Forschung

Ekkehard Nuissl

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-106

F. ist eng verbunden mit Wissenschaft, jedoch nicht mit dieser identisch. Vereinfacht kann man sagen: F. generiert wissenschaftliches Wissen. Oder andersherum formuliert: Ohne Forschung ist Wissenschaft nicht denkbar. F. dient v. a. dem Erkenntnisgewinn und verfolgt Fragen, die sie mittels wissenschaftlicher Methoden beantwortet. Wissenschaftliche Methoden sind solche, die intersubjektiv gültige und überprüfbare (also objektive), belastbare und verlässliche (also valide und reliable) Ergebnisse hervorbringen (Kuper, 2015; Schäffer & Dörner, 2015). Der Zweck von F. ist, sofern nicht anders definiert, der Gewinn von Erkenntnis, die die Grundlage von Innovation oder verbesserter Handlung sein kann, aber nicht sein muss. Von großer Bedeutung sind die Ziele, der Kontext und die Wirkungen von F. Ethische Dilemmata (Ethik) der F. können sowohl gegenüber ihren Gegenständen bzw. Objekten (z. B. bei Tierversuchen) als auch hinsichtlich der möglichen Wirkungen (z. B. Genom- und Atomforschung) entstehen, neuerdings auch in Bezug auf den Datenschutz, der insb. bei der Nachnutzung bereits erhobener Daten bedeutsam ist (Forschungsinfrastrukturen). Leitlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) umreißen die Eckpunkte einer guten wissenschaftlichen Praxis.

F. wird auf unterschiedliche Weise differenziert und konkretisiert. Am häufigsten ist die Differenzierung nach dem Gegenstand der F. Im Kontext der erziehungswissenschaftlichen F. (Bildungsforschung; Lehr-Lern-Forschung; politikwissenschaftliche Bildungsforschung) existieren vielfältige Gegenstände, z. B. Alters-, Migrations-, Geschlechter-, Arbeitsmarkt- oder Regionalforschung (Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; Milieuforschung; Organisationsforschung). Ziel von F. ist stets, über den jeweiligen Gegenstand weitere und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die Definition des Gegenstands und seine Abgrenzung gegenüber anderen Forschungsobjekten ist oft bereits Bestandteil der Forschungsarbeit.

Eine weitere Differenzierung kann bezogen auf den Typ der gewählten Forschungsmethode vorgenommen werden. So gibt es z. B. Handlungs- und Vergleichsforschung, translationale und angewandte F., qualitative und quantitative F. und – in einem weiteren Verständnis – Grundlagenforschung. Die Methode wird gegenüber dem Gegenstand angemessen gewählt; so wird zu weniger bekannten Gegenständen eher ein explorativer oder qualitativer Ansatz gewählt (Schäffer & Dörner, 2015), zu besser bekannten ein quantitativer Ansatz (Kuper, 2015), der zudem auf Repräsentativität zielt. Bei den Forschungsmethoden der Erwachsenenbildungswissenschaft (Erwachsenenbildung als Wissenschaft; Weiterbildungsforschung) wird dieser Ansatz für die erziehungswissenschaftliche und die Bildungsforschung (Tippelt & Schmidt-Hertha, 2018) differenziert.

Eine dritte Differenzierung erfolgt über die Kennzeichnung der Abstraktionsebene der F. Sie wird unterschieden zwischen Grundlagenforschung, Orientierungsforschung und Praxis-, Maßnahmen- oder Projektforschung. Im wissenschaftlichen Verständnis genießt die Grundlagenforschung das größte Renommee; sie ist am engsten mit Theorien verbunden und generiert am häufigsten Theorien bzw. Theoreme. Die Praxisforschung hingegen zielt auf eine verbesserte Praxis und impliziert daher deutlich gezielter eine Wirkungsdimension. Der Großteil erziehungswissenschaftlicher F., dazu gehört auch die F. zur Erwachsenenbildung (Adressatenforschung; international vergleichende Erwachsenenbildungsforschung; Programmforschung), reiht sich in diesen Typus ein (Schmidt & Tippelt, 2011).

Eine vierte Differenzierung bezieht sich stark auf den Kontext von F., z. B. die Finanzierung oder den Anlass. So spricht man von Drittmittelforschung an Hochschulen (i. d. R. auf befristeter Projektbasis), von Auftragsforschung, von Ressortforschung (meist über Projekte und Institutionen, die Ministerien angelagert sind) oder auch von Evaluationsforschung, bei der die F. im Dienst des Evaluationsziels steht (Evaluation). Insb. die Auftragsforschung gibt oft Grund zu ethikorientierten Debatten.

Die öffentlich geförderte F. in Deutschland findet v. a. an den Hochschulen statt, aber auch sehr umfänglich an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen der vier großen Wissenschaftsverbünde Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft; in Letzterer sind die meisten Bildungsforschungsinstitute organisiert. Die DFG und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) spielen eine wichtige Rolle bei Ausrichtung und Qualitätssicherung (Qualität) der F.

Seit der Erweiterung der Politikfelder in der Europäischen Union (EU) und einem erweiterten Aufgabenfeld transnationaler Organisationen (wie die Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) spielt die internationale Förderung von F. eine zunehmend wichtige Rolle. Im privatwirtschaftlichen Bereich wird F. insb. unter dem Begriff „Forschung und Entwicklung“ gefasst; hier es geht hauptsächlich um die Entwicklung innovativer Produkte auf umkämpften globalen Märkten.

Literatur

Gieseke, W. & Käpplinger, B. (2019). Geschichtsschreibung der Erwachsenen- und Weiterbildungs­forschung. Ein Überblick mit Reflexionen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Debatte: Beiträge zur Erwachsenenbildung, 2(1), 97–113.

Kuper, H. (2015). Forschungsmethoden in der Erwachsenenbildung. Quantitative Daten und Evaluationsforschung. In G. Mertens, W. Böhm, U. Frost & V. Ladenthin (Hrsg.), Handbuch der Erziehungswissenschaft (Bd. I–III, hrsg. i. A. d. Görres-Gesellschaft, S. 1273–1284). Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Schäffer, B. & Dörner, O. (2015). Forschungsmethoden in der Erwachsenenbildung. Qualitative Sozial­forschung in der Erwachsenenbildung. In G. Mertens, W. Böhm, U. Frost & V. Ladenthin (Hrsg.), Handbuch der Erziehungswissenschaft (Bd. I–III, hrsg. i. A. d. Görres-Gesellschaft, S. 1259–1271). Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Schmidt, B. & Tippelt, R. (2011). Weiterbildungsforschung. In H. Reinders, H. Ditton, C. Gräsel & B. Gniewosz
(Hrsg.), Empirische Bildungsforschung. Gegenstandsbereiche (S. 149–160). Wiesbaden: Springer VS.

Tippelt, R. & Schmidt-Hertha, B. (Hrsg.). (2018). Handbuch Bildungsforschung (4., überarb. u. akt. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.

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