Recht der Weiterbildung

Dieter Gnahs

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-241

Beim R. d. W. handelt es sich um alle rechtlichen Regelungen, die zur Förderung und Regulierung der Erwachsenen- und Weiterbildung von staatlich legitimierten Instanzen beschlossen und in Kraft gesetzt worden sind. Im Wesentlichen geht es dabei um Gesetze, im weiteren Sinne aber auch um Verordnungen, Erlasse und vertragliche Vereinbarungen.

Anders als die Bildungsbereiche Schule und Hochschule war die Weiterbildung lange Zeit nicht reguliert und entwickelte sich ohne staatliche Einflüsse infolge gesellschaftlicher Umbrüche und verbandlicher Notwendigkeiten. Erst mit der Weimarer Republik änderte sich dies grundlegend: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden“ (Art. 148 Weimarer Verfassung). Die damit zum Ausdruck gebrachte politische Wertschätzung führte zu einem Aufschwung der Weiterbildung in den 1920er Jahren, der durch die Nazidiktatur ab 1933 wieder gestoppt wurde.

Die Weiterbildung im Nachkriegsdeutschland nach 1945 knüpfte inhaltlich an die Weimarer Tradition an. In der sowjetischen Zone und später in der DDR wurde dann allerdings ein System nach dem Vorbild der Besatzungsmacht etabliert, das ein spezielles Einrichtungsspektrum hervorbrachte (z. B. Arbeiter- und Bauernfakultäten, Betriebsvolkshochschulen, Kulturhäuser, die Vortragsgesellschaft URANIA). Die Weiterbildung arbeitete eng verzahnt mit dem übrigen Bildungssystem zusammen, kodifiziert im Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem von 1965. Nach der deutsch-deutschen Vereinigung blieb von diesen Strukturen so gut wie nichts erhalten (ausführlich: Siebert, 2002).

In der westlichen Bundesrepublik blieb indes die Weimarer Tradition lange Zeit prägend. Träger und Finanziers der Weiterbildung waren die gesellschaftlichen Großgruppen wie Kirchen und Sozialpartner (Finanzierung der Weiterbildung); eine staatliche und kommunale Beteiligung erfolgte allenfalls subsidiär (plurale Trägerstruktur). Dies änderte sich erst grundlegend, als in den 1960er Jahren bildungspolitische Fragestellungen an Gewicht gewannen und in den maßgebenden Dokumenten (z. B. „Strukturplan für das deutsche Bildungswesen“ des Deutschen Bildungsrats, Zwischenbericht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung) auch der Weiterbildung ein deutlich höherer Stellenwert zugemessen wurde (Deklaration der Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems). In dieser Aufbruchsstimmung begann auf Bundes- und Länderebene die weiterbildungsbezogene Gesetzgebungsarbeit, die bis heute noch prägend ist. „Die deutsche Erwachsenenbildung ist“, um es mit Schulenbergs (1985, S. 189) Worten zu sagen, „erst spät zu ihrem Recht gekommen“.

Im maßgebenden und wegweisenden Dokument dieser Epoche, dem „Strukturplan für das Bildungswesen“, wurde eine klare Zielvorgabe formuliert: „Es ist notwendig, die institutionalisierte Weiterbildung als einen ergänzenden nachschulischen, umfassenden Bildungsbereich einzurichten“ (Deutscher Bildungsrat, 1970, S. 51). Dementsprechend schuf der Bund für seinen Zuständigkeitsbereich – die berufliche Weiterbildung – mit dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen; die Länder etablierten Weiterbildungs- bzw. Erwachsenenbildungsgesetze mit Regelungen zur Finanzierung.

Diese gesetzlichen Verpflichtungen erstreckten sich allerdings nicht auf die Abdeckung aller anfallenden Kosten, sondern sollten im Rahmen der öffentlichen Verantwortung Grundstrukturen sichern und die Leistungsfähigkeit des pluralen und weitgehend staatsfreien Weiterbildungssystems steigern helfen. Über die differenzierte Gestaltung der Finanzierungsregelungen wurde auf die Personalausstattung der Einrichtungen (Personal), die Angebotsstruktur (Angebot) und die regionale Versorgung (Erwachsenenbildung in der Region) mit Weiterbildung Einfluss genommen. Erwartet wurde zudem, dass auch die Träger der Einrichtungen (z. B. Kommunen, Kirchen, Gewerkschaften) und v. a. auch die Teilnehmenden durch ihre Beiträge die Gesamtfinanzierung sicherstellen.

Der Bereich der betrieblichen Weiterbildung blieb ausdrücklich ausgeklammert. Die Betriebe sollten ihre Bildungsarbeit selbstverantwortlich gestalten und demgemäß auch vollständig finanzieren. Regulierungen der betrieblichen Weiterbildung sind somit nur über freiwillige Vereinbarungen auf Betriebs- oder Branchenebene (Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge) möglich.

