Volkshochschulen

Gundula Frieling & Sascha Rex

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-283

vhs sind kommunale Weiterbildungszentren. Als staatlich und kommunal geförderte gemeinnützige Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung tragen sie mit der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen zur kommunalen Daseinsvorsorge (Grundversorgung) bei (öffentliche Verantwortung). Kennzeichen von vhs ist ihre prinzipielle Offenheit für alle, die durch weltanschauliche und parteipolitische Unabhängigkeit, wohnortnahe Angebote und eine kostengünstige Preisgestaltung gesichert wird. Ihre jeweiligen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich stark, sodass Größe, Finanzierung, Angebotsumfang und Einzugsgebiet der vhs sehr heterogen sind.

vhs haben sich in Deutschland Ende des 19. Jh. unter dem Einfluss der dänischen Heimvolkshochschulbewegung (Nikolai F. S. Grundtvig) (Heimvolkshochschulen) aus den Veranstaltungen der Arbeiter- und Handwerkerbildungsvereine (Arbeiterbildung) und den volkstümlichen Hochschulkursen der Universitäten entwickelt. Die große Anzahl von Neugründungen mit Entstehung der Weimarer Republik war mit dem Ziel der Aufklärung und Kenntnisvermittlung als Beitrag für die neue demokratische Gesellschaftsordnung verbunden. Erstmalig heißt es in der Weimarer Verfassung von 1919 (Art. 148 Abs. 4): „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden.“ In dieser Zeit wurde das bis in die 1920er Jahre dominierende Veranstaltungsformat des Vortrags zunehmend von der Arbeitsgemeinschaft als neue aktivierende Lernform abgelöst. Diese erschien der Idee der sozialen und politischen Integration angemessen, da sie zur Handlungsbefähigung anleitete.

2019 gibt es in Deutschland 888 vhs mit rund 3 Tsd. regionalen Außenstellen in Stadtteilen oder ländlichen Gebieten. Mehr als 63 Prozent davon sind in direkter öffentlicher Trägerschaft (Städte, Gemeinden, Landkreise oder Zweckverbände), ca. 32 Prozent sind eingetragene Vereine, die übrigen vhs sind in privaten Rechtsformen organisiert.

Durchschnittlich ein Drittel der Finanzierung der vhs ist durch öffentliche Zuschüsse von Kommunen und Ländern gesichert. Ein weiteres Drittel wird durch Kursgebühren der Teilnehmenden gedeckt. Das letzte Drittel machen Fördermittel Dritter aus (SGB III-, Bundes- und EU-Mittel).

Das Personal der vhs setzt sich 2019 aus 688 Leitenden, über 4.100 hauptberuflich pädagogischen Beschäftigen und ca. 3.900 Verwaltungsmitarbeitenden zusammen. Der überwiegende Teil der Veranstaltungen (558 Tsd. in 2019) wird von annähernd 200 Tsd. Honorarkräften durchgeführt. Mit über 16 Mio. Unterrichtsstunden und 6,2 Mio. Belegungen ist das Leistungspotenzial der vhs seit Jahren auf konstant hohem Niveau.

Die große Bandbreite der Angebote in den Programmbereichen (Programme) Grundbildung, Schulabschlüsse – Studienzugang und -begleitung, Qualifikationen für das Arbeitsleben – IT – Organisation/Management, Politik – Gesellschaft – Umwelt, Gesundheit, Kultur – Gestalten, Sprache und Integration berücksichtigt die lokalen Gegebenheiten und ist ausgerichtet an den Orientierungs-, Bildungs- und Qualifizierungsinteressen der Teilnehmenden. Sie dienen der Entfaltung individueller Potenziale, beruflicher Weiterbildung und Qualifikationsanpassungen (Qualifikation) und tragen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt und Integration bei. Mit Kursangeboten in den Bereichen Alphabetisierung und Grundbildung sowie Nachholen von Schulabschlüssen (zweiter Bildungsweg) bieten vhs bildungsbenachteiligten Zielgruppen eine zweite Chance. Zudem arbeiten sie flächendeckend als Träger für Integrationskurse.

Zertifikate spielen v. a. in den Fremdsprachen (z. B. The European Language Cer­tifi­cates, TELC; Sprachenzertifikate) und in der beruflichen Weiterbildung (z. B. Kurs- und Zertifikatssystem Xpert) eine Rolle und tragen dem Interesse an anerkannten Leistungsnachweisen Rechnung. Darüber hinaus haben die vhs Qualitätsmanagementsysteme (Qualität) sowohl im pädagogischen als auch im Servicebereich implementiert.

Programmbereichsübergreifende Angebote (z. B. junge vhs, vhs.now im Bereich der Digitalisierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Seniorenbildung, interkulturelles Lernen) und maßgeschneiderte (Firmen-)Angebote ergänzen das traditionelle Kursangebot. vhs nehmen auch Dienstleistungsfunktionen wahr, z. B. in der Lernberatung (Beratung im Kontext lebenslangen Lernens) oder mit Bildungsangeboten im schulischen Kontext (z. B. Ganztagsangebote, Lernförderung). Innerhalb der kommunalen Bildungslandschaften leisten vhs ihren Beitrag zu einem kohärenten Bildungs- und Übergangsmanagement (Übergänge im Bildungssystem) und engagieren sich zudem als Partnerinnen und Koordinatorinnen lokaler Netzwerke (z. B. im Bundesprogramm Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung).

Literatur

Deutscher Volkshochschul-Verband. (Hrsg.). (2011). Die Volkshochschule – Bildung in öffentlicher Verantwortung. Bonn: DVV.

Huntemann, H., Echarti, N., Lux, T. & Reichart, E. (2021). Volkshochschul-Statistik. 58. Folge, Berichtsjahr 2019 (Reihe DIE Survey. Daten und Berichte zur Weiterbildung, Bd. 9). Bielefeld: wbv Publikation.

Klemm, U. (Hrsg.). (2017). Die Idee der Volkshochschule und die politische Gegenwart (Reihe Beiträge zur kritischen Bildungswissenschaft). Hannover: Offizin.

Schrader, J. & Rossmann, E. D. (Hrsg.). (2019). 100 Jahre Volkshochschulen. Geschichten ihres Alltags (hrsg. v. Deutschen Volkshochschul-Verband & Deutschen Institut für Erwachsenenbildung). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Verstehen – Verständigung
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