Umweltbildung

Heike Molitor

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-276

Die U. ist als Unterdisziplin der Pädagogik im Kontext der Umweltkrise und Umweltbewegungen in den 1970er Jahren entstanden. Zunächst noch als „Umwelterziehung“ bezeichnet, zielte sie v. a. bei Schülerinnen und Schülern auf die Auseinandersetzung mit der natürlichen, sozialen und gebauten Umwelt, auf die Fähigkeit zum Problemlösen in komplexen Systemen und auf die Förderung umweltgerechten Verhaltens, d. h. des verantwortungsbewussten Umgangs mit Umwelt und natürlichen Ressourcen. Als Gegenbewegung entstand die sog. Ökopädagogik als alternatives partizipatives und zukunftsorientiertes Konzept. Der Ansatz des selbstorganisierten und -gesteuerten Lernens (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) in Bürgerinitiativen (Ökologisches Lernen) beeinflusste die Erwachsenen- und Weiterbildung in den 1970er und 1980er Jahren (umwelt-)politisch. So stieg das Interesse an Umweltthemen in Einrichtungen der Erwachsenenbildung bis in die 1990er Jahre an, nahm im Verlauf der 1990er Jahre etwas ab und weist seitdem eine konstante Nachfrage auf.

Neben diesen eher gesellschaftspolitischen Ansätzen gibt es seit dem 19. Jh. auch Konzepte, die dem Naturschutz entspringen. Diese finden sich v. a. in Bildungseinrichtungen (Umweltzentren), die non-formales Lernen für alle Altersgruppen anbieten. Hierbei steht das Mensch-Natur-Verhältnis im Zentrum des pädagogischen Handelns mit dem Ziel, den Teilnehmenden die Zusammenhänge des umweltgerechten Verhaltens zu vermitteln. Seit den 1970er und 1980er Jahren zeichnen sich Didaktik und Methodik dieser Ansätze (z. B. Flow Learning, Interpretation, Naturpädagogik, Wildnispädagogik) durch die Prinzipien der Erfahrungsorientierung (Erfahrungen – Erfahrungsorientierung), des emotionalen Lernens (Emotion – emotionale Kompetenz) und der Reflexivität aus. Über ganzheitliche Erfahrungen in bzw. mit der Natur soll der Naturentfremdung begegnet werden und eine Beziehung zu sich, zu anderen und zur Natur aufgebaut werden. Diese Konzepte wurden z. T. von den Vertreterinnen und Vertretern der gesellschaftspolitischen Ansätze wegen fehlender gesellschaftsrelevanter Inhalte als unpolitisch kritisiert.

Ende der 1980er Jahre wurden beide Richtungen bzw. Ansätze unter dem Begriff U. zusammengeführt und als Förderung der Natur- und Selbsterfahrung, der Welterkenntnis und der Reflexion eigener Handlungs- und Deutungsmuster verstanden.

Mit der Konferenz der Vereinten Nationen (UN) für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 und den Folgekonferenzen (2002, 2012) hielt das Konzept der Nachhaltigkeit Einzug in den Diskurs der U. Als Ergebnis wurden die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) (2005 bis 2014), das UNESCO Weltaktionsprogramm BNE (2015 bis 2019) und das Folgeprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE 2030) (2020 bis 2030) verabschiedet, um BNE strukturell in alle Prozesse der formalen, non-formalen und informellen Bildung zu implementieren und zu verstetigen. In Deutschland erfolgt dieser Prozess unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) über die ­Nationale Plattform BNE.

In dem angeschlossenen (Fach-)Forum non-formales und informelles Lernen wurden auch erwachsenpädagogische Themen im 2017 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan BNE berücksichtigt. Darin wird BNE als Bildung definiert, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. BNE ist theoretisch an der Schnittstelle von Nachhaltigkeitsforschung und Erziehungswissenschaft verortet und wird im Sinne kritisch-emanzipatorischer Bildung v. a. als Such-, Reflexions- und Veränderungsprozess verstanden. Unter Berücksichtigung von Elementen des Konstruktivismus soll im Rahmen von BNE Gestaltungskompetenz (Kompetenz) vermittelt werden, die systemisches, vorausschauendes und vernetztes Denken, Kooperations-, Aushandlungs- und Partizipationsfähigkeit sowie Reflexions- und Empathiefähigkeit umfasst. Um ein Anschlusslernen an die Lebenswelt und Erfahrungswelt sowie an gesellschaftliche Veränderungen im Kontext von Nachhaltigkeit zu ermöglichen, eignen sich insb. in der transformativen Erwachsenenbildung inter- und transdisziplinäre Herangehensweisen (Interdisziplinarität) an wirklichkeitsnahe Probleme der Menschen.

Inhaltlich-konzeptionelle Orientierung bieten die 2015 von den Mitgliedstaaten der UN verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die von der Beseitigung des Hungers über Gerechtigkeitsfragen bis zu Klimaschutz-Maßnahmen reichen. Über die inhaltliche Komponente hinaus bezieht sich der Anspruch von BNE auf ganzheitliche Lehr-Lern-Umgebungen, die Nachhaltigkeit als gelebtes Prinzip widerspiegeln (whole institution approach), sowie auf Weiterbildungsorganisationen, die sich als Teil lokaler Bildungslandschaften begreifen und aktiv nachhaltigkeitsrelevante Netzwerke gestalten.

Diesen umfassenden Voraussetzungen kommen Einrichtungen der Erwachsenenbildung nur teilweise nach, auch wenn BNE und das verwandte Konzept Globales Lernen (entstanden aus der entwicklungspolitischen Bildung) seit den 1990er Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. So empfiehlt der Deutsche Volkshochschul-Verband den Volkshochschulen, auf Grundlage der 17 Ziele der Agenda 2030 eine nachhaltige Entwicklung in ihren Leitbildern und Programmen zu verankern. Die Umsetzung steht größtenteils noch aus; zurzeit überwiegen Angebote mit ökologischer Ausrichtung.

Literatur

Burdukova, G. (2019). Nachhaltigkeit als Thema in den Programmen und Angeboten der Volkshochschulen im Zeitverlauf. Programmanalysen auf der Basis des digitalen Volkshochschulprogrammarchivs am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (texte.online). Bonn: DIE.

Bolscho, D. & Seybold, H. (1996). Umweltbildung und ökologisches Lernen. Berlin: Cornelsen.

Ibisch, P., Molitor, H., Conrad, A., Walk, H., Mihotovic, V. & Geyer, J. (Hrsg.). (2018). Der Mensch im globalen Ökosystem. Eine Einführung in die nachhaltige Entwicklung. München: oekom.

Umschulung
Ungleichheit in der Bildungsbeteiligung