Netzwerke – Kooperationen

Matthias Alke

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-208

Während der Begriff N. die polyzentrische, reziproke und prinzipiell unbegrenzte Struktur sozialer Beziehungen adressiert, verweist der Begriff K. auf die Interaktionsform innerhalb von multilateralen Netzwerkstrukturen als auch auf die bilateral angelegte Zusammenarbeit zwischen Akteuren.

In der Erwachsenenbildung wird vornehmlich auf einen sozialwissenschaftlichen Netzwerkbegriff rekurriert, der sich auf Beziehungsgeflechte zwischen Akteuren (Personen oder Organisationen) bezieht, die ihre Handlungen in Erwartung konkreter Vorteile und geteilter Überzeugungen koordinieren. Dabei werden Flexibilität, Autonomie, Vertrauen, Informalität oder Selbstverpflichtung der beteiligten Akteure als spezifische Merkmale von Netzwerken betrachtet. Gleichermaßen können N. durch formalisierte, vertraglich geregelte oder arbeitsteilig organisierte Strukturen geprägt sein, wodurch sie eine eigenständige Organisationsform bilden.

In der jüngeren Vergangenheit hat sich ein organisationstheoretisches Verständnis von K. etabliert, durch das die strategisch initiierte, organisationale Zusammenarbeit betont wird, insb. zwischen Weiterbildungsanbietern sowie Akteuren aus anderen Bildungsbereichen und aus Kultur, Sozialwesen, Wirtschaft oder Verwaltung. Darauf verweisen auch die in den letzten Jahren gegründeten kommunalen Lern- und Bildungszentren, die als institutionalisierte Kooperationsformen zu betrachten sind.

N. und K. werden als konstitutiv für die organisierte Erwachsenen- und Weiterbildung betrachtet. Dies hängt u. a. mit der Genese vieler Bildungseinrichtungen im Kontext sozialer Bewegungen oder Wertegemeinschaften wie Kirchen oder Gewerkschaften zusammen. Dadurch sind diese Einrichtungen in spezifischen Milieus verortet, in lokale Communities oder regionale Strukturen eingebettet, was die vielfältigen Vernetzungen und Kooperationsaktivitäten in besonderer Weise fördert.

Der hohe Stellenwert von Netzwerken und K. in der Erwachsenenbildung erklärt sich zudem aus ihrer bildungspolitischen Inanspruchnahme: So fungierten K. in den 1960er und 1970er Jahren als Leitprinzip zur Lösung von Struktur- und Steuerungsproblemen. Ab den 1990er Jahren wurde der Ausbau bereichsübergreifender Strukturen im Bildungswesen politisch forciert, um anknüpfend an die Zielvorstellung des lebenslangen Lernens (lifelong learning) regionale K. zu fördern, die Übergänge, Durchlässigkeit und eine höhere Beteiligung ermöglichen. N. und K. gelten hier im programmatischen Sinne als Innovations- (Innovation) und Modernisierungsstrategie (Modernisierung), die mit Ansätzen der Regionalentwicklung verknüpft sind (Jütte, 2002).

Neben regionalen Bestandsaufnahmen und Begleitforschungen politischer Förderprogramme hat sich ein eigenständiger Forschungszweig in der Erwachsenenbildung entwickelt, der sich der Untersuchung von Netzwerken und K. widmet (Dollhausen, Feld & Seitter, 2013). So liegt mittlerweile ein breiter empirischer Erkenntnisstand zu Anlässen, Erscheinungsformen, Problemlagen oder spezifischen Funktionsweisen vor, z. B. im Bereich der betrieblichen oder wissenschaftlichen Weiterbildung. Während Analysen von Netzwerken eine Ausnahme bilden, liegt der Schwerpunkt oft auf Spannungsfeldern und professionellen Anforderungen interorganisationaler K. (Überblick bei Alke & Jütte, 2018). Vor diesem Hintergrund werden der Aufbau und die Pflege von Netzwerken und K. als professionelle erwachsenenpädagogische Handlungsformen und Managementaufgaben (Bildungsmanagement; Leitung – Management) diskutiert.

Theoretisch orientiert sich der Diskurs zu Netzwerken und K. in der Erwachsenenbildung v. a. an sozialwissenschaftlichen Netzwerk- und Organisationstheorien (Organisationsforschung). Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung, dass sich Akteure zunehmend über digitale Technologien und Plattformen vernetzen und in teils algorithmisch basierte Austauschbeziehungen zueinander treten, ist zu erwarten, dass ein techniksoziologischer und medientheoretischer Netzwerkbegriff an Relevanz gewinnen wird, wie er z. B. in der Theorie des Konnektivismus oder in der Akteur-Netzwerk-Theorie vertreten wird.

Literatur

Alke, M. & Jütte, W. (2018). Vernetzung und Kooperation in der Weiterbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 1, S. 605–621). Wiesbaden: Springer VS.

Dollhausen, K. & Feld, T. C. & Seitter, W. (Hrsg.). (2013). Erwachsenenpädagogische Kooperations- und Netzwerkforschung. Wiesbaden: Springer VS.

Jütte, W. (2002). Soziales Netzwerk Weiterbildung. Analyse lokaler Institutionenlandschaften (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Nachhaltigkeit
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