Studium der Erwachsenen- und Weiterbildung

Ingeborg Schüßler & Regina Egetenmeyer

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-260

Das S. der E.- u. W. bezieht sich auf Studienangebote mit erwachsenenpädagogischen Inhalten von verschiedenen Hochschulen (z. B. Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaft). Je nach personeller Ausstattung und möglichem Lehrangebot vor Ort finden sich gegenwärtig und historisch Studienformen, die vom Angebot einzelner erwachsenenpädagogischer (Weiterbildungs-)Module in Studiengängen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft bis zu einer grundständigen Ausbildung durch vollständig erwachsenenpädagogisch ausgerichtete Studiengänge reichen. Diese vielfältigen Angebote werden auch unter dem Thema der akademischen Professionalisierung diskutiert (Egetenmeyer & Schüßler, 2012). Das S. der E.- u. W. wird differenziert von nicht-akademischen Fortbildungen und Weiterbildungen, die außerhalb von Hochschulen angeboten werden (Weiterbildung der Weiterbildenden).

Die Ursprünge des heutigen Studiums der E.- u. W. mit den Abschlüssen eines Bachelors (BA) oder Masters (MA) gründen auf dem – meist als „Diplom-Pädagogik“ bezeichneten – Studiengang der Erziehungswissenschaft, welcher in den späten 1960er Jahren entstand und auch eine Studienrichtung Erwachsenen- und Weiterbildung vorsah. Die Einrichtung eines Diplomstudiengangs wurde in dieser Zeit v. a. durch die politisch-
gesellschaftliche Nachfrage nach pädagogischem Fachwissen (Wissen) und pädagogischen Fachkräften, angetrieben durch die Bildungsreform und die Entwicklung des Sozial- und Wohlfahrtsstaats, begünstigt. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferte das Gutachten „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“ (1960) des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen. Darin wurde eingefordert, dass der Staat die Erwachsenen- und Weiterbildung als dauerhafte öffentliche Aufgabe (öffentliche Verantwortung) und als gleichberechtigten Bildungszweig neben Schule und Berufsausbildung anerkennt. Im Zuge des Bologna-Prozesses erfolgte dann um die Jahrtausendwende die Umstellung des Diplomstudiengangs in BA- und MA-Studiengänge. Neben einer Förderung der Vergleichbarkeit von Abschlüssen und damit einhergehend der Mobilität der Studierenden wurde auch eine Forcierung der arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung (Employability) durch die Studiengänge angestrebt. Dadurch wurde die Gewichtung der beruflichen Ausrichtung tendenziell verstärkt und das erwachsenenpädagogische Studienangebot mit Blick auf die Pluralität des praktischen Arbeitsfelds differenziert.

Die quantitative Erfassung des aktuellen Studienangebots gestaltet sich schwierig. Zum einen wird in Deutschland keine entsprechend umfassende Datengrundlage zur Verfügung gestellt. Zum anderen werden aufgrund struktureller Veränderungen auf Hochschulebene bereits bestehende BA- und MA-Studiengänge im Rahmen von (Re-)Akkreditierungen (Akkreditierung) angepasst oder verändert. Auch die Anzahl der Professuren mit einer Denomination im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung verändert sich je nach Hochschulstandort immer wieder und folglich auch einschlägige Studienangebote. Dokumentationen des Studienangebots können somit immer nur den Ist-Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt abbilden (Kohl & Rohs, 2019). Für eine disziplinäre Verortung und Weiterentwicklung sowie als Informationshilfe für Studieninteressierte und Weiterbildungseinrichtungen wäre es jedoch wichtig, sich um eine kontinuierliche Erfassung der Studienstandorte und -angebote zu bemühen.

Trotz dieser mangelnden Datengrundlage und quantitativen Schwankungen wird von einer Gesamtzahl von ca. 160 bis 200 Studiengängen mit erwachsenenpädagogischen Anteilen (je nachdem, welche Bezeichnungen und Modulumfänge berücksichtigt werden) ausgegangen, von denen ca. zwei Drittel auf MA-Ebene angesiedelt sind (ebd.). Diese Studiengänge finden sich an ca. 60 Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland in unterschiedlichen Angebotsvarianten, wobei zehn Hochschulen auf keine eigenen erwachsenenpädagogischen Professuren zurückgreifen können (Iller & Dörner, 2020). Hinzu kommen Angebote zur wissenschaftlichen Weiterbildung (meist weiterbildende MA-Studiengänge, Zertifikats- und Modulstudien, v. a. an Hochschulen für angewandte Wissenschaft und privaten Hochschulen), die insb. für Quereinsteigende in das Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung von Interesse sind. Im Zuge der Digitalisierung erweitert sich das S. der E.- u. W. um Fernstudienangebote (Fernstudium). Etabliert sind jene an der TU Kaiserslautern und der Fernuniversität Hagen. Hinzugekommen sind in den letzten Jahren weitere Hochschulen, z. B. die private IU Internationale Hochschule GmbH mit Geschäftssitz in Erfurt.

Das S. der E.- u. W. ist vorrangig auf Modulebene und weniger in konkreten Studiengängen mit dem Titel „Erwachsenen- und Weiterbildung“ verortet, sodass häufig nur das Transcript of Records, welches beim Studienabschluss eine Liste aller absolvierten Module und Veranstaltungen dokumentiert, einen Aufschluss über den tatsächlichen Umfang erwachsenenpädagogischer Inhalte liefert. Da die Modulinhalte wiederum kontinuierlichen Änderungen unterliegen, ist es sinnvoll, das erwachsenenpädagogische Studienangebot qualitativ zu untersuchen. Als Orientierung dient hier das von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) entwickelte Kerncurriculum, das als Richtschnur für die Entwicklung erziehungswissenschaftlicher Haupt- und Nebenfachstudiengänge diente (DGfE, 2010). Das Kerncurriculum für den Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung sollte u. a. die Vergleichbarkeit des Studiums an verschiedenen Hochschulstandorten und damit die Mobilität von Studierenden erleichtern. Das S. der E.- u. W. ist darin mit folgenden Modulen konzipiert:

  1. Grundlagen der Erziehungswissenschaft;
  2. gesellschaftliche, politische und rechtliche Bedingungen von Bildung, Ausbildung und Erziehung in schulischen und nicht-schulischen Einrichtungen unter Einschluss internationaler Aspekte;
  3. Einführung in erziehungswissenschaftliche Studienrichtungen;
  4. theoretische und historische Grundlagen der Erwachsenen- und Weiterbildung;
  5. professionelle Handlungskompetenzen und Arbeitsfelder in der Erwachsenen- und Weiterbildung – Grundlagen;
  6. Bildungsforschung und forschungsmethodische Grundlagen;
  7. Theorie, Forschung und Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung;
  8. Professionelle Handlungskompetenzen in der Erwachsenen- und Weiterbildung – Vertiefung;
  9. Lehrforschungsprojekt.

Eine von der Sektion Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft in Auftrag gegebene Studie zu Angebot und Ausstattung im S. der E.- u. W. verdeutlicht die Unterschiede auf Modulebene zwischen BA- und MA-Studiengängen (Lobe & Walber, 2020). So finden sich beim BA-Studium sechs Themencluster (die Reihenfolge gibt die Häufigkeit der thematischen Nennungen wieder):

  1. Methodenausbildung, Praktika, Projekte, Abschlussarbeiten;
  2. Grundlagen, Theorien und Geschichte;
  3. Bildung, Lernen und Lehren;
  4. Anwendungsfelder;
  5. pädagogische Handlungskompetenzen und Professionalisierung;
  6. gesellschaftliche und institutionelle Kontexte.

Im MA-Studium erweitern sich die Themencluster auf zehn. Sie sind zudem stärker im Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung angesiedelt und zielen vorrangig auf den Managementbereich (Leitung – Management):

  1. Institutionen, Programmplanung und Management;
  2. Lernen und Lehren;
  3. Wissenschaftstheorie und Forschungsmethoden;
  4. Grundlagen der Erwachsenen- und Weiterbildung;
  5. Praktika, Projekte, Abschlussarbeiten;
  6. Lernen über die Lebensspanne, Biografie;
  7. Erwachsenenbildung in gesellschaftlichen und politischen Kontexten;
  8. Anwendungsfelder und Handlungskompetenzen;
  9. Beratung;
  10. Zielgruppen und Teilnehmende.

Damit wird deutlich, dass eine akademische Professionalisierung im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung erst auf der MA-Ebene stattfindet. Aktuelle Studien zeigen, dass der Anteil an Themen der Erwachsenen- und Weiterbildung in den erziehungs- und bildungswissenschaftlichen BA-Studiengängen mit großer Streuung im Durchschnitt bei etwa 20 Prozent liegt, in den MA-Studiengängen hingegen bei 53 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch ist (Lobe & Walber, 2020). Werden auf BA-Ebene eher allgemeine Begrifflichkeiten verwendet, finden sich auf MA-Ebene zudem konkrete Bezeichnungen, z. B. Erwachsenen- und Weiterbildung oder lebenslanges Lernen (lifelong learning), sowie solche, die spezifische Aspekte der Profession aufgreifen und eine stärkere Profilbildung erkennen lassen, z. B. Medien- und Bildungsmanagement, Interkulturalität und Integration, Alphabetisierung und Grundbildung, Organisationspädagogik, Organisationsentwicklung, Weiterbildungsforschung.

Während das S. der E.- u. W. in Deutschland weitgehend als erziehungs- und bildungswissenschaftliches Studium konzipiert ist, gibt es in anderen Ländern auch Hochschulen, die es stärker in der Soziologie, der Sozialarbeit, der Philosophie und den Politikwissenschaften (politikwissenschaftliche Bildungsforschung) verankern. In vielen europäischen Ländern finden sich zumindest einzelne Universitäten, die das S. der E.- u. W. anbieten, z. B. die Universität Belgrad, die seit 1979 zu den kontinuierlichen Anbietern zählt. In Nordamerika ist das S. der E.- u. W. an Hochschulen weit verbreitet, aber häufig für Praktikerinnen und Praktiker und weniger als grundständiges Studium ausgelegt. In Ostasien wird das S. der E.- u. W. insb. in Südkorea, vereinzelt auch in China und Japan angeboten. Über eine lange Zeit hat sich das S. der E.- u. W. zudem in Indien und Nigeria entwickelt; in beiden Ländern spielen Alphabetisierung und Grundbildung eine zentrale Rolle. Transnationale Angebote für das S. der E.- u. W. sind bisher im Rahmen von Pilotprojekten konzipiert worden. Jedoch sind diese von deren Weiterfinanzierung abhängig (Finanzierung der Weiterbildung). So konnten z. B. die beiden Angebote unter Koordination der Universität Duisburg-Essen (European Master in Adult Education) und der Danish University of Education (European Master in Lifelong Learn­ing) nicht in eine grundständige Finanzierung überführt werden. Gegenwärtig wird der transnationale Studiengang Adult Education for Social Change im Rahmen eines ­ERASMUS Mundus Joint Master Degree unter der Koordination der Universität Glasgow pilotiert. Die Universität Würzburg bietet seit 2014 jährlich das transnationale Modulstudium International and Comparative Studies in Adult Education and Lifelong Learning an. Durchgängig zeigt sich, dass das S. der E.- u. W. auch international auf MA-Ebene
angesiedelt ist.

Um eine akademische Professionalisierung zu erreichen, reicht jedoch eine Qualifizierung des erwachsenenpädagogischen Nachwuchses vorrangig in der MA-Phase nicht aus. Vielmehr bedarf es einer fundierten professionsbezogenen Basis, die auf lehrende, planende und beratende Tätigkeiten im Bildungssystem vorbereitet und diese durch Praxisstudien ergänzt, z. B. Praxissemester, -vorträge, -kontakte, -untersuchungen oder -beobachtungen (Hospitation). Diese Berufsfelderkundungen bedürfen aber einer an­ge­lei­te­ten Reflexion, um systematisch Bezüge zwischen akademisch erworbenem Wissen und praktisch beobachteten Vorgängen herstellen zu können. Obwohl mit dem Bologna-Prozess eine stärkere Berufsfeldorientierung angestrebt wurde, zeigt sich nach wie vor ein bisher ungelöstes Dilemma: Die meisten Beschäftigten im Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung sind lehrend tätig (Lehren) und werden somit (bevorzugt) aufgrund einer fachlichen Qualifikation rekrutiert. Gleichzeitig findet sich im S. der E.- u. W. kaum eine Integration von Studienfächern oder Disziplinen mit Relation zu den potenziellen Gegenständen des Lernens Erwachsener. Somit gibt es nur wenige Studienangebote (z. B. an der PH Ludwigsburg), die einen substanziellen Sach- und Fachbezug herstellen und damit auch für mikrodidaktisches Handeln professionalisieren.

Studieninteressierte im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung in der Erwachsenen- und Weiterbildung verfügen meist über ein spezifisches Fachstudium und erweitern dieses um makrodidaktische Elemente. Der Bildungsbereich umfasst jedoch vielfältige und heterogene Aufgabenfelder. Hierzu gehören die Analyse von gesellschaftlichen Bildungsbedürfnissen (Bildungsbedarfsanalyse – Bildungsbedarfserschließung), die Entwicklung von Bildungsprogrammen (Programmplanung), die kritische Reflexion und Beobachtung von mikrodidaktischen Settings (Didaktik – Methodik), die Beratung in Weiterbildungseinrichtungen (Beratung im Kontext lebenslangen Lernens) sowie umfassende Managementaufgaben zur Schaffung von Bildungs-, Lern- und Teilhabemöglichkeiten für Erwachsene (Bildungsmanagement). Damit Studierende in Studiengängen mit Schwerpunkten in der Erwachsenen- und Weiterbildung adäquat hierauf vorbereitet werden, ist es erforderlich, dass die Relationierung von grundständigen und weiterführenden (inter-)disziplinären Erkenntnissen und erwachsenenpädagogischer Praxis mit sachbezogenen Inhalten gelingt (Schüßler & Egetenmeyer, 2018).

Literatur

Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. (Hrsg.). (2010). Kerncurriculum Erziehungswissenschaft. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) (2., erw. Aufl.). Opladen: Barbara Budrich.

Egetenmeyer, R. (2015). Ausgebildet für die Lehre? Lehren lernen in Studiengängen der Erwachsenen- und Weiterbildung. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 21(3), 36–38.

Egetenmeyer, R. & Schüßler, I. (2012). Akademische Professionalisierung in der Erwachsenenbildung. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. Baltmannsweiler: Schneider.

Iller, C. & Dörner, O. (2020). Kartografische Arbeiten zur Erwachsenenbildungswissenschaft. Hessische Blätter für Volksbildung, 70(1), 49–50.

Kohl, J. & Rohs, M. (2019). Auswahlentscheidung für die Analyse von Studienangeboten im Bereich Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Beiträge zur Erwachsenenbildung, Nr. 7). Kaiserslautern: TU Kaiserslautern.

Schüßler, I. & Egetenmeyer, R. (2018). Akademische Professionalisierung – zur Situation der Studiengänge in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung in Deutschland. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 2, S. 1071–1088). Wiesbaden: Springer VS.

Walber, M. & Lobe, C. (2020). Das Studium der Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland: Stand und Perspektiven disziplinärer Professionalisierungsangebote. Hessische Blätter für Volksbildung, 70(1), 16–27.

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