Berufliche Weiterbildung

Rolf Dobischat †

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-028

Der Begriff „Weiterbildung“ zielt in seinem berufsbezogenen Verständnis darauf ab, dass es auf individueller Ebene zu einer Wiederaufnahme des Lernens kommt, das an eine vorgelagerte Ausbildungsphase anknüpft und sie fortsetzt (Fortbildung), einen Aufstieg vorbereitet oder eine berufliche Neuorientierung (Umschulung) anstrebt. Nach den Daten des Adult Education Survey (AES) für das Jahr 2018 (BMBF, 2019, S. 20) repräsentiert die b. W. als Teilsegment, das sich aus der betrieblich veranlassten und finanzierten (betriebliche Weiterbildung) und der individuell initiierten berufsbezogenen Weiterbildung zusammensetzt, das quantitativ bedeutsamste Volumen bei der Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung der Erwerbstätigen. Zugleich zeigt sich aber auch, dass diese Teilnahmequote in Abhängigkeit vom individuellen Qualifikationsniveau (Qualifikation) und der eingenommenen Position in der betrieblichen Statushierarchie steht.

Die b. W. ist ein kritischer Erfolgsfaktor bei Modernisierungsprozessen und in unterschiedliche Zielperspektiven eingebettet. Auf individueller Ebene leistet sie einen Beitrag zur Beschäftigungsfähigkeit (Employability); auf gesellschaftlicher Ebene dient sie angesichts des demografischen Wandels als Instrument der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zur Sicherstellung des qualitativen und quantitativen Arbeitskräftebedarfs der Betriebe oder der gesamten Volkswirtschaft; auf betrieblicher Ebene ist sie in die Personal- und Organisationsentwicklung im Rahmen technisch-organisatorischer Reorganisations- und personeller Reprofessionalisierungsprozesse (z. B. im Kontext der Digitalisierungsstrategien) eingebunden.

Mit Blick auf die gesamte Weiterbildungsarchitektur zeichnet sich die b. W. weder durch eine einheitliche Struktur noch durch eine feste Abgrenzung zu den vorgelagerten Bildungssektoren aus. Sie ist dem (subsidiären) quartären Bereich des Bildungssystems zugeordnet (Weiterbildungssystem). Im Gegensatz zu anderen, öffentlich reglementierten Bildungsbereichen (z. B. Hochschulen) übernehmen sehr häufig Marktmechanismen ohne staatliche Regulierung bzw. ordnungspolitische Rahmensetzung zentrale Steuerungsfunktionen. Daher umschließt dieser quartäre Bildungssektor eine ausdifferenzierte (pluralistische) Institutionsstruktur (Pluralismus), vielschichtige Finanzierungsmodalitäten (Finanzierungsmodelle der Weiterbildung) und unterschiedliche rechtspolitische wie auch föderale Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereiche.

Versteht man die berufliche Aus- und Weiterbildung als tragende Säulen des von der Europäischen Union propagierten Konzepts des Lebenslangen Lernens (lifelong
learning
), so bewegen sich die davon ausgehenden Impulse u. a. in Richtung einer Etablierung fließender Übergänge im Bildungssystem wie auch einer stärkeren Modularisierung der Bildungsangebote. Exemplarisch hierfür steht die Forderung nach einer stärkeren Verknüpfung von beruflicher Aus- und Weiterbildung, die in vielen Feldern (institutionell-organisatorisch, inhaltlich, finanziell, curricular, didaktisch-methodisch) unzureichend ist, um z. B. nach wie vor bestehende Diskontinuitäten und Barrieren abzubauen.

Ein weiterer europäischer Impuls betrifft das Lernen, das sich in die drei Hauptlinien des formalen Lernens (z. B. in geregelten Bildungsgängen), des non-formalen, organisierten Lernens und des informellen, selbstorganisierten Lernens aufgliedert (formale – non-formale – informelle Bildung).

Mit der Etablierung des Begriffs Kompetenz u. a. bei der Gestaltung prozessbezogener beruflicher Lehr-Lern-Arrangements und der damit verknüpften Renaissance des arbeitsplatznahen Lernens (Lernen am Arbeitsplatz) deutet sich an, dass die beobachtbare Verschränkung der etablierten Bildungsbereiche (Ausbildung, Hochschule, Weiterbildung) die bisherigen starren Grenzziehungen zunehmend obsolet werden lässt. Gleichzeitig ist feststellbar, dass die bislang traditionell geprägte Differenz zwischen allgemeiner, politischer und beruflicher Weiterbildung mehr und mehr verschwimmt, sodass sich diese systematisch etablierte Trennung zunehmend als künstlich erweist.

Literatur

Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2019). Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2018. Ergeb­nisse des Adult Education Survey – AES-Trendbericht. Bonn: BMBF.

Dobischat, R. & Düsseldorff, K. (2020). Organisation, Recht und Finanzierung der beruflichen Weiterbildung. In R. Arnold, A. Lipsmeier & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Berufsbildung (3., völlig neu bearb. Aufl., S. 579–595). Wiesbaden: Springer VS.

Beratung im Kontext lebenslangen Lernens
Berufsbildung