Das R. d. W. auf Bundesebene umfasst folgende Gesetze:

  • Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III): Die ersten Jahre nach Inkrafttreten des AFG 1969 waren durch einen präventiven Ansatz der Weiterbildungsförderung gekennzeichnet. Unter „Weiterbildung“ wurde – wie auch im parallel zum AFG entstandenen Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. in der Handwerksordnung (HwO) – insb. die Aufstiegsfortbildung verstanden. Als Hauptadressaten der Förderung galten Anfang der 1970er Jahre aufstiegsorientierte Erwerbstätige, die am Erwerb von öffentlich-rechtlichen (z. B. Meister/in) oder von staatlichen Abschlüssen (z. B. Techniker/in) interessiert waren.

Der Wechsel im Förderungsansatz wurde durch die – seinerzeit beginnende und bis heute anhaltende – negative Arbeitsmarktentwicklung ausgelöst. Quantitativ verlagerte sich damit der Schwerpunkt der Förderung: weg von der abschlussorientierten und langfristig angelegten Aufstiegsfortbildung (abschlussbezogene Weiterbildung) und hin zu einer arbeitsmarktorientierten Anpassungsfortbildung (Fortbildung) mit relativ kurzen Kursen (i. d. R. vier bis zwölf Monate) sowie überwiegend ohne anerkannte Weiterbildungsabschlüsse (Zertifikate – Abschlüsse). Hauptadressaten waren nun die „Problemgruppen“ des Arbeitsmarkts, d. h. Arbeitslose und Langzeitarbeitslose, unter denen rund die Hälfte über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügte. In dem Maße, in dem diese Problemgruppen in den Mittelpunkt der staatlichen Weiterbildungsförderung rückten, wurde die Aufstiegsfortbildung durch Reduzierung der finanziellen Anreize eingeschränkt. Eine neue Förderungsbegrifflichkeit spiegelte die wachsende soziale Funktion der Weiterbildung wider: Gegenüber der Aufstiegsfortbildung, die nur mehr als arbeitsmarktlich „zweckmäßig“ eingestuft wurde, erhielt die „notwendige“ Förderung von Problemgruppen Priorität.

Die Phase von 1990 bis 1997 war gekennzeichnet durch die beispiellose Herausforderung und Überforderung der staatlichen Weiterbildungsförderung in den ostdeutschen Bundesländern nach der Herstellung der deutschen Einheit (Transformationsprozess vom Plan zum Markt). Der dann folgende Übergang vom AFG zum SGB III war von jahrelangen Reformdiskussionen begleitet (Bildungsreformen). Das SGB III von 1998 ist insgesamt von den Realitäten des Arbeitsmarkts geprägt. Sollte durch das AFG noch ein hoher Beschäftigungsstand erreicht werden, so ging es im SGB III nur noch um einen Arbeitsmarktausgleich, für dessen Zustandekommen der Staat die „besondere Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ einforderte.

Mit der Novellierung des SGB III durch die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde 2004 ein erneuter Systemwechsel eingeleitet. Die Rückbesinnung und Konzentration der Bundesagentur für Arbeit auf das Kerngeschäft der Vermittlung bedeutet für die staatliche Weiterbildungsförderung seither ein Konzept vermittlungsnaher Qualifizierung, das durch hohe Eingliederungsquoten, geringe Abbruchquoten und rasche Einmündung in möglichst unbefristete und dauerhafte Beschäftigung operationalisiert wird.

  • Berufsbildungsgesetz (BBiG): Die gesetzlich ratifizierten Vereinbarungen der Sozial­partner im BBiG und in der HwO zielen auf eine abschlussorientierte Qualitätssicherung. Die Fortbildungsregelungen nach dem BBiG weisen einerseits staatliche Rahmen­regelungen auf, andererseits marktorientierte Umsetzungen durch private Institutionen und Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft.
  • Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG): Das FernUSG wurde bereits 1976 als Reaktion auf Missstände auf dem Teilmarkt des Fernunterrichts in Kraft gesetzt. Als erstes Element des Verbraucherschutzes in der Weiterbildung wurde es in besonderer Weise leitend für die Qualitätsdiskussion in der Weiterbildung (Qualität).

Das R. d. W. auf Landebene umfasst folgende Gesetze:

