Lernorte

Peter Dehnbostel

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-186

Der Begriff L. wurde in den 1970er Jahren vom Deutschen Bildungsrat in die Bildungsdiskussion eingeführt und als „eine Lernangebote organisierende Einrichtung im öffentlichen Bildungswesen“ bezeichnet, die institutionell, räumlich und pädagogisch charakterisiert ist. Diese Definition und das gleichfalls vom Deutschen Bildungsrat vorgestellte Konzept Pluralität der L. stießen auf einen regen Diskurs. Einerseits wurde das Konzept zurückgewiesen sowie der Sinn und die Verwendung des Begriffs L. infrage gestellt; andererseits wurde das Lernortkonzept fundiert, eine vorrangig auf den Betrieb bezogene Lernortforschung aufgenommen und Ansätze zu einer Theorie des Lernorts entwickelt.

Mit der Restrukturierung von Organisationen und der Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt wurden L. pluralisiert, erweitert und entgrenzt. Die Vielzahl von Einzellernorten beim Lernen am Arbeitsplatz führt zu dessen Bezeichnung als „Metalernorte“. Insb. in der Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung erfolgt eine Öffnung der Lernortdiskussion gegenüber Lernorten außerhalb des öffentlichen Bildungswesens, wie Museen, Bibliotheken, botanische Gärten, Internetcafés und Co-Working-Spaces. Das überkommene Verständnis von Lernorten als im öffentlichen Bildungswesen angesiedelte Orte des formalen Lernens wird prinzipiell erweitert, da ebenso informelles und nicht-formales Lernen immer an L. gebunden sind. Folglich können unter „Lernorten“ örtlich und räumlich zusammenhängende Einheiten verstanden werden, in denen in formalen, non-formalen und informellen Lernortkontexten gelernt wird (formale –
non-formale – informelle Bildung
). Zu unterscheiden sind L. nach ihren örtlichen, zeitlichen (Zeit) und strukturellen Gegebenheiten sowie nach ihren qualifizierenden und auf das Lernen bezogenen Funktionen. L. umfassen sowohl physische als auch virtuelle Umgebungen (digitales Lernen).

Eine zusätzliche Erweiterung von Lernorten findet zugleich mit der Entwicklung von Lernräumen und Lernarchitekturen statt. Lernräume erweitern die partiell institutionell eingeengte Lernortdiskussion um soziale und auf individuelles und gruppenbezogenes Lernen gerichtete Bezüge. Raumtheoretische Konzepte sind unter Betonung der sozialen Potenziale und Wirkungen des Raums verstärkt diskutiert und praktisch umgesetzt worden. Die Differenzierung von Ort und Raum öffnet den Blick für Lernräume, deren Potenziale für das Lernen von Einzelnen und Gruppen auszuloten und zu nutzen sind. Dabei geht es – ebenso wie bei Lernorten – um physische und virtuelle bzw. Online-Lernräume. Lernarchitekturen in Lernorten entstehen verstärkt mit der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeit; sie werden über das Lernen als eigene Lernumgebungen generiert. Örtliche und räumliche Strukturen wirken auf das Lernen Einzelner ein, das über die Nutzung von Ressourcen und Potenzialen rekursiv strukturierend wirkt und Lernarchitekturen erzeugt.

Seit Beginn der Lernortdiskussion sind L. und Lernortkooperationen (Netzwerke – Kooperationen) als Einheiten zu sehen. Die grundlegende Bedeutung beider zeigt sich in ihrer gesetzlichen Verankerung im Berufsbildungsgesetz (§ 2 BBiG), wobei sich die Begriffe auf die gesamte Berufsbildung einschließlich der höherqualifizierenden Berufsbildung beziehen. Unter „Lernortkooperation“ ist die institutionelle, organisatorische, pädagogische, didaktisch-methodische und personelle Zusammenarbeit verschiedener L. mit dem Ziel der Qualifizierung (Qualifikation) und Kompetenzentwicklung (Kompetenz) zu verstehen. Synchron zur Entwicklung der L. haben sich die Kooperationsbeziehungen zwischen ihnen entwickelt. Systemisch betrachtet, geht die Pluralisierung und Ausdifferenzierung von Lernorten mit einem gleichlaufenden Prozess der Reorganisation einher. Verbünde und Netzwerke sind Ausdruck dieser Reorganisation. Sie sind dann als weiterentwickelte Formen oder Varianten der Lernortkooperation anzusehen, wenn sie in ihrer Zielsetzung auf die Kompetenzentwicklung gerichtet sind und mit den Grundelementen des institutionellen, organisatorischen und qualifizierungsbezogenen Zusammenwirkens in der Kooperation von Lernorten übereinstimmen.

Literatur

Dehnbostel, P. (2009). Lernorte. In G. Mertens, U. Frost, W. Böhm, L. Koch & V. Ladenthin (Hrsg.), Allgemeine Erziehungswissenschaft II. Handbuch der Erziehungswissenschaft 2 (utb 8456, S. 793–803). Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Dehnbostel, P. (2020). Lernorte, Lernräume und Lernarchitekturen in der digitalen Transformation der Arbeit. In G. Richter (Hrsg.), Lernen in der digitalen Transformation. Wie arbeitsintegriertes Lernen in der betrieblichen Praxis gelingt (S. 19–34). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Kraus, K. (2015). Lernorte. In J. Dinkelaker & A. von Hippel (Hrsg.), Erwachsenenbildung in Grundbegriffen (S. 135–142). Stuttgart: Kohlhammer.

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