Rainer Brödel
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-259
Der Begriff s. W. verweist auf die Ausgaben von Bund, Bundesländer und Europäischer Union (EU) zur infrastrukturellen Förderung von Weiterbildung und zur Umsetzung politischer Zielsetzungen durch Weiterbildung. Rechtliche Grundlage bilden zumeist Spezial- bzw. Weiterbildungsgesetze (→ Recht der Weiterbildung). Eine bedeutsame rechtliche Grundlage ist u. a. der Europäische Sozialfonds (ESF).
Entgegen der ursprünglichen Programmatik von öffentlicher Weiterbildung, welche nach dem Reformverständnis (→ Bildungsreformen) der 1970er Jahre auf die Bündelung weiterbildungsrelevanter Ressourcen in einem Ressort abzielen sollte, hat sich eine Diversifizierung der staatlichen W. durchgesetzt. Hierbei besteht eine Aufgabenteilung zwischen Bund, Bundesländern und EU (Brödel, 2000), wobei auf Europaebene geförderte Weiterbildung i. d. R. einer nationalen Ko-Finanzierung bedarf (→ Finanzierung der Weiterbildung). Dies betrifft insb. Weiterbildungsmaßnahmen, die nach dem ESF teilfinanziert und national ko-finanziert werden müssen. Die Kommunen fungieren zwar als ein bedeutsamer Finanzier v. a. der → Volkshochschulen, werden aber nicht der staatlichen Sphäre zugerechnet. Ähnlich verhält es sich mit der → Bundesagentur für Arbeit, deren stark rückläufige Weiterbildungsförderung sich vorwiegend aus Beiträgen der Sozialpartner speist.
Es ist zwischen einem engen und weiten Verständnis von staatlicher W. zu unterscheiden:
- Im ersten Fall unterstützt ein Großteil der Bundesländer die finanzielle Realisierung von Weiterbildungsangeboten, und es werden öffentlich anerkannte Weiterbildungseinrichtungen als Infrastruktur lebenslangen Lernens (→ lifelong learning) gefördert. Dies geschieht im Rahmen der Kulturhoheit in den meisten Bundesländern mittels spezieller Erwachsenen- oder Weiterbildungsgesetze, die somit einen strukturprägenden Einfluss auf das Bildungsgeschehen nehmen. Die übrigen Bundesländer fördern die allgemeine, → politische und → ästhetisch-kulturelle Bildung Erwachsener per Verordnung und jährlichem Haushaltsgesetz.
- Im zweiten Fall geht es um eine Form der staatlichen W., bei der der am Begriff „Bildung“ orientierte Fördergedanke hinsichtlich des organisierten Erwachsenenlernens nicht mehr explizit gegeben ist, sondern der Staat in diversen Politikfeldern mit dem Instrumentarium der Weiterbildung tätig wird. Hier ließe sich aufgrund der Nachrangigkeit von Bildung als personalem und gesellschaftlichem Eigenwert von einer „sekundären“, also instrumentellen staatlichen W. sprechen (Brödel, 1997), die jedoch zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Einen Schwerpunkt der so verstandenen staatlichen W. bilden seit Jahren staatliche Bildungsmaßnahmen für Arbeitslose, zumal hier die sozialversicherungsrechtliche Finanzierung häufig nicht ausreicht oder von vornherein kein Förderanspruch besteht. Auch die berufliche Bildung (→ Berufsbildung) und die → Umschulung gehören zum Förderbereich auf Bundesebene, da sie eng mit der Arbeitsmarktpolitik verflochten sind. Diverse staatliche Mischfinanzierungen können bei der Förderung von Zielgruppen greifen, z. B. zwecks einer leichteren Integration von anerkannten Flüchtlingen bzw. Zugewanderten (→ Migration). Auch befristete Sonderprogramme sind Teil staatlicher W., wie das Bundesprogramm Bildungsprämie. Während der Pandemie bzw. Corona-Krise ab 2020 wurden im Fall von betrieblicher Kurzarbeit staatliche Förderanreize initiiert, um zeitlich entstandene Freiräume für Weiterbildungsaktivitäten von einzelnen Beschäftigtengruppen leichter nutzen zu können.
Generell legitimiert sich s. W. als Korrektiv gegenüber den Defiziten einer rein marktförmig strukturierten oder allein auf Privatinitiative beruhenden Erwachsenen- und Weiterbildung. Im Grundsatz ist die s. W. unbestritten. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch über das Ausmaß und den Modus ihrer Praktizierung, wobei die entsprechenden Programmatiken einem zeitlichen Wandel unterliegen. Als Einflussfaktoren gelten unterschiedliche fiskalische Spielräume, Veränderungen in der staatlichen Problemwahrnehmung, grenzüberschreitende Migrations- bzw. Zuwanderungsbewegungen sowie die Konjunkturbedingtheit übergreifender Gesellschaftspolitiken. Aus Adressatensicht bilden die Anschlussfähigkeit und Kombinierbarkeit staatlich geförderter Weiterbildung ein Desiderat (Reich-Claassen & Hippel, 2009).
Literatur
Brödel, R. (Hrsg.). (2000). Grenzüberschreitende Erwachsenenbildung. Münster: Waxmann.
Brödel, R. (1997). Transparenz- und Vernetzungsprobleme öffentlicher Weiterbildungsfinanzierung. In V. Bank & R. Hans (Hrsg.), Komplementäre Bildung – in der Schule, nach der Schule (Festschrift zum Geburtstag von H. Rüdiger, IFKA-Schriftenreihe des Instituts für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e. V., Bd. 16, S. 327–338). Bielefeld: IFKA.
Cordes, M. (2020). Weiterbildungsförderung in Deutschland – zwischen Struktur und Systematik. BWP – Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 49(1), 12–16.
Reich-Claassen, J. & Hippel, A. von (2009). Kosten von Weiterbildung und Selektivität. Hessische Blätter für Volksbildung, 59(4), 323–334.
Reichart, E. (2021). Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen für Weiterbildung. In S. Widany, E. Reichart, J. Christ & N. Echarti (Hrsg.), Trends der Weiterbildung – DIE-Trendanalyse 2021 (Reihe DIE Survey. Daten und Berichte zur Weiterbildung, Bd. 10, S. 35–65). Bielefeld: wbv Publikation.