Philipp Gonon
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-238
Der Begriff Q. lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Platon und Aristoteles beziehen sich hierbei auf die zunächst wertneutrale Beschaffenheit, aber auch auf die durch Menschen als hochwertig bestimmten Eigenschaften eines Gegenstands. Diese doppelte Fassung von Q., die sich aus dem Zustand des Objekts ergibt und darüber hinaus die wertende Zuschreibung durch einen Betrachtenden ermöglicht, lässt sich bis in die heutige Zeit nachverfolgen.
In wirtschaftlichen Zusammenhängen wird Q. vornehmlich auf Produkte oder Dienstleistungen mit hoher Güte bezogen. So weist auch Adam Smith 1776 in seinem Werk „Wohlstand der Nationen“ u. a. darauf hin, dass die Q. von Produkten abhängig davon ist, den Betriebseigentümern ebenso wie den Arbeitenden möglichst viele Freiheiten zu belassen. Im Bildungsbereich wird Q. hingegen oft durch eine Tradition – im Sinne einer Reputation – begründet. So wird einem Studium oder Weiterbildungskurs an einer amerikanischen Universität der Ostküste (sog. Ivy League) im Gegensatz zu einem Studium oder Kurs an einer im späten 19. Jh. oder erst in den 1968er Jahren entstandenen Bildungseinrichtung per se eine „hohe Q.“ zugesprochen.
Seit den 1990er Jahren wird Q. auch in der → Erwachsenen- und Weiterbildung thematisiert. Es geht sowohl um die gezielte Förderung von qualitätsrelevanten Strukturen und Prozessen zur Herstellung von mehr Q. (Qualitätsentwicklung) als auch um das dauerhafte Gewährleisten eines erreichten Niveaus von Q. (Qualitätssicherung). Nach dem Vorbild betrieblicher Kontrollverfahren haben so entsprechende Ansätze zur Qualitätsentwicklung und -sicherung Eingang in die Erwachsenenbildung gefunden. Q. wird hierbei oft als Chiffre genutzt, um von der Kundschaft erwartete oder erwartbare Eigenschaften zu bewerben. Mittlerweile ist Q. ein umfassender Anspruch, der alle Bereiche des Bildungswesens einschließt und dementsprechend auch für die → Weiterbildungsbildungsforschung von Interesse ist (Gonon, 2020). Q. ist nicht einfach gegeben, sondern muss immer wieder im Rahmen von sich in regelmäßigen Abständen wiederholenden → Evaluationen (z. B. durch externe Expertinnen und Experten) und Berichterstattungen legitimiert werden. Bei erfolgreichem Abschluss wird ein Zertifikat oder Label verliehen.
Aufgrund der Vorstellung, durch permanente Überprüfungen und Audits die Q. des Bildungswesens dauerhaft anzuheben (Power 2007), wurden schließlich sog. Qualitätsmanagementsysteme entwickelt, die die Gesamtheit aller qualitätsbezogenen Aktivitäten einer → Organisation umfassen und somit auf eine systematische Qualitätsentwicklung und -sicherung programmatisch ausgerichtet sind. Diese wurden auch in der Erwachsenenbildung eingeführt. Insb. Bildungseinrichtungen wie die → Volkshochschulen, aber auch andere Bildungsanbieter verschrieben sich solchen prozessorientierten Modellen (z. B. DIN ISO 9000ff.).
Populäre Ansätze sind jene, die vom Total Quality Management (TQM) inspiriert wurden. Beim TQM wird Q. als Systemziel eingeführt und v. a. das partizipative Moment hervorgehoben. Q. ist so verstanden nicht mehr nur eine Angelegenheit von Expertinnen und Experten und Führungskräften, sondern ein Prozess, der alle Bereiche und Ebenen einer Organisation und damit alle Beteiligten einbezieht. Die konsequente und fortwährende Partizipation am Geschehen der Qualitätssicherung führt zugleich zu einer Entwicklung der gesamten Institution (→ Organisationsentwicklung).
Speziell für den Bereich der Erwachsenenbildung wurde von 2000 bis 2005 im Rahmen mehrerer Projekte der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung das Verfahren der Lernerorientierten Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW) entwickelt. Inzwischen gilt es als ein anerkanntes Verfahren auch über die Grenzen Deutschlands hinaus. Es fokussiert auf die → Lernenden und den Lernprozess (Zech, 2006) und geht davon aus, dass Q. nicht durch Auflagen, sondern durch selbstreflektiertes und -begründetes Handeln der Organisation entsteht. Die LQW veranlasst somit, über die eigenen Leistungen, Stärken und Schwächen nachzudenken und sich gegenüber den (potenziellen) → Teilnehmenden wie auch Förderern und Geldgebern zu legitimieren. Auf diese Weise fördert auch sie die Entwicklung der gesamten Organisation.
Q. hat sich nicht nur auf der Mesoebene, d. h. der Ebene der Bildungsanbieter, als inzwischen unverzichtbarer Anspruch etabliert (Poschalko, 2011). Auch auf der Makroebene, d. h. im nationalen und internationalen Vergleich, wird Q. gefordert. Darüber hinaus spielt Q. auf der Mikroebene, d. h. auf der Ebene der Lehr-Lern-Prozesse, im Sinne einer Qualitätsentwicklung und -sicherung von → Unterricht bzw. Lehre eine wichtige Rolle.
Literatur
Gonon, P. (2020). Qualität und Qualitätssicherung in der Berufsbildung. In R. Arnold, A. Lipsmeier &
M. Rohs (Hrsg.), Handbuch der Berufsbildung (3., völlig neu bearb. Aufl., S. 611–622). Wiesbaden: Springer VS.
Poschalko, A. (2011). Qualität in der Erwachsenenbildung – ein Thema mit vielen Facetten. Magazin erwachsenenbildung.at, 12, 03-1–03-11.
Power, M, (2007). Organized uncertainty. Designing a world of risk management. Oxford (GB): University Press.
Zech, R. (2006). Handbuch Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW). Grundlegung –
Anwendung – Wirkung. Bielefeld: W. Bertelsmann.