Lehr-Lern-Ziele

Tim Stanik

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-176

L.-L.-Z. sind möglichst präzise Formulierungen von Lernergebnissen, die im Rahmen zeitlich definierter Lehr-Lern-Prozesse zu erreichen sind. Bis in die 1980er Jahre wurden die Legitimation und die Funktion von L.-L.-Zielen in der Erwachsenen- und Weiterbildung vor dem Hintergrund ihres emanzipatorischen Bildungsanspruchs einerseits sowie der „realistischen Wende“ und dem Aufgreifen der Curriculumtheorie (Curriculum) andererseits kontrovers diskutiert. L.-L.-Z. werden insb. in aktuellen didaktischen Handreichungen und Konzepten als Ausgangspunkte für die Planung, Durchführung und Kontrolle (Evaluation) von Lehr-Lern-Veranstaltungen dargestellt. Die aus L.-L.-Zielen abgeleitete Lernzielorientierung ist in der Erwachsenenbildung zudem ein didaktisches Prinzip (Didaktik – Methodik), um Teilnehmende zu motivieren und sie an didaktischen Entscheidungen zu beteiligen.

Obwohl sich sowohl Lehr- als auch Lernziele auf anzustrebende Lernergebnisse beziehen, werden Lehrziele für Lerngruppen eher makrodidaktisch in Curricula oder mikrodidaktisch durch die Lehrenden festgelegt (didaktische Handlungsebenen). Sie sind damit stärker vermittlungs- als aneignungsfokussiert (Aneignung – Vermittlung). Lernziele dagegen umfassen die von den Teilnehmenden oder Lernenden selbst angestrebten Lernergebnisse (expansives Lernen) sowohl in (non-)formalen als auch in informellen, selbstgesteuerten Lehr-Lern-Kontexten (Selbstorganisation – Selbststeuerung –
Selbstlernen
). Im Hinblick auf die erwachsenenbildnerischen, didaktischen Leitprinzipien der Erfahrungsorientierung (Erfahrungen – Erfahrungsorientierung) und Teilnehmer­orientierung sind L.-L.-Z. sowohl antizipativ durch die Lehrenden zu planen als auch partizipativ mit den Teilnehmenden zu Beginn von Lehr-Lern-Veranstaltungen auf Basis von Lernzieldiskussionen zu vereinbaren. Erst dann ermöglichen L.-L.-Z. es den Lehrenden, eine didaktisch begründete Auswahl von Inhalten und Methoden zu treffen, und den Lernenden, ihre Lernprozesse selbst zu verantworten und zu kontrollieren.

L.-L.-Z. lassen sich nach dem Grad ihrer Konkretisierung differenzieren. Richtziele auf der Veranstaltungsebene weisen einen hohen, Grobziele auf der Sitzungsebene einen mittleren und Feinziele auf der Ebene von Lehr-Lern-Einheiten einen geringen Abstraktionsgrad auf. In Anschluss an die US-amerikanischen pädagogischen Psychologen Benjamin S. Bloom, David R. Krathwohl und Bertram B. Masia können L.-L.-Z. zudem nach den Fähigkeitsbereichen in kognitiv, affektiv und psychomotorisch unterschieden werden. Innerhalb der drei Fähigkeitsbereiche können L.-L.-Z. auf unterschiedlichen Ebenen bzw. Taxonomien verortet sein, die zu deren Formulierung genutzt werden können. Dabei sollten L.-L.-Z. mithilfe eines avisierten Endverhaltens definiert werden; zugleich sind die Bedingungen, unter denen das Endverhalten erreicht werden soll, sowie die Maßstäbe der Beurteilung, inwieweit das Endverhalten erreicht wird, festzulegen.

L.-L.-Z. ermöglichen die Planungen von Angeboten und Veranstaltungen, können zur Beteiligung der Teilnehmenden sowie zur Überprüfung der erreichten Lernergebnisse bzw. des Outputs und Outcomes genutzt werden.

Durch die Fokussierung auf Kompetenzen und mithin auf die Kompetenzmodellierung, Kompetenzmessung und Kompetenzbilanzierung ist die Bedeutung von L.-L.-Zielen zumindest im bildungspolitischen Diskurs in den Hintergrund gerückt. Während sich L.-L.-Z. auf vorab definierte bzw. definierbare Handlungssituationen beziehen und somit deren Erreichung akzentuieren, umfassen Kompetenzen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen, die zur Bewältigung offener Anforderungssituationen notwendig sind und die sich daher instruktiver, konkreter Festlegungen weitgehend entziehen.

Literatur

Arnold, R., Krämer-Stürzle, A. & Siebert, H. (2011). Dozentenleitfaden. Planung und Unterrichtsvorbereitung in Fortbildung und Erwachsenenbildung. Berlin: Cornelsen.

Mager, R. F. (1973). Lernziele und Unterricht. Weinheim: Beltz.

Siebert, H. (2003). Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. Neuwied: Luchterhand.

Lehr-Lern-Forschung
Leitstudien