Rolf Arnold
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-160
K. bezeichnet das Handlungsvermögen sowie die Handlungsberechtigung der Person. Während der Begriff → Qualifikation Fähigkeiten zur Bewältigung konkreter (i. d. R. beruflicher) Anforderungssituationen bezeichnet, d. h. deutlicher zweck- und verwendungsorientiert ist, ist der Begriff K. subjektorientiert (→ Subjektorientierung). Er erfasst – folgt man der Definition des Europäischen Qualifikationsrahmens von 2008 – die Fähigkeit der oder des Einzelnen, neuartige Situationen selbstorganisiert und sachgemäß zu bewältigen. Der Kompetenzbegriff ist ganzheitlicher ausgerichtet. K. umfasst nicht nur inhaltliches und fachliches → Wissen und Können, sondern auch außerfachliche bzw. überfachliche Fähigkeiten, die häufig mit Begriffen wie „Methodenkompetenz“ (Know-how-to-how), „Sozialkompetenz“, „Personalkompetenz“, „emotionale Kompetenz“ (→ Emotion – emotionale Kompetenz) oder auch → Schlüsselqualifikation umschrieben werden. Zudem steht der Kompetenzbegriff für einen stärker praxis- sowie anwendungsbezogenen Blick auf Aus- und Weiterbildungsprozesse (Arnold & Erpenbeck, 2014). Dieser Blick rückt den „Outcome“ in den Fokus und unterstützt eine stärkere Handlungsorientierung der Erwachsenenbildungsangebote (→ handlungsorientierte Didaktik).
Feststellbar ist seit den 1980er Jahren eine Differenzierung des Kompetenzbegriffs, die es mit sich bringt, dass nahezu alle Facetten eines neuzeitlichen Bildungsideals zu eigenständiger K. hochstilisiert werden, wenn z. B. von Medienkompetenz, ökologischer Kompetenz (→ Nachhaltigkeit) und Demokratiekompetenz die Rede ist. Bei dieser inflationären Differenzierung von K. droht allerdings das verbindende Muster verloren zu gehen, durch welches sich der Kompetenzbegriff von anderen Begriffen wie → Qualifikation, → Bildung und „Können“ abgrenzen lässt. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass auch die mit dem Bildungsbegriff verbundenen Erwartungen an die Fähigkeit des Einzelnen, „sich selbst und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln“ – so die mittlerweile klassische Definition des → Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen von 1960 – auf der Kompetenzebene präzisiert werden kann (Nuissl, Schiersmann & Siebert, 2002).
Das allen Kompetenzbeschreibungen und -auffächerungen Gemeinsame ist die Entwicklung eines subjektiven Potenzials zu selbstständigem Handeln in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen. Dieses subjektive Handlungsvermögen ist nicht allein an Wissenserwerb gebunden, es umfasst vielmehr auch die Aneignung (→ Aneignung – Vermittlung) von Orientierungsmaßstäben und die Weiterentwicklung der Persönlichkeit (→ Persönlichkeitsbildung).
Immer deutlicher wird in den letzten Jahren erkannt, dass K. kaum nachhaltig in vornehmlich institutionalisierten Lernprozessen „vermittelt“ werden kann: Sie entwickelt und erweitert sich vielmehr im Lebensvollzug, d. h. im Rahmen eines lebenslangen Erfahrungslernens (→ Kompetenzerfassung; → Kompetenzmessung). Kompetenzentwicklung erfolgt demnach zu überwiegenden Teilen durch selbstgesteuertes bzw. selbstorganisiertes Lernen (→ Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) im Alltag von → Lebenswelt, Milieu und Beruf (→ Arbeit) (Gnahs, 2007). Die Frage, wie dieses oft zufällige En-passant-Lernen didaktisch-methodisch unterstützt, gefördert und nachhaltig gestaltet werden kann, ist nicht nur ein zentrales Thema der → Berufsbildung, sondern auch der Erwachsenenbildung. Die Funktionen, Angebotsformen und Aufgabenstellungen der etablierten → Institutionen der Weiterbildung werden sich dabei in dem Maße verändern, in dem diese sich auch zu Zentren der Unterstützung von Kompetenzentwicklung wandeln – eine Tendenz, die durch die Entwicklung multimedialer und netzbasierter Lernangebote (→ digitales Lernen) noch verstärkt wird. Die in diesem Zusammenhang erwachsenenpädagogisch Tätigen werden zukünftig stärker als Lernbedarfsermittelnde, Lernberatende (→ Beratung im Kontext lebenslangen Lernens), Gestaltende von Lernarrangements sowie Begleitende von selbstgesteuerten Lernprozessen tätig sein.
Literatur
Arnold, R. & Erpenbeck, J. (2014). Wissen ist keine Kompetenz. Dialoge zur Kompetenzreifung. Baltmannsweiler: Schneider.
Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2019). Stoppt die Kompetenzkatastrophe! Wege in eine neue Bildungswelt (2., überarb. u. erw. Aufl.). Berlin: Springer.
Gnahs, D. (2007). Kompetenzen. Erwerb, Erfassung, Instrumente (Reihe Studientexte für Erwachsenenbildung, Bd. 10). Bielefeld: W. Bertelsmann.
Nuissl, E., Schiersmann, C. & Siebert, H. (Hrsg.). (2002). Kompetenzentwicklung statt Bildungsziele?
(Report. Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung, Nr. 49). Bielefeld: W. Bertelsmann.