen, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, die Profilbildung, die Gestaltung von Netzwerken und Kooperationen, Fragen der Finanzierung, die Kostenkalkulation, die Auswahl der Lehrenden, die Auswahl von Orten (Raum) und Zeiten, Ankündigungen sowie die Evaluation. Diese gestaltungsrelevanten Faktoren bzw. Schritte für die P. können als „Wissensinseln“ (ebd.) betrachtet werden, da für deren Bearbeitung spezielles theoretisches und empirisches Wissen benötigt wird.

Die P. umfasst somit Kerntätigkeiten, die wissenschaftlich untersucht und fundiert werden können (z. B. Wissen zu Lern- und Bildungsbiografien, zu Lernmotiven und -barrieren, zu methodischen Vorgehensweisen, zu didaktischen Modellen). Während in der Programmforschung das Ergebnis des Handelns (das Programm) der avisierte Analysegegenstand ist, der mit Programmanalysen untersucht wird, wird in der Programmplanungsforschung das Handeln und der Prozess der P. untersucht. Diese werden mit Interviews, Beobachtungen und Dokumentenanalysen erfasst und ausgewertet (ebd.). Hierzu liegen mehrere Studien vor (Übersicht bei: Hessischer Volkshochschulverband, 2019). Mit der bildungswissenschaftlichen Analyse der P. können pädagogische Wirklichkeiten erschlossen, professionsbezogene Begriffe zur Verfügung gestellt und Bildungsbegriff(e) phänomenologisch rekonstruiert werden (Phänomenologie). Gleichzeitig legt sie eine Wissensbasis für gesellschaftlich auszuhandelnde Entscheidungen in Bezug auf Adressaten, Ziele, Inhalte und Themen.

Programmplanungsmodelle sind an der Schnittstelle von Forschung und Praxis zu verorten (Theorie und Praxis): Sie sind für beide Bereiche mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten relevant und stehen zugleich vermittelnd zwischen beiden. Sie können als Theorien mittlerer Reichweite bezeichnet werden. Ihre grafischen Abbildungen sind veranschaulichende, abstrahierende Modelle. Es gibt verschiedene Programmplanungsmodelle, deren Ähnlichkeiten und Unterschiede sich durch die Einteilung in verschiedene Kategorien systematisch beschreiben lassen (Hippel, 2017). Eine mögliche Unterteilung ist jene in interaktive und linear-zyklische Modelle (Hippel & Käpplinger, 2017). Interaktive Modelle betonen eher den Aushandlungscharakter und die Kontextbezogenheit von Programmplanungshandeln, während linear-zyklische Modelle P. als einen Prozess mit aufeinanderfolgenden idealtypischen Schritten beschreiben. Typischerweise betonen interaktive Modelle stärker die Planenden und die unterschiedlichen Kontexte; linear-zyklische Modelle fokussieren hingegen tendenziell (aber nicht grundsätzlich) auf die Tätigkeitselemente bzw. Aufgaben.

Da die Modelle jeweils Teilperspektiven der P. abbilden, lassen sich mit ihnen differente Fragestellungen bearbeiten. P. kann bspw. als anthropologische Suchbewegung (Hans Tietgens), als Angleichungshandeln und Bearbeitung von Wissensinseln (Wiltrud Gieseke), als Ausgestaltung professioneller Antinomien (Aiga von Hippel), als Ausdruck von Planungskulturen (Karin Dollhausen) oder als Anwendung von Planungsstrategien und Begründungsmustern (Steffi Robak) verstanden werden (für eine Übersicht nordamerikanischer Modelle: Sork, 2020; für einen Vergleich deutscher und nordamerikanischer Modelle: Hippel & Käpplinger, 2017). Die Modelle sind prinzipiell bereichsunabhängig in Weiterbildungsinstitutionen mit Hauptzweck der Bildung oder beigeordnetem Charakter sowie trägerübergreifend anwendbar. Aufgrund ihres Abstraktionsgrads können und werden sie aber oftmals spezifisch auf die jeweiligen Bereiche und Träger spezifisch adaptiert.

Die P. wird üblicherweise von hauptberuflichen Mitarbeitenden (Personal) in Weiterbildungseinrichtungen vorgenommen (in der öffentlich mitgeförderten Erwachsen- und Weiterbildung auch „Hauptamtliche Pädagogische Mitarbeitende (HPM)“ genannt). Je nach Einrichtung und Kontext fällt diese aber auch in den Aufgabenbereich der Leitenden und Lehrenden, und auch das Verwaltungspersonal übernimmt planende neben ihren regulären Tätigkeiten. Die Planenden haben eine Vermittlungsposition an den Schnittstellen der verschiedenen Ebenen, die z. B. nach dem Modell des didaktischen Handelns von Karl-H. Flechsig und Hans-D. Haller oder nach dem Mehrebenenmodell von Josef Schrader ausdifferenziert werden können.

