Dieter Timmermann
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-102
Die Deckung des Finanzierungsbedarfs der Weiterbildung kann mittels unterschiedlicher Finanzierungsformen erfolgen. Wichtige Modelle der Finanzierung sind: Selbstfinanzierung, Ziehungsrechte, nachfragebezogene und angebotsbezogene Staatsfinanzierung.
Selbstfinanzierung bedeutet, dass die → Lernenden ihre Weiterbildungsaktivitäten aus eigenen Finanzmitteln tragen. Grundlegende Annahmen sind:
- Die Erträge und der Nutzen von Weiterbildung fließen ausschließlich den Lernenden zu, und die Kosten der Bildungsangebote werden gemäß dem Äquivalenzprinzip durch die Lernenden finanziert.
- Weiterbildungsangebot und -nachfrage werden durch Marktprinzipien und Wettbewerbspreise gesteuert.
- Lernende mit hohem Einkommen sind in der Lage (und willens), die Marktpreise für Bildungsangebote zu zahlen.
- Lernende aus mittleren und schwachen Einkommensgruppen sind nur z. T. oder gar nicht in der Lage, die Marktpreise zu zahlen, und sollen deshalb auf Darlehen zurückgreifen können. Diese sind zu tilgen, wobei der Zinssatz subventioniert sein kann.
- Wegen des hohen Investitionsrisikos und fehlender Risikoabsicherung existiert kein privater Kapitalmarkt für die → Finanzierung der (Weiter-)Bildung, sodass staatliche Darlehen oder Bürgschaften erforderlich sind, um zahlungsschwachen oder zahlungsunfähigen Personen den Zugang zu Weiterbildung zu ermöglichen. In der Logik des Äquivalenzprinzips müssen die Lernenden die Darlehen ausnahmslos verzinsen und tilgen; die Logik des Leistungsfähigkeitsprinzips fordert ein von der ökonomischen Leistungsfähigkeit abhängiges Mischsystem von Zuschüssen und Darlehen.
Das Hauptproblem des Modells der Selbstfinanzierung besteht in dem Abschreckungs- bzw. Entmutigungseffekt, der von der Darlehenslösung auf die bildungsfernen oder sozial wie ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen ausgeht (→ Ungleichheit in der Bildungsbeteiligung). Die ausschließliche Selbstfinanzierung erzeugt ökonomisch bedingte Exklusionswirkungen, die umso stärker sind, je ungleicher die Einkommen verteilt sind.
Das Finanzierungsmodell der individuellen Ziehungsrechte (im Kontext der internationalen Finanzierungsdiskussion des lebenslangen Lernens (→ lifelong learning) thematisiert, in der Finanzierungspraxis bislang noch nicht umgesetzt) beruht auf einem Einkommenstransfersystem, das die Lebenszeit im Anschluss an die Pflichtschulphase im Hinblick auf → Arbeit, → Bildung und → Freizeit über die Lebensspanne hinweg bei größter individueller Entscheidungsfreiheit strukturieren soll. Bildungsurlaubs-, Renten-, Pensions-, Weiterbildungs- und andere Sozialversicherungsfonds würden in einem Einkommenstransfersystem zusammengefasst. Weiterbildung würde somit durch einkommensabhängige Beiträge der Beschäftigten und Arbeitgeber finanziert. Für Arbeitslose, Eltern in der Familienphase und Personen während des Militärdiensts soll der Staat die Abgabe entrichten. Jede Person hätte das Recht, bis zum Betrag ihrer aktuellen oder zu erwartenden Beiträge auf den Fonds zuzugreifen („Geld zu ziehen“), um u. a. Bildungsaktivitäten zu finanzieren.
Die staatliche (Mit-)Finanzierung von Weiterbildung tangiert die Einnahmen- und die Ausgabenseite der staatlichen Budgets. Eine spezielle Steuer zwecks Finanzierung der staatlichen Ausgaben für Weiterbildung ist in Deutschland verfassungsrechtlich ausgeschlossen; das sog. Nonaffektationsprinzip verbietet eine unmittelbare Zuordnung von bestimmten Steuereinnahmen zu spezifischen Ausgaben. Die Höhe der staatlichen Ausgaben für Weiterbildung muss daher jährlich von Kabinett und Parlament nach politischen Prioritäten entschieden werden. Es muss ferner entschieden werden, ob die staatlichen Bildungsausgaben über die Nachfrageseite der → Teilnehmenden oder durch die direkte Finanzierung des → Angebots (der → Weiterbildungsanbieter) in das → Weiterbildungssystem fließen sollen (→ Finanzierungquellen der Weiterbildung).
Für die Finanzierung über die Nachfrager durch Übernahme der anteiligen oder vollen (Weiter-)Bildungskosten der Lernenden steht eine Reihe von Finanzierungsinstrumenten bereit, die einzeln oder in beliebiger Kombination genutzt werden können: direkte Geldtransfers in Form von Stipendien oder Zuschüssen; Steuernachlässe und -befreiungen; steuerliche Entlastungen durch Sonderausgaben und Werbungskosten; Sparprämien; vollverzinste, zinssubventionierte oder unverzinste, volltilgungspflichtige oder tilgungssubventionierte Darlehen; Bildungsgutscheine, die den Bildungsnachfragenden ausgehändigt, von diesen bei der (Weiter-)Bildungseinrichtung ihrer Wahl eingereