Finanzierung der Weiterbildung

Dieter Timmermann

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-100

Eine enge Begriffsfassung definiert F. als Maßnahmen der Beschaffung und Rückzahlung von liquiden Mitteln, d. h. von Zahlungsmitteln bzw. von Geld zur „Gestaltung der Zahlungs-, Informations-, Kontroll- und Sicherungsbeziehungen zwischen Unternehmen und Kapitalgebern“ (Breuer et al., 2004, S. 1052). Der Begriff stellt hier einzig auf den Erhalt der Zahlungsfähigkeit von Organisationen, z. B. der Volkshochschulen (vhs), ab. Die Beschaffung und ggf. Rückzahlung von Zahlungsmitteln durch die an einer vhs Lernenden ist in dieser engen Definition nicht enthalten.

Eine erheblich weitere Begriffsfassung setzt auf die Herstellung der Verfügbarkeit von und über Ressourcen sowohl für die Lernenden als auch für die Organisationen, die Lernangebote bereitstellen (Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens, 2002, 2004; Mäding, 1984). Diese inhaltlich stark erweiterte Begrifflichkeit findet sich in der aktuellen ökonomischen Literatur nicht wieder, schärft aber den Blick für das Verständnis der im Bildungssystem bzw. Weiterbildungssystem stattfindenden Prozesse, in denen die verschiedenen Ressourcen miteinander kombiniert werden, um Lernen zu ermöglichen und Lernergebnisse zu erzeugen.

Generell wirken in allen Lehr-Lern-Prozessen fünf Ressourcenarten zusammen, damit Lernen qualitätsvoll geschehen kann: (1) die Ressource Wissen, (2) psychische Ressourcen, (3) die Ressource Zeit, (4) die Ressource Geld und (5) physische Ressourcen. V. a. im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung kommt (6) die Ressource Rahmenbedingungen bzw. institutionelle Bedingungen (z. B. Zertifizierungen der Lernangebote, Qualitätsstandards und -sicherungssysteme) hinzu.

Für das Lernen in Schulen, Hochschulen und Einrichtungen der außerbetrieblichen Erwachsenen- und Weiterbildung müssen die genannten fünf, für das Lernen in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung die genannten sechs Ressourcenarten verfügbar sein. Allgemeinbildendes und beruflich-betriebliches Lernen kann nur stattfinden, wenn (1) Wissensbestände verfügbar sind, die über formale, non-formale oder informelle Bildung angeeignet werden können; (2) mentale bzw. psychische Ressourcen einsetzbar sind (z. B. in Form in- oder extrinsischer Motivation, Anstrengungsbereitschaft und Entscheidungsfähigkeit auf Seiten der Lernenden und Lehrenden); (3) Zeit für Lernen und Lehren zur Verfügung steht (seitens der Lernenden durch Bereitstellung von Freizeit, seitens der Lehrenden und der Betriebe in Form von Arbeitszeit); (4) Geld in Form liquider Zahlungsmittel vorhanden oder beschaffbar ist (auf Seiten der Lernenden im Fall von entstehenden Ausgaben für Lerngebühren, häusliche technische oder digitale Lerninfrastruktur oder Lernmaterialien; auf Seiten der Bildungseinrichtungen zur Bezahlung der Lehrenden und der sachlich-physischen Ressourcen); (5) sachlich-physische Ressourcen bereitstehen (z. B. in Form von Gebäuden und Räumlichkeiten samt Raumausstattung und technischer wie digitaler Infrastruktur sowie Materialien, aber auch in Gestalt der Gesundheit der Lernenden und Lehrenden und eines lehrenden, motivierenden, animierenden, beratenden und helfenden Personals); (6) im Fall von beruflich-betrieblichem Lernen institutionelle Bedingungen gesichert sind (z. B. Sicherheits- oder Qualitätsanforderungen an Produkte und Arbeitsplätze, Angebot von lerntransfer- und lernträchtigen Arbeitsplätzen, -inhalten und -umgebungen).

