Konfessionelle Erwachsenenbildung

Ekkehard Nuissl

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-164

K. E. bezeichnet die Weiterbildungsaktivitäten kirchlicher Organisationen. Sie unterscheiden sich v. a. durch drei Aspekte von der freien, d. h. nicht organisatorisch gebundenen Erwachsenenbildung: (1) organisatorisch – in der Anbindung an eine Kirche, (2) inhaltlich – in der Orientierung an einem Glauben und (3) sozial – in der Ausrichtung auf eine Klientel. „Religiöse Weiterbildung“ ist ein spezifischer Teil der konfessionellen E., der sich den Fragen von Glaube und Kirche widmet.

Zu (1). Die organisatorische Anbindung an eine Kirche kann in unterschiedlicher Weise erfolgen – auf regionaler Ebene (z. B. Diözesen), Landes- oder Bundesebene. Sie kann eine direkte Zugehörigkeit zu kirchlichen Organisationsteilen unter deren Verantwortung, aber auch eine Ausgliederung in rechtlich selbstständigen Einheiten in kirchlicher Trägerschaft bedeuten. Dies kann auch, wie z. B. bei der evangelischen und der katholischen Kirche, zu eigenständig aufgebauten, regional gegliederten Verbänden führen. Es besteht jedoch immer eine enge Kooperation mit den Einheiten der Kirchen auf den verschiedenen Ebenen. Finanziell (Finanzierung der Weiterbildung) sind die Weiterbildungseinrichtungen der Kirchen insofern selbstständig, als sie meist eine eigene Rechnungslegung betreiben; sie bedürfen jedoch oft einiger Zuschüsse seitens der Kirche. Das Personal der konfessionellen E. hat i. d. R. innerhalb der Kirche selbst keine Funktion, aber einen engen Bezug zu ihr; der Anteil ehrenamtlicher Mitarbeit (Ehrenamt) in der konfessionellen E. ist sehr hoch. Mit dem Status einer Einrichtung öffentlichen Rechts und der Zuweisung öffentlicher Verantwortung im Zuge der Deklaration der Weiterbildung als der „vierten Säule“ des Bildungssystems sehen sich viele Einrichtungen der konfessionellen E. in einer doppelten Konstitution von Verantwortung: derjenigen der Kirche und derjenigen von Staat und Öffentlichkeit (Seiverth, 2018).

Zu (2). Inhaltlich orientiert sich die k. E. an der Organisation Kirche, auch wenn dies oft spannungsreich ist. Der Glaube konstituiert den Kern erwachsenenpädagogischer Aktivitäten der konfessionellen E. – er macht deren Proprium aus und zugleich das Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Weiterbildungseinrichtungen. Der Glaube differenziert, je nach Kirche, unterschiedliche Akzente in Bezug auf existentielle Lebensfragen, individuelle Lebensführungen und -haltungen, gesellschaftliches Zusammenleben in Beruf, Alltag und Familie. Es geht jedoch immer um ethische Fragen (Ethik) und solche der individuellen und gesellschaftlichen Werte; ebenso gibt es immer wieder grundlegende Diskussionen unter den Akteuren über die Auslegung des Glaubens (Egetenmeyer, 2014). In diesem Sinne ist die Grenzlinie von „Verkündung“ und Bildung nicht durchweg einfach zu ziehen, es ist jedoch eine zwingende Voraussetzung für die öffentliche Förderung. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen einer Bildungsarbeit, die sich auf die Interessen der Lernenden konzentriert, und den Anforderungen der Kirche, die einen kirchlichen Dienst an der Gesellschaft anstrebt (Fleige, 2013), können sich verschiedentlich auch Konflikte ergeben.

Zu (3). Die k. E. konzentriert sich in vielen Bereichen auf die kirchliche Klientel, auf Gläubige, Laien und kirchenaffine Personengruppen. Sie ist zwar i. d. R. offen für alle Bildungsinteressierten, setzt aber oft programmatisch Schwerpunkte bei der Bindung an die Aufgabe der Kirche und an den Glauben. Dies gilt, was die Angebote der konfessionellen E. angeht, in unterschiedlicher Weise – am intensivsten bei den Angeboten, die eine kirchliche Gesprächsfähigkeit unterstützen sollen, weniger bei solchen Angeboten, die berufliche Kompetenzen oder allgemeinbildende Inhalte wie Reflexionsfähigkeit und wertorientierte Lebenshaltung betreffen.

In Deutschland sind es v. a. vier Kirchen, die k. E. in nennenswertem Umfang betreiben: Zum einen gibt es die über viele Jahre aufgebauten und aktiven Weiterbildungsorganisationen der katholischen Kirchen (katholische Erwachsenenbildung) und der evangelischen Kirchen (evangelische Erwachsenenbildung), die in hohem Maße in Akademien, Bildungshäusern, regionalen und kommunalen Weiterbildungsanbietern institutionalisiert sind. Zum anderen gibt es die Weiterbildung der jüdischen Kirchenorganisationen (jüdische Erwachsenenbildung), die erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Schrecken des Holocaust ihre Arbeit wieder begonnen haben, wie auch die Weiterbildungsaktivitäten der islamischen Kirchen (muslimische Erwachsenenbildung), die sich insb. in den letzten Dekaden entwickelt haben.

Literatur

Egetenmeyer, R. (2014). Gut vernetzt und mit charakteristischem Angebot. Zum Auftrag konfessioneller Erwachsenenbildung in Kirche und Gesellschaft. Erwachsenenbildung, 60(4), 6–9.

Fleige, M. (2013). „Nutzen“ religiöser Erwachsenenbildung aus erwachsenenpädagogischer Perspektive. Erwachsenenpädagogische Reflexionen und Hypothesen. In A. Rösener (Hrsg.), Was bringt uns das? Vom Nutzen religiöser Bildung für Individuum, Kirche und Gesellschaft (S. 25–52). Münster: Waxmann.

Fleige, M., Gieseke, W. & Robak, S. (2015). Kulturelle Erwachsenenbildung. Strukturen – Partizipations­formen – Domänen (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 30). Bielefeld: wbv Publikation.

Seiverth, A. (2018). Erwachsenenbildung in der Verantwortung religiöser Gemeinschaften. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 1, S. 785–810). Wiesbaden: Springer VS.

Kompetenzmessung
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