Institutionen der Weiterbildung

Annabel Jenner

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-142

Die Institutionenlandschaft der Weiterbildung ist durch heterogene, plurale Strukturen gekennzeichnet (Pluralismus). Weiterbildung findet z. B. in Volkshochschulen (vhs), Unternehmen, Einrichtungen von Kammern, Stiftungen, Gewerkschaften, Parteien oder Kirchen, bei privatwirtschaftlichen Anbietern oder als wissenschaftliche Weiterbildung an Universitäten statt.

In den verschiedenen Handlungskontexten der Weiterbildung gelten jeweils unterschiedliche Rahmenbedingungen bzgl. rechtlicher und finanzieller Regelungen sowie gesellschaftlicher Erwartungen und Normvorstellungen. An die in der Soziologie gängige Unterscheidung anschließend, bezeichnet der Begriff I. dieses Bündel an Rahmenbedingungen und bringt zum Ausdruck, dass sich ein Weiterbildungsbereich (z. B. die Volkshochschulen) oder ein bestimmtes Leitkonzept (z. B. Lebenslanges Lernen) mit je spezifischen Rechtsgrundlagen (Recht der Weiterbildung), Finanzierungsmodalitäten (Finanzierung der Weiterbildung) und gesellschaftlich anerkannten Normen etabliert hat. Demgegenüber wird mit dem Begriff Organisation die konkrete Einrichtung bezeichnet, in der das Lernen Erwachsener stattfindet. Abweichend erfolgt z. T. eine synonyme Verwendung des Begriffs I.

Weiterbildungsveranstaltungen erfolgen eingebettet in das Gesamtgefüge einer Weiterbildungsorganisation und ihres Trägers. Diese verorten sich wiederum innerhalb der gesellschaftlich institutionalisierten Strukturen, welche ihre Handlungsbedingungen und Funktionsweisen prägen. Tietgens (1992, S. 293) bezeichnet dies als „institutionelle Staffelung“.

Die Institutionenlandschaft der Weiterbildung lässt sich idealtypisch in vier Kontexten beschreiben (Schrader, 2011, S. 107–129):

  1. Öffentliche Weiterbildung umfasst allgemeine und berufliche Weiterbildung im öffentlichen Auftrag und wird staatlich gefördert (öffentliche Verantwortung).
  2. Weiterbildung in Unternehmen (betriebliche Weiterbildung) ist an dessen Auftrag, Interesse und rechtlich-finanziellen Vorgaben orientiert.
  3. Nicht auftragsgebunden agieren kommerzielle Anbieter (z. B. Coaching-Akademien), die nach Marktprinzipien partikulare Interessen verfolgen.
  4. Weiterbildung im Kontext von Gemeinschaften (z. B. Initiative für Umweltbildung) bezieht sich auf ein spezifisches öffentliches Interesse, agiert aber nicht im staatlichen Auftrag.

Oft lassen sich Weiterbildungsorganisationen diesen Kontexten nicht trennscharf zuordnen, und es liegen hybride Handlungsbedingungen vor. Alternative Systematisierungen bestehen z. B. in der Unterscheidung nach Inhalten und Themen oder nach Rechtsformen.

Die Vielfalt der I. der Weiterbildung ist historisch gewachsen. Ein Institutionalisierungsschub (Institutionalisierung) entstand v. a. in der Weimarer Republik (Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland – von 1918 bis 1933): Erstmalig wurde das Lernen Erwachsener als öffentliche Aufgabe anerkannt, und zahlreiche vhs wurden in und um das Jahr 1919 gegründet. Die von partikularen Gesellschaftsgruppen (z. B. von Kirchen und sozialen Gruppen) getragene Weiterbildung differenzierte sich aus, und es kam zur Verdichtung institutioneller Strukturen (Kade, Nittel & Seitter, 2007, S. 43–45). Im Anschluss an die Wiederaufbauphase nach 1945 trug die Bildungsreform der 1960/70er Jahre zur weiteren Systematisierung bei; eine eigene Säule im Bildungssystem entstand für die Erwachsenen- und Weiterbildung jedoch nicht (ebd., S. 54–63).

Insgesamt ist der Bereich der Weiterbildung geringer reguliert als andere Bildungsbereiche. Faulstich et al. (1991, S. 42–45) sprechen von einer „mittleren Systematisierung“, da Weiterbildung über eigene etablierte Strukturen verfügt, zugleich aber offen ist, auch in anderen gesellschaftlichen Funktionszusammenhängen zu erfolgen.

Die hiesigen Ausführungen beziehen sich auf die organisierte Weiterbildung. Darüber hinaus zeigt sich die Institutionalisierung des lebenslangen Lernens (lifelong learning) Erwachsener in dessen Durchdringung verschiedenster Lebensbereiche – vermehrt auch im digitalen Raum.

Literatur

Faulstich, P., Teichler, U., Bojanowski, A. & Döring, O. (1991). Bestand und Perspektiven der Weiterbildung. Das Beispiel Hessen. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

Kade, J., Nittel, D. & Seitter, W. (2007). Einführung in die Erwachsenenbildung/Weiterbildung (2., überarb. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.

Schrader, J. (2011). Struktur und Wandel der Weiterbildung (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 17). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Tietgens, H. (1992). Institutionelle Strukturen der Erwachsenenbildung. In E. Schmitz & H. Tietgens (Hrsg.), Enzyklopädie Erziehungswissenschaft (Bd. 11: Erwachsenenbildung, 2. Aufl., S. 287–302). Stuttgart: Klett-Cotta.

Institutionalisierung
Intelligenzentwicklung im Erwachsenenalter