Diese Ressourcenarten stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander: Ohne Weiterbildungsmotivation und Lernmotivation ist Zeit und Geld vergebens geopfert und kann Lernen nicht geschehen. Ohne die nötige Zeit zum Lernen kann zumindest formales und non-formales Lernen nicht stattfinden. Das Gleiche gilt, wenn physisch-materielle wie auch finanzielle Bedingungen nicht erfüllt sind. Im Falle informellen Lernens stellt sich das Ressourcenproblem anders dar: Als Voraussetzungen gelten, dass zum einen Lernbereitschaft, -motivation und -wille vorhanden und zum anderen informelle Lerngelegenheiten (z. B. in Gestalt von Arbeitsplätzen, -inhalten und -umgebungen) nutzbar sind. Sofern informelles Lernen außerhalb von Arbeitsplatz und -umgebung stattfinden soll (z. B. auf einer Fachtagung oder durch Lesen einer Fachzeitschrift), stellt sich auch hier die Frage nach den Zeit- und Geldressourcen. Beim informellen Arbeitsplatzlernen (Lernen am Arbeitsplatz) werden Zeit und Geld hingegen nicht benötigt, da es uno actu mit dem Arbeitsprozess geschieht. Der Bedarf an Geld bzw. Liquidität erklärt sich grundsätzlich aus der Tatsache, dass i. d. R. die sachlich-physischen Ressourcen (wie Gebäude, Energie, Personal), die für die Gestaltung formaler und non-formaler Lernarrangements erforderlich sind, in einer hoch arbeitsteiligen Ökonomie nur über verfügbares Geld beschafft werden können.

Ressourcen werden beschafft und verfügt, damit Lernen stattfinden kann – oder ökonomisch ausgedrückt (Bildungsökonomie), damit ein Set von Inputs in einem durch didaktisch-methodische Überlegungen und Prinzipien gesteuerten Kombinations- und Transformationsprozess so eingesetzt wird, dass systematisch Lern-Outputs beim Lernenden erzeugt werden (Wissen, Qualifikationen, Kompetenzen, Einstellungen, Verhaltensweisen). Outputs repräsentieren insofern einen Lernzuwachs, als dass das Wissen und die Kompetenzen der Lernenden am Ende des Prozesses deutlich erkenn- und messbar über dem Eingangswissen bzw. den Eingangskompetenzen liegen und dass ihre Einstellungen sowie Verhaltensweisen am Ende des Prozesses deutlich erkenn- und messbar den Lehr-Lern-Zielen nähergekommen sind.

Der Finanzierungsbedarf für die Ermöglichung von Lernprozessen in formalisierten Lernstrukturen hängt dabei von den Mengen, den Preisen und der Qualität der Inputs, aber auch von der Organisation und Gestaltung der formalen Lehr-Lern-Prozesse ab. Der Finanzierungsbedarf wird also durch die Effektivität und Effizienz der Lehr-Lern-Prozesse – durch ihre Didaktik und Methodik – mitbestimmt. Die in einem bestimmten Zeitraum (z. B. einem Jahr) Auszahlungen bewirkenden Kosten erzeugen den Mittelbedarf und damit das im Zentrum aller Finanzierungsüberlegungen stehende „monetäre Finanzierungsproblem“. Dessen Lösung wirft eine Reihe von Fragen auf: Welche
Finanzierungsquellen sollen in Anspruch genommen werden? Wessen Geldquellen sollen angezapft werden, die der Nachfragenden (also der Teilnehmenden) oder die der Weiterbildungsanbieter bzw. -träger (z. B. Kirchen) oder die des Staates (des Bundes, der Bundesländer, der Kommunen) oder die von Stiftungen und anderen „Dritten“ (z. B. Sponsoren, Spendern)?