Ein erster wichtiger Schritt zur Professionalisierung der P. vollzog sich in den 1970er Jahren, als sich diese mittlere hauptberufliche Planungsebene insb. in den öffentlich geförderten Weiterbildungseinrichtungen – zunächst in den vhs – etablierte. Damit verbunden waren auch die Bereitstellung von Unterlagen zur Berufseinführung und von Selbststudienmaterialien, die Verabschiedung von Weiterbildungsländergesetzen (Recht der Weiterbildung) sowie – auch in den folgenden Jahrzehnten – die Einführung von Studiengängen mit dem Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung (Studium der Erwachsenen- und Weiterbildung). Heute erfolgt die Professionalisierung der P. neben der universitären Ausbildung im Rahmen verschiedener überregionaler und regionaler Fortbildungsangebote (Weiterbildung der Weiterbildenden).

Im Diskurs zu Kompetenzen von in der Erwachsenenbildung Tätigen stehen v. a. die Lehrenden im Fokus, weil diese i. d. R. über eine fachlich-domänenspezifische, jedoch seltener über eine erwachsenenpädagogische Qualifikation verfügen, auch im Vergleich zu den Planenden. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) hat in dem Kompetenzmodell GRETA die „Grundlagen für die Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung“ entwickelt (Kompetenzerfassung; Kompetenzmessung). Das Modell dient als Strukturmodell und liefert Informationen darüber, was Lehrende wissen und können sollten. Angelehnt an das GRETA-Modell wurde u. a. aus dem Modell der Wissensinseln (Gieseke, 2015) das Kompetenzmodell Planende (KomPla) abgeleitet, das Kompetenzen für Planende an der Schnittstelle von Programm- und Professionsforschung aufschlüsselt (Hessischer Volkshochschulverband, 2019).

Das Professionswissen von Planenden bildet eine zentrale Grundlage für deren Entscheidungs-, Argumentations- und Begründungsfähigkeit. Es besteht aus inhaltlich-themenspezifischem und fachdidaktisch-domänenspezifischem sowie erwachsenenpädagogischem Fachwissen. Planende verfügen hierdurch über die Kompetenz, professionelles Handeln mit wissenschaftlichen Erkenntnissen begründen zu können.

Die Erwachsenen- und Weiterbildung ist kein vorwiegend öffentlich finanzierter Bildungsbereich. Somit ist die Finanzierung der Weiterbildungsinstitutionen nicht per se gesichert (Finanzierung der Weiterbildung). Vielmehr stehen sie vor der Herausforderung, trägerbezogen und unter Marktbedingungen flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen und individuelle Bildungsbedürfnisse zu reagieren und diese interpretativ auszulegen sowie hieraus spezielle Programmprofile abzuleiten und entsprechende Bildungsangebote zu planen. Die oben genannten Punkte verdeutlichen damit verbunden auch eine große Flexibilität der Erwachsenenbildung, neue Entwicklungen gestaltend in ihren Programmen zu bearbeiten.

Literatur

Fleige, M., Gieseke, W., Hippel, A. von, Käpplinger, B. & Robak, S. (2019). Programm- und Angebotsentwicklung in der Erwachsenen- und Weiterbildung (Lehrbuchreihe Erwachsenen- und Weiterbildung. Befunde – Diskurse – Transfer, Bd. 2, 2., korr. Aufl., utb 4966). Bielefeld: wbv Publikation.

Gieseke, W. (2015). Programme und Angebote. In J. Dinkelaker & A. von Hippel (Hrsg.), Erwachsenenbildung in Grundbegriffen (S. 165–173). Stuttgart: Kohlhammer.

Hessischer Volkshochschulverband. (Hrsg.). (2019). Hessische Blätter für Volksbildung, 69(2). Thema: Programmplanung – Programmforschung. Bielefeld: wbv Publikation.

Hippel, A. von (2017). Theoretische Perspektiven auf Programmplanung in der Erwachsenenbildung. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 40(2), 199–209.

Hippel, A. von & Käpplinger, B. (2017). Models of program planning in Germany and in North Amerika –
a comparison. In B. Käpplinger, S. Robak, M. Fleige, A. von Hippel & W. Gieseke (Eds.), Cultures of program planning in adult education: concepts, research results and archives (Series Studies in Pedagogy, Andragogy, and Gerontagogy, vol. 70, pp. 97–112). Frankfurt a. M.: Peter Lang.

Käpplinger, B. (2021). Programme in der Erwachsenenbildung: Viel mehr als ein gedruckter Katalog. Zeitschrift forum erwachsenenbildung, 54(4), 37–41.

Nolda, S. (2018). Programmanalyse in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 1, S. 433–449). Wiesbaden: Springer VS.

Schlutz, E. (2006). Bildungsdienstleistung und Angebotsentwicklung. Münster: Waxmann.

Sork, T. J. (2020). Program planning in an era of “wicked problems“. In S. T. Rocco, M. C. Smith, R. C. Mizzi, L. R. Merriweather & J. D. Hawley (Eds.), The handbook of adult and continuing education (pp. 128–139). Sterling (US): Stylus.

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