Jugendbildung

Thomas Rauschenbach

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-157

Der Begriff J. ist in Deutschland in Verbindung mit Fragen des Jugendalters wenig gebräuchlich. Er findet sich am ehesten im Kontext der außerschulischen Bildung von Jugendlichen, einem Teilgebiet der Kinder- und Jugendarbeit. Die oft irreführende Besonderheit ist somit, dass entgegen der begrifflichen Assoziation der Fokus nicht auf Bildungsprozesse im Jugendalter allgemein liegt, also z. B. auch auf der schulischen Bildung, sondern ausschließlich auf dem Gebiet der außerschulischen Bildung junger Menschen. In diesem Sinne ist J. eher ein strukturanaloger Begriff zu dem der „Erwachsenenbildung“. Dies wird durch die Verwendung des Bildungsbegriffs unterstrichen (Bildung – Allgemeinbildung), der im Zusammenhang mit Kindern (z. B. „Kinderbildung“) nicht üblich ist.

Die außerschulische Bildungsarbeit ist im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII § 11 Abs. 3) geregelt: „Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit […] [gehört die] außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung.“ In der gesetzlichen Verankerung dieser Themenbereiche von J. kommt eine spezifisch deutsche Tradition des Lernens junger Menschen zum Ausdruck: Seit Beginn des 20. Jh. sollte dieses durch eine aufkommende organisierte Jugendarbeit nicht mehr allein dem privat-familialen Raum überlassen bleiben, sondern auch institutionell geformt werden, ohne eine Vereinnahmung durch den Bildungsort Schule.

Angeboten wird die außerschulische J. vorzugsweise von zivilgesellschaftlichen Akteuren, von unterschiedlichen gemeinnützigen Vereinen und Verbänden der Kinder- und Jugendarbeit, nicht zuletzt auch von konfessionellen Trägern. Dafür wird einerseits eine umfangreiche Palette an wöchentlichen Vor-Ort-Angeboten in kommunalen Einrichtungen offeriert, andererseits ein thematisch ausgerichtetes Angebot in überregionalen Jugendtagungs- und Jugendbildungsstätten.

Genaue Zahlen zu diesen Angeboten sind schwierig zu ermitteln, da das Arbeitsfeld der Jugendarbeit vielschichtig und wenig konturiert ist. Die Anzahl der überregionalen Jugendtagungs- und Jugendbildungsstätten lässt sich jedoch mit der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik näherungsweise quantifizieren: Sie ist zwischen 1990 und 2020 von 562 auf 200 gesunken. Demzufolge hat sich auch die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum von rund 4.200 auf 1.900 mehr als halbiert. Dieser Schwund hängt mit einem markanten Bedeutungsverlust der vielfach in ländlichen Regionen angesiedelten Bildungsstätten zusammen, die in der Bonner Republik (1949 bis 1990) lange Zeit wichtige Orte für die politische Bildung junger Menschen waren. Zugleich hat aber – gemäß dem jüngsten Datensatz – bis 2019 die Anzahl der lokalen Angebote in den Jugendtreffs und Jugendzentren zugenommen.

Die Angebote der J. sind den non-formalen Lernsegmenten für junge Menschen zuzurechnen (formale – non-formale – informelle Bildung). Sie wenden sich an ein definiertes Zielpublikum und verfolgen spezifische, nicht-schulbezogene Lehr-Lern-Ziele, wobei die Teilnahme grundsätzlich freiwillig ist. Im Vergleich zum curricularen Bildungskanon der Schule (Curriculum) sind diese Angebote ungleich pluraler, unverbindlicher und vielfach geprägt von wechselnden Themenkonjunkturen und Interessen der Jugendlichen. Auch wird i. d. R. keine Zertifizierung von Lernerfolgen vorgenommen (Zertifikate – Abschlüsse). Im Vergleich zu ungeplanten oder selbst initiierten Bildungsprozessen, also zum informellen Lernen, wird die außerschulische J. deutlich stärker institutionell vorstrukturiert und häufig von ausgebildeten Fachkräften organisiert.

Auch wenn sich Bildungsleistungen der außerschulischen J. – nicht zuletzt wegen ihres deutlich weniger stark curricular vorbestimmten Themenspektrums – schwerer erfassen lassen als jene der Schule, wird in der Forschung der letzten Jahre immer wieder die Bildungsrelevanz solcher non-formalen Angebote betont, zuletzt im 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung mit Bezug auf die politische Bildung (BMFSFJ, 2020).

Mit Blick auf die Wissenschaftsdisziplinen kann die J. – jenseits der Jugendsoziologie – eindeutig der Erziehungswissenschaft zugeordnet werden. Innerdisziplinär betrachtet, sind wenige Professuren der Sozialpädagogik, aber auch der Erwachsenenbildung zuzuordnen. Konkrete, aktuelle Zahlen liegen dazu nicht vor. Die meisten ausgewiesenen Professuren dürften an den Fachhochschulen für Soziale Arbeit zu finden sein.

Literatur

Böhnisch, L., Gängler, H. & Rauschenbach, T. (Hrsg.). (1991). Handbuch Jugendverbände. Eine Ortsbestimmung der Jugendverbandsarbeit in Analysen und Selbstdarstellungen. Weinheim: Juventa.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2020). 16. Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter. Berlin: BMFSFJ.

Mühlmann, T. & Pothmann, J. (2019). Statistik der Kinder- und Jugendarbeit – Potenziale noch nicht ausgeschöpft. KomDat Jugendhilfe, 22(1), 1–8.

Jüdische Erwachsenenbildung
Katholische Erwachsenenbildung