Formale – non-formale – informelle Bildung

Matthias Rohs

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-105

Formale B. (formal education) bezieht sich auf das staatliche Bildungssystem und umfasst im Wesentlichen den Primär-, Sekundär- und Tertiärbereich. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zeitlich und örtlich organisiert sowie pädagogisch begleitet in Bildungseinrichtungen stattfindet und zu staatlich anerkannten Abschlüssen führt (Zertifikate –
Abschlüsse
).

Non-formale B. (non-formal education) unterscheidet sich darin, dass sie nicht unbedingt zu (anerkannten) Abschlüssen führt. Angebote des quartären Bildungsbereichs (Weiterbildungssystem) werden in Deutschland überwiegend der non-formalen B. zugerechnet. Grundlage für eine Zuordnung der Bildungsform sind die jeweiligen nationalen Qualifikationsrahmen.

Unter informeller B. (informal education) wird ein Lernen verstanden, das beiläufig in allen Lebenszusammenhängen stattfindet und oft unbewusst ohne Lernintention erfolgt. Es kann sich in Lernkontexten ereignen, welche es ermöglichen, fördern, verstärken oder strukturieren sollen (Overwien, 2001). Häufig werden „informelles Lernen“ und „informelle B.“ synonym verwendet.

Abseits dieser groben Einteilung ist die Verwendung der Begriffe „formale“, „non-formale“ und „informelle B.“ durch eine große Heterogenität an definitorischen Zugängen geprägt, welche u. a. auf die Vielzahl diskutierter Indikatoren zurückzuführen ist (Colley, Hodkinson, & Malcom, 2003). Dadurch wird auch die empirische Erfassung informeller B. erheblich erschwert. Grundsätzlich können solche definitorischen Zugänge unterschieden werden, die eine klare Trennung der Lernformen vorsehen und solche, die von einem Kontinuum der Lernformen ausgehen oder in allen Lernsituationen eine Mischung formaler und informeller Charakteristika annehmen.

Der Diskurs zu formaler und informeller B. reicht bis in die Anfänge des 20. Jh. zurück. John Dewey führte zu dieser Zeit den Begriff informal education für die Unterscheidung schulischer und außerschulischer Lernprozesse ein. In der Folgezeit wurde dieser Begriff auch in der angloamerikanischen und britischen Jugend- und Sozialarbeit sowie in der Erwachsenen- und Weiterbildung aufgegriffen (Rohs, 2016). Besondere Aufmerksamkeit kam der informellen B. dann in den 1970er Jahren im Zusammenhang mit der proklamierten „Bildungskrise“ in den Industrienationen und auch mit der postkolonialen Bildungspolitik in den Entwicklungsländern zu (Erwachsenenbildung in Entwicklungs- und Schwellenländern). Internationale Organisationen wie die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) und die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) sahen in der informellen B. einen wichtigen Beitrag zum lebenslangen Lernen (lifelong learning).

Mit der zunehmenden Dynamik technologischer Entwicklungen und den damit verbundenen Anforderungen an die berufliche Handlungsfähigkeit (Kompetenz) sowie der privaten Nutzung der Informationstechnologie hat die informelle B. in den letzten Jahrzehnten weiter an Bedeutung gewonnen. Die formale (Weiter-)Bildung zeigt sich aufgrund der notwendigen Planungs- und Umsetzungsschritte chronisch verspätet und entspricht immer weniger den Anforderungen eines individualisierten Lernens „just in time“. Informelle B. ist wiederum situationsabhängig und damit zufällig, wenig systematisch und nicht qualitätsgesichert.

Um die Vorteile der unterschiedlichen Lernformen zu nutzen bzw. die jeweiligen Nachteile auszugleichen, werden formale und informelle B. miteinander verbunden. Dabei spielen u. a. die Selbststeuerung des Lernens (Selbstorganisation – Selbststeuerung –
Selbstlernen
), die Gestaltung von Lernumgebungen sowie biografiebezogene (Biografie) und erfahrungsorientierte didaktische Ansätze (Erfahrungen – Erfahrungsorientierung) eine wichtige Rolle. Darüber hinaus wird in der Anerkennung der Erträge informellen Lernens ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit sowie der Durchlässigkeit der Bildungssysteme auf nationaler und supranationaler Ebene gesehen (Kompetenzerfassung). Demgegenüber steht der Befund, dass sich die ungleichen Beteiligungsstrukturen an (non-)formaler (Weiter-)Bildung (Ungleichheit in der Bildungsbeteiligung) auch im Bereich des informellen Lernens zeigen, sodass nicht von einer kompensatorischen Funktion von informellem Lernen für formale und non-formale B. ausgegangen werden kann (Kaufmann, 2016).

Literatur

Colley, H., Hodkinson, P. & Malcom, J. (2003). Informality and formality in learning. London (GB): Learning and Skills Research Centre.

Kaufmann, K. (2016). Beteiligung am informellen Lernen. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, S. 65–86). Wiesbaden: Springer VS.

Overwien, B. (2001). Debatten, Begriffsbestimmungen und Forschungsansätze zum informellen Lernen und zum Erfahrungslernen. In Senatsverwaltung für Arbeit, Frauen und Soziales. (Hrsg.), Der flexible Mensch (S. 359–376). Berlin: BBJ.

Rohs, M. (2016). Genese informellen Lernens. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, S. 3–38). Wiesbaden: Springer VS.

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