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Ortfried Schäffter

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-280

Bei der strukturellen Bestimmung von institutionalisierten Kontexten des Lernens im Erwachsenenalter unterscheidet Tietgens (1983) ein Lernen, für das eigens V. konzipiert und durchgeführt werden von einem Lernen, das beiläufigen alltagsgebundenen Prozessen überlassen wird. In diesem Verständnis erweist sich der Begriff V. als eine kon­sti­tu­ti­ve Kategorie. Sie ist durch speziell didaktisierte Arrangements gekennzeichnet, mit denen eine Organisationsstruktur für unterschiedliche, lernförderliche Situationen als pädagogischer Planungs- und Gestaltungsrahmen bereitgestellt werden kann.

Obwohl gegenwärtig das Marktmodell und damit die V. im Sinne von Weiterbildungsangeboten (Angebot) als Normalform gelten, beschränkt sich der Begriff V. nicht auf eine anbieterzentrierte Bildung und ist somit nicht notwendigerweise mit einer externen Zuschreibung von Defiziten verknüpft. Vielmehr umfasst er auch Muster eines partizipatorisch angelegten Zustandekommens, z. B. Fortbildungsveranstaltungen ohne Defizitzuschreibung aus einer transitorischen Lebenslage in Organisationen bzw. selbstorganisierte V. innerhalb sozialer Milieus oder sozialer Bewegungen.

Als Bestimmungsmerkmal jeder Bildungsveranstaltung kann gelten, dass sie als ein Lernarrangement sachlich, sozial und zeitlich ausdifferenziert ist und hierdurch funktionale Kontextgrenzen zu ihrer alltäglichen Umwelt aufbaut. Diese strukturelle Kontrastierung zum nicht-pädagogischen Alltag hat sich als lernförderlich zu legitimieren, bezieht hieraus ihre professionelle Anziehungskraft für Bildungsadressaten (Teilnehmende) sowie die Finanzierungsvoraussetzungen bei Auftraggebern.

Als Planungskategorie der Erwachsenenbildung lassen sich V. in der vertikalen Staffelung didaktischer Handlungsebenen nach „oben“ zur Aufgabenbereichs- und Programmplanung und nach „unten“ zur Vorbereitung einzelner Lerneinheiten (wie Sitzung, Kursstunde, Lehrgangsblock) abgrenzen. Hierdurch werden differente pädagogische Handlungskontexte mit deren jeweils beteiligten Akteursgruppen unterschieden. Während in der Programmplanung im Rahmen von Bildungsmanagement die Kursleitenden noch zur Disposition stehen, wird die Veranstaltungsplanung von ihnen bzw. unter ihrer persönlichen Beteiligung durchgeführt und kann ihre subjektiven Voraussetzungen bereits als immanente Planungsvorgaben berücksichtigen. Im Gegensatz zur Stundenvorbereitung hat sich die Planung von V. dem konstitutiven Strukturproblem der Erwachsenen- und Weiterbildung zu stellen, dass sich Erfolg und Misserfolg zunächst daran zeigen, ob V. überhaupt zustande kommen. Es geht um ein deutliches und werbewirksames Ansprechen von Adressatengruppen, um sie zur Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung zu bewegen. Insofern ist Veranstaltungsplanung immer auch Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings einer Weiterbildungseinrichtung. Somit können V. als strukturelle Kernelemente funktional didaktisierter Lernkontexte angesehen werden, in denen eine Vielzahl didaktischer Entscheidungsgesichtspunkte (Didaktik – Methodik) konkretisierend zusammenläuft (Schäffter, 1984).

Im Rahmen der historisch schrittweisen Institutionalisierung von Weiterbildung hat sich mittlerweile ein Spektrum unterschiedlicher Formen von V. herausgebildet:

  • Sozial geht es um spezifische Angebotsmuster, in denen bereits Sozialformen des Lehrens und Lernens signalisiert werden, z. B. Gesprächskreis, Seminar, Studienzirkel, Vortrag, Studienreise, Lehrgang, (Fort-)Bildungsmaßnahme.
  • Sachlich erfährt der intendierte Lerngegenstand in der konzeptionellen Bestimmung von V. eine besondere Betonung, wie Arbeitsgemeinschaft, Workshop, Training, Projektmethode, Praxisberatung und -erkundung, Planspiel, Zukunftswerkstatt.
  • Zeitbezogen reagiert die Planung von V. auf temporale Verknüpfungsprobleme lebensbegleitenden Lernens (lifelong learning), z. B. Kurs, Wochen(end)seminar, Blockveranstaltung, Tagung, Konferenz, zielgruppenbezogene Zeitfenster für bspw. Schichtarbeitende, Seniorinnen und Senioren, alleinerziehende Mütter und Väter.

Bei der Vorbereitung von V. kann zwischen der Ankündigungs-, Eröffnungs-, Strukturierungs- und Gestaltungsphase unterschieden werden. Zur mikrodidaktischen Gestaltung orientiert man sich an curricularen Elementen und Planungsgesichtspunkten (Curriculum) wie Lehr-Lern-Zielen, Inhalten und Themen, Teilnehmervoraussetzungen, Verwendungsbereichen und -situationen, Voraussetzungen der Kursleitenden, geeigneten Mustern der Interaktion, Konzeptionen, Methoden und Medien sowie institutionellen Rahmenbedingungen. Über eine didaktische Gestaltung der einzelnen Lehr-Lern-Einheiten hinaus ist die Gesamtartikulation – also V. in ihrem beabsichtigten Prozessverlauf – zu beachten. Geißler (2005, 2016) gibt viele Anregungen in Bezug auf die Bedeutung der Anfangssituation, zu einem didaktisch artikulierten Verlauf, aber auch für die Suche nach dem guten Ende.

Die Planung von V. meint das Gegenteil einer perfektionierten Programmierung. Sie ist vielmehr ein Rahmen, in dem Vorentscheidungen transparent und Gestaltungsfreiräume sowie Partizipationserwartungen der Teilnehmenden verdeutlicht werden.

Literatur

Geißler, K. A. (2005). Schlußsituationen. Die Suche nach dem guten Ende (Reihe Beltz Weiterbildung, 4., neu ausgest. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Geißler, K. A. (2016). Anfangssituationen. Was man tun und besser sein lassen sollte (Reihe Beltz Weiterbildung, 11., überarb. u. erw. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Schäffter, O. (1984). Veranstaltungsvorbereitung in der Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Tietgens, H. (1983). Veranstaltetes und selbstinitiiertes Lernen. In R.-J. Heger, J. Heinen-Tenrich & T. Schultz (Hrsg.), Wiedergewinnung von Wirklichkeit – Ökologie, Lernen und Erwachsenenbildung (S. 217–229). Freiburg i. Br.: Dreisam.

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