Bei dem Finanzierungsmodell der angebotsbezogenen oder institutionellen F. fließen die Finanzmittel von den Geldgebern direkt an die Bildungsinstitutionen. Im Fall der nachfrageorientierten F. leisten die Nutzerinnen und Nutzer einen Finanzierungsbeitrag (z. B. in Form von Gebühren), oder andere Finanziers übernehmen diesen Beitrag, indem sie ihn nicht unmittelbar an die Bildungseinrichtung, sondern an die Nutzerinnen und Nutzer zahlen. Diese werden dadurch mit Kaufkraft ausgestattet und können eine Nachfragemacht zur Umsetzung ihrer Lerninteressen entfalten. Es kann sich hierbei z. B. um Voucher bzw. Bildungsgutscheine handeln, die u. a. in Hamburger Kindertagesstätten, bei der Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III und in den meisten Bundesländern auch zur Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten in kleinen und mittelgroßen Unternehmen eingesetzt werden (Mattern, 1997). Die beiden Finanzierungsalternativen der Angebots- bzw. Nachfrageorientierung üben aufgrund ihrer verschiedenen Anreizmuster unterschiedlichen Einfluss auf das Angebots- und Nachfrageverhalten der Akteure aus und erzeugen differente Steuerungswirkungen.

Im Rahmen der angebotsorientierten F. von Weiterbildung werden die Varianten der input- und der outputorientierten F. unterschieden. Inputorientierte F. deckt den Finanzierungsbedarf von Weiterbildungseinrichtungen mithilfe bestimmter Kennzahlen, die politisch-normativ gesetzt oder empirisch-wissenschaftlich begründet werden. Typische Parameter sind z. B. die Größe von Einzugsgebieten, eine Mindestzahl von Teilnehmenden pro Kurs, Gehaltsgruppen für das haupt- und nebenamtlich tätige pädagogische Personal, Raummieten, Energiekosten oder normierte Teilbudgets. Wichtig ist im Fall öffent­licher (Ko-)F., dass die Steuereinnahmen in einen Einnahmentopf der jeweiligen Körperschaft kommen, über dessen Verwendung jährlich politisch neu entschieden wird.

Outputorientierte F. macht die Finanzzuweisungen z. B. von der Zahl erfolgreicher Absolventinnen und Absolventen oder vom Spektrum der Leistungsqualität der Abschlüsse abhängig.

Die F. der Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland (Finanzierungssituation der Weiterbildung) erfolgt seit Jahrzehnten vorrangig institutionell und inputbezogen. Es werden inzwischen output- und nachfrageorientierte Elemente z. T. ergänzend, z. T. ersetzend herangezogen.

F. bedeutet nicht nur die Beschaffung von Geldsummen; diese ist lediglich ein Mittel, um physische und immaterielle Güter (einschließlich Zeit) sowie Lehrende besorgen, bezahlen und über sie verfügen zu können. Der Finanzierungszweck besteht vielmehr in der Verfügbarkeit über Ressourcen für Lernzwecke, und die Geldbeschaffung ist ein notwendiger Schritt hierfür. Die Zahlungsmittel können dabei aus verschiedenen Finanzierungsquellen stammen.

Literatur

Breuer, W., Breuer, C., Schaefer, C. & Papenfuß, U. (2004). Finanzierung. In K. Alisch, E. Winter & U. Arentzen
(Hrsg.), Gablers Wirtschaftslexikon (S. 1052). Wiesbaden: Springer Gabler.

Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens. (Hrsg.). (2004). Finanzierung Lebenslangen Lernens – der Weg in die Zukunft. Schlussbericht. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens. (Hrsg.). (2002). Auf dem Weg zur Finanzierung Lebenslangen Lernens. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Mäding, H. (1984). Finanzierung des Bildungswesens. In M. Baethge & K. Nevermann (Hrsg.), Organisation, Recht und Ökonomie des Bildungswesens (Enzyklopädie Erziehungswissenschaften, Bd. 5, S. 259–279). Stuttgart: Klett-Cotta.

Mattern, C. (1997). Der Bildungsgutschein. In W. Böttcher, H. Weishaupt & M. Weiß (Hrsg.), Wege zu einer neuen Bildungsökonomie (S. 105–119). Weinheim: Juventa.

Timmermann, D. (2017). Productivity, effectiveness, efficiency. Basic concepts of the economics of education. In P. Siljander, K. Kontio & E. Pikkarainen (Eds.), Schools in transition. Linking past, present, and future in educational practice (pp. 137–159). Rotterdam (NL): Sense.

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