  • Weiterbildungs- bzw. Erwachsenenbildungsgesetze: Neben den Bundesgesetzen verfügen fast alle Bundesländer über eigenständige Weiterbildungs- bzw. Erwachsenenbildungsgesetze, die insb. die allgemeine Weiterbildung betreffen, aber auch Teilaspekte der beruflichen Weiterbildung abdecken. Sie liefern für die im jeweiligen Bundesland ansässigen Weiterbildungseinrichtungen eine Teilfinanzierung der Aufwendungen (ca. 20 %). Die damit verbundenen Finanzierungsbedingungen sind seit den 1980er Jahren immer strenger geworden. Darüber hinaus beeinträchtigt die Haushaltsabhängigkeit der Mittel die Planungssicherheit der Einrichtungen.
  • Bildungsurlaubs- bzw. Freistellungsgesetze: Neben den institutionsbezogenen Weiterbildungsgesetzen haben die Bundesländer versucht, auch die Nachfrageseite mit gesetzlichen Regelungen zu stärken. Ausgehend von Überlegungen der World Labour Organisation (WLO) wurden in den meisten Ländern Bildungsurlaubs- bzw. Freistellungsgesetze (Bildungsurlaub) geschaffen, die mit leichten Änderungen immer noch fortbestehen. Bildungspolitisch wird mit diesen Regelungen angestrebt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Chance zur Weiterbildung zu geben, insb. auch solchen, die als bildungsungewohnt gelten oder durch ihre berufliche Tätigkeit (z. B. Schichtarbeit) nur erschwerten Zugang zum üblichen Angebot haben. Die Regelungen in den einzelnen Ländern variieren mit Blick auf die Anspruchsberechtigten, den Zeitraum der Freistellung, die thematische Eingrenzung und das Anerkennungsverfahren (Anerkennung – Validierung).

Das R. d. W. auf Ebene der Europäischen Union (EU) ist wie folgt ausgestaltet:

  • Da die EU keine Gesetzgebungskompetenz besitzt, gibt es auf europäischer Ebene keine für die Weiterbildung verbindlichen Regelungen. Die EU versucht aber, durch Empfehlungen und Rahmenbedingungen Entwicklungen zu forcieren. So haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat im Juni 2009 eine gemeinsame Empfehlung zur Errichtung eines europäischen Bezugsrahmens für die Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung verabschiedet.
  • Auch davor und danach haben die Instanzen der EU immer wieder Schwerpunktsetzungen, Prioritäten und Begrifflichkeiten geprägt und vorangetrieben, z. B. mit dem Memorandum Lebenslanges Lernen (2000), der Mitteilung der Kommission „Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus“ (2006) und dem Aktionsplan Erwachsenenbildung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2007) sowie der Entschließung des Rats über eine erneuerte europäische Agenda für Erwachsenenbildung (2011).
  • Die EU versucht darüber hinaus, durch ein breites Spektrum von Projekten die Weiterbildung europaweit zu fördern und in ihrem Sinne zu gestalten. Insb. werden dazu die Förderprogramme Leonardo da Vinci und Grundtvig eingesetzt. Umgekehrt nutzen auch Bund und Länder europäische Förderlinien (insb. den Europäischen Sozialfonds) zur Finanzierung und Gestaltung der Weiterbildung.

Unterhalb der gesetzlichen Ebenen, aber durchaus mit starker Prägekraft und Bindungswirkung, haben die Sozialpartner in den letzten Jahren verstärkt damit begonnen, Weiterbildungsregelungen zu vereinbaren. Dies geschieht durch Tarifverträge mit Branchen- und Regionalbezug bis hin zu Vereinbarungen mit einzelnen Firmen. Inhaltlich sind sowohl Finanzierungsmodelle, Freistellungsregelungen für Bildungszwecke als auch Gestaltungsaspekte abgedeckt.

Seit den Aufbruchsjahren ist über die Weiterbildungsgesetzgebung kein bahnbrechender Entwicklungsimpuls mehr gesetzt wurden. Im Gegenteil wurden die Finanzierungsleistungen von Bund und Ländern zurückgefahren oder gedeckelt und die Fördervoraussetzungen verschärft (z. B. durch Qualitätsanforderungen). Die ausgefallenen öffentlichen Mittelanteile wurden und werden durch das Erhöhen der Teilnahmebeiträge, durch das verstärkte Heranziehen der Weiterbildungsträger und durch das Nutzen anderer Fördertöpfe (z. B. Europäischer Sozialfonds, Projektmittel) kompensiert. Die anfängliche Zielstellung, die Weiterbildung als umfassenden und gleichberechtigten Bildungsbereich zu etablieren, konnte nicht erreicht werden.

Literatur

Deutscher Bildungsrat. (1970). Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart: Ernst Klett.

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. (2015). Recht und Politik der Weiterbildung (wb.fakten). Bonn: DIE.

Grotlüschen, A. & Haberzeth, E. (2018). Weiterbildungsrecht. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 1, S. 543–563). Wiesbaden: Springer VS.

Krug, P. & Nuissl, E. (Hrsg.). (2021). Praxishandbuch WeiterbildungsRecht. Fachwissen und Rechtsquellen für das Management von Bildungseinrichtungen (Loseblattwerk). Neuwied: Luchterhand.

Olbrich, J. (2001). Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Opladen: Leske + Budrich.

Schulenberg, W. (1985). Gesetzgebung zur Erwachsenenbildung als historisches Indiz. In H. Tietgens (Hrsg.), Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung (S. 189–200). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Siebert, H. (2002). Erwachsenenbildung in der DDR. In J. Olbrich (Hrsg.), Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland (S. 271–303). Opladen: Leske + Budrich.

Raum
Rechtsformen von Weiterbildungsorganisationen