Kognition

Katharina Scheiter

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-159

Der Begriff K. (lat. cognoscere erkennen, erfahren) umfasst bewusste und unbewusste mentale Prozesse der Informationsverarbeitung von der Wahrnehmung bis zum schlussfolgernden Denken. K. ist neben Emotion und Motivation (Lernmotivation – Lerninteresse; Weiterbildungsmotivation) ein zentrales Konstrukt zur Charakterisierung menschlichen Verhaltens und Erlebens, welches mit der sog. kognitiven Wende in den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. in die Psychologie Einzug hielt. Damit war die Forschung nicht länger auf beobachtbare Zusammenhänge zwischen verhaltensauslösenden Reizen und Verhaltensreaktionen beschränkt, sondern es traten die nicht direkt beobachtbaren mentalen Prozesse als Determinanten für Verhalten und Erleben in den Vordergrund. Kognitive Prozesse beschreiben „geistiges Handeln“ und sind eng mit unterschiedlichen Funktionen des Gedächtnisses verknüpft. Die menschlichen Ressourcen für die Ausführung kognitiver Prozesse sind begrenzt, sodass es bei einer übermäßigen Beanspruchung zu Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitung kommen kann. Gleichzeitig schützen Ressourcenbegrenzungen vor einer Überflutung mit Sinneseindrücken und haben daher einen funktionalen Charakter, indem sie der Fokussierung des kognitiven Systems dienen.

Der Prozess der Wahrnehmung bezieht sich auf die Aufnahme von Umwelteindrücken über unterschiedliche Sinnesmodalitäten, wie die Augen (visuelle Wahrnehmung), Ohren (akustische Wahrnehmung) oder Hautsensoren (taktile Wahrnehmung). Wahrgenommene Information unterliegt einem schnellen Zerfall im sensorischen Gedächtnis, wenn sie nicht durch eine Fokussierung der Aufmerksamkeit für eine Weiterverarbeitung im Arbeitsgedächtnis ausgewählt wird. Im Arbeitsgedächtnis können lediglich sieben plus/minus zwei Informationseinheiten parallel aktiv gehalten werden. Allerdings beeinflussen Strategien sowie Vorwissen die Größe dieser Einheiten (z. B. kann sich der Mensch eine 22-stellige IBAN-Nummer durch Gruppierung der Buchstaben und Ziffern besser merken). Vorwissen hilft uns, Bezüge zwischen multiplen Informationseinheiten zu erkennen und diese als größere Sinneinheiten zu interpretieren (z. B. erinnern sich Schachexperten nicht an einzelne Spielfiguren und deren Positionen, sondern erkennen darin bekannte Spielkonstellationen). Damit Informationen dauerhaft verfügbar sind, müssen diese über den Prozess des Lernens im Langzeitgedächtnis als Wissen gespeichert werden. Das Langzeitgedächtnis ist in seiner Aufnahmekapazität unbegrenzt. Allerdings kann es sein, dass Wissen nicht mehr aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann, weil es zu wenig genutzt wurde oder die Nutzung zu weit in der Vergangenheit liegt. Je mehr Verbindungen zwischen neuem Wissen und bereits bestehendem Wissen geschaffen werden (sog. Elaboration) und je stärker Lernende in den Prozess der Wissenskonstruktion aktiv eingebunden sind (z. B. indem sie Zeichnungen und Erklärungen zum Lerninhalt generieren), desto besser zugänglich ist das Wissen. Im Vergleich zur Wiederholung des Lerninhalts verbessert außerdem ein aktiver Abruf des Wissens (z. B. durch die Bearbeitung von Übungsaufgaben nach einer Lernphase) dessen Verfügbarkeit (retrieval practice).

Für die Bewältigung kognitiver Anforderungen muss das benötigte Wissen aus dem Langzeitgedächtnis wieder in das Arbeitsgedächtnis gelangen. Dies erlaubt die Ausführung weiterer kognitiver Prozesse, bspw. das Abwägen zwischen Alternativen (Urteilen und Entscheiden), das über gegebene Informationen hinausgehende Schlussfolgern (Inferenzbildung) sowie das Denken und Problemlösen. Neben unvollständigem oder falschem Wissen führen systematische Verzerrungen in der Informationsverarbeitung (bias) zu Fehlern bei der Ausführung dieser kognitiven Prozesse (z. B. Bevorzugung von meinungskonsistenter Information).

Ein Verständnis der Funktionsweise menschlicher K. bildet in der Lehr-Lern-Forschung eine wesentliche Grundlage für die Gestaltung von Bildungsangeboten (Angebot), damit diese die Informationsverarbeitung und damit den Wissenserwerb von Lernenden unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen optimal unterstützen. Bspw. werden in der Cognitive Theory of Multimedia Learning (Mayer, 2009) aus diesen Grundannahmen Empfehlungen für die Gestaltung multimedialer Lernmaterialien abgeleitet, durch deren Anwendung die Aufnahme von Informationen, deren Weiterarbeitung und Verknüpfung mit Vorwissen erleichtert werden soll. In der Erwachsenenbildung wurden kognitionspsychologische Modelle und Befunde früh rezipiert, u. a. im Hinblick auf Alternsprozesse (Altersbildung – Alternsbildung – Altenbildung).

Literatur

Anderson, J. R. (2013). Kognitive Psychologie (hrsg. v. J. Funke, übers. v. K. Neuser-von Oettingen & G. Plata, 7., erw. u. überarb., neu gest. Aufl.). Berlin: Springer VS.

Buchner, A. & Brandt, M. (2017). Gedächtniskonzeptionen und Wissensrepräsentationen. In J. Müsseler & M. Rieger (Hrsg.), Allgemeine Psychologie (3. Aufl., S. 401–434). Berlin: Springer.

Mayer, R. E. (2009). Multimedia Learning (2. Aufl.). Cambridge, MA (US): Cambridge University Press.

Zdarzil, H. & Olechowski, R. (1976). Anthropologie und Psychologie des Erwachsenen. Stuttgart: Kohl­hammer.

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