Fernunterricht

Torsten Lau & Andreas Sellmaier & Werner Scharpenberg

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-099

Als F. wird eine Bildungsmaßnahme verstanden, in der sich Lernende und Lehrende an unterschiedlichen Orten befinden. Als Ausgleich für den fehlenden oder reduzierten direkten Kontakt werden Lerninhalte didaktisch für das selbstorganisierte Lernen (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) aufbereitet und Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen den Lehrenden und Lernenden eingerichtet (Interaktion –
Kommunikation
). Durch die Verwendung digitaler Medien überschneidet sich die Realität von F. mit den Lehr-Lern-Formen des E-Learning (digitales Lernen), z. B. Blended Learning, hybrides Lernen.

F. ermöglicht den Lernenden eine weitgehende zeitliche und räumliche Flexibilität. Die Lernenden können bestimmen, wann, wo und wie schnell sie lernen wollen (asynchrones Lernen), sind aber im Lernprozess nie auf sich allein gestellt. Sie haben unabhängig von den Einsendeaufgaben die Möglichkeit, sich bei Tutorinnen und Tutoren Rat und Unterstützung bei auftretenden Schwierigkeiten zu holen.

Im F. kann eine Vielzahl von Qualifikationen und Kompetenzen erworben werden. Mit seinen multimedialen Lernmethoden (Methoden) zeichnet sich der F. als variantenreiche und den persönlichen Bedürfnissen entsprechende Angebotsform aus. Die Inhalte werden abhängig vom Unterrichtsziel mit geeigneten didaktischen Modellen vermittelt (Didaktik – Methodik). Das Selbstlernen kann durch verschiedene Medien gestaltet werden, z. B. gedruckte oder digitale Lehrbriefe, Fallaufgaben, Web Based Trainings, zu bearbeitende Inhalte auf einer Lernplattform. Zudem wird die Möglichkeiten der Selbst- und Fremdkontrolle durch Korrektorinnen und Korrektoren in den Fernunterrichtsinstituten angeboten, die Einsendeaufgaben korrigieren und mit Hinweisen für den weiteren Lernprozess versehen.

Abhängig vom Unterrichtsziel können zum F. mehr oder weniger umfangreiche Präsenzphasen (synchrones Lernen) angeboten werden, die vor Ort oder in Form von Online-Seminaren stattfinden. Die Frage, ob und in welchem Umfang Präsenzphasen (fakultativ oder obligatorisch) angeboten werden, richtet sich nach den zu vermittelnden Kompetenzen. Für bestimmte Lehr-Lern-Ziele (z. B. Kommunikation, Rhetorik, Präsentation) stößt reines Lernen auf Distanz ohne Präsenzphasen oftmals an Grenzen, z. B. wenn Verhaltensänderungen vermittelt werden sollen.

Durch das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) wird der Begriff F. definiert. Zudem regelt es die Rechte und Pflichten der Veranstalter und Teilnehmenden und dient sowohl der Qualitätssicherung (Qualität) der Lehrangebote als auch dem Verbraucherschutz, da es in der Vertragsgestaltung umfassende Verbraucherschutzrechte, z. B. ein Widerrufs- und Kündigungsrecht, definiert. Ebenso legt das FernUSG fest, auf welche Sachverhalte es Anwendung findet:

  1. Der Unterricht muss auf einem privatrechtlichen Vertrag basieren. Folglich muss es sich um Bildungsangebote privatwirtschaftlicher Anbieter handeln. Fernstudiengänge (Fernstudium) mit einem akademischen Abschluss fallen demnach auch unter das FernUSG, wenn sie auf privatrechtlicher Basis angeboten werden.
  2. Es muss ein Entgelt für den F. erhoben bzw. geleistet werden.
  3. Der Unterricht muss überwiegend in räumlicher Distanz stattfinden (> 50 % Selbstlernen). Dabei bezieht sich das Merkmal räumliche Trennung auf den Kontakt der Lernenden mit den Fernunterrichtsinstituten. Phasen synchroner Kommunikation (z. B. Online-Seminare) werden nicht als räumlich getrenntes Lernen eingestuft.
  4. Es muss eine Lernerfolgskontrolle erfolgen, denn diese ist das Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernangeboten. Dabei ist der Begriff „Lernerfolgskontrolle“ weit gefasst. Er umfasst bspw. auch Lernbetreuung und Präsenzphasen. Reine Multiple-­Choice-Tests, die nicht individuell, sondern automatisiert ausgewertet werden, erfüllen diese Voraussetzung somit nicht.

Ein zentraler Aspekt des Gesetzes ist, dass jeder F., der unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, einer Zulassung durch die zuständige Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln bedarf. Der Abschluss eines Fernunterrichtsvertrags ohne die erforderliche ZFU-Zulassung ist gesetzlich verboten und führt zu einem nichtigen Vertrag. Auch werden nur geprüfte und von der ZFU zugelassene Fernunterrichtsangebote und Fernstudiengänge in Form einer einheitlichen Kurzbeschreibung auf der ZFU-Internetseite veröffentlicht.

Im Jahr 2020 waren 450 Fernunterrichtsinstitute mit insgesamt 4 Tsd. Fernunterrichtsangeboten und Fernstudiengängen von der ZFU zugelassen. Eine genaue Anzahl von Studierenden kann nicht benannt werden; schätzungsweise sind dies ca. 600 Tsd. Personen pro Jahr.

Literatur

Dieckmann, H. & Zinn, H. (2017). Geschichte des Fernunterrichts. Bielefeld: wbv Publikation.

Fogolin, A. (2020). Strukturdaten Distance Learning/Distance Education 2020. Bonn: BIBB.

Baumgartner, P. (2014). Taxonomie von Unterrichtsmethoden: Ein Plädoyer für didaktische Vielfalt. Münster: Waxmann.

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