Lernmotivation – Lerninteresse

Annika Goeze

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-185

Lm. ist die Bereitschaft, etwas zu lernen und somit zielgerichtetes Verhalten bezogen auf einen Lerngegenstand zu zeigen. Im Vergleich zur Weiterbildungsmotivation, mit der insb. die Teilnahmeentscheidung begründet wird, bezieht sich Lm. nicht nur auf den Beginn, sondern auch auf die Aufrechterhaltung von Lernaktivitäten. Ob solch ein Verhalten tatsächlich auftritt, ist einerseits abhängig von den individuellen Aspekten der Person (z. B. Ziele, Werte, frühere Lernerfahrungen, Motive, Bedürfnisse) und andererseits von den wahrgenommenen Handlungsmöglichkeiten in einer Situation (sog. Anreize). Schon in frühen Modellvorstellungen ging man davon aus, dass Motivation dann entsteht, wenn durch eine Situation in einer Person Motive (z. B. Anschlussmotiv, Leistungsmotiv) angeregt werden. Mit „Motiven“ sind zeitlich überdauernde und situationsübergreifende Handlungsantriebe gemeint.

Nach der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (1993) entsteht Lm. dann, wenn die drei psychologischen Grundbedürfnisse – das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit, nach Kompetenzerleben (Kompetenz) und nach Autonomieerleben (Autonomie) – in Lern- und Anforderungssituationen befriedigt werden. Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation wird seit Jahrzehnten für empirische Studien vielfältig genutzt – außerhalb, aber auch innerhalb der Erwachsenenbildungswissenschaft. In der Praxis der Erwachsenen- und Weiterbildung erfährt sie eine weite Verbreitung aufgrund ihres direkten Anwendungsbezugs, z. B. für die Gestaltung von Lern- und Arbeitsumwelten.

Deci und Ryan konnten zeigen, dass eine auf Selbstbestimmung beruhende Lm. positive Auswirkungen auf die Qualität des Lernens hat. Dazu kann nicht nur intrinsisch, sondern auch extrinsisch motiviertes Verhalten beitragen – solange Letzteres von den Lernenden als selbstbestimmbar wahrgenommen wird. Mit dieser Unterscheidung wird eine frühe Erkenntnis der Lernmotivationsforschung aufgegriffen: Intrinsisch motiviertes Lernen begründet sich (häufig spontan) aus dem Lerninhalt bzw. dem Lernprozess als solchem. Für die Lernenden liegt der Wert im Lernen selbst – sie handeln aus Interesse. Extrinsisch motiviert sind Lernende, wenn ihr Verhalten (häufig geplant) auf vom Lernprozess „separierbare Konsequenzen“ zielt, z. B. auf externe „Versprechungen oder Drohungen“ (Deci & Ryan, 1993, S. 225). Für die Lernenden liegt der Wert dann jenseits des Lernens.

Während sich der Begriff Lm. eher auf die Tätigkeit des Lernens bezieht, ist der Begriff Li. stärker themenbezogen. Li. kann – in Anschluss an Johann F. Herbart, John Dewey und Georg Kerschensteiner – als eine spezifische Person-Gegenstands-Relation definiert werden. Seit Anfang der 1990er Jahre erstarkte das Interesse an eine Theorie des (Lern-)Interesses. Dabei wurde der Fokus auf die individuelle Interessiertheit, auf die Inte­ressantheit des Gegenstands sowie die Interesseintensität gelegt. Auch in der Erwachsenenbildungswissenschaft hat dieser Diskurs resoniert und mündetet in der These, dass Li. nicht „ist“, sondern „wird“, und Interesse zwar selbstbestimmt entsteht, jedoch nicht von selbst. Vielmehr ist eine Begegnung mit potenziellen „Interessegebieten“ notwendig (Grotlüschen, 2010).

Eine gemeinsame „Scharnierstelle“ bilden Lm. und Li. dort, wo eine Person aus eigenem Antrieb (also aus Interesse) einen Lerngegenstand auswählt (oder eben nicht). Die Frage nach der selbstgesteuerten Entscheidung (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen), sich einer Weiterbildungsmaßnahme oder einer konkreten Lernaufgabe (nicht) zu stellen, ist für die Erwachsenen- und Weiterbildung wissenschaftlich wie praktisch sehr bedeutend. Denn anders als in anderen Bildungsbereichen kommen hier im Regelfall keine allgemeingültigen Curricula zum Einsatz (Programmplanung), und die Teilnahme ist zumeist freiwillig (Dropout).

Wie die Motivation, sich einer Lernaktivität – auch fortführend – stellen zu wollen, erklärt werden kann, modelliert – in Anschluss an John W. Atkinson – die Erwartungs-Wert-Theorie von Wigfield und Eccles (2000). Hiernach entsteht Lm. in Abhängigkeit von der selbst geschätzten Wahrscheinlichkeit, eine Aufgabe auch bewältigen zu können (Erfolgserwartung) einerseits, und von der subjektiven Bedeutung, die dieser Aufgabe beigemessenen wird (Wert) andererseits. Die empirisch sehr gut geprüfte Theorie ist in der Erwachsenen- und Weiterbildung bisher für Forschungen zur Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung bzw. zur Weiterbildungsmotivation genutzt worden; sie kann aber auch für mikrodidaktische Analysen wissenschaftlicher oder praktischer Art herangezogen werden, z. B. für das Aufspüren und Verstehen von Lernwiderständen.

Literatur

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223–238.

Grotlüschen, A. (2010). Erneuerte Interessetheorie. Vom Zusammenspiel pragmatischer und habitueller Achsen bei der Interessegenese. Wiesbaden: Springer VS.

Wigfield, A. & Eccles, J. S. (2000). Expectancy-value theory of achievement motivation. Contemporary Educational Psychology, 25(1), 68–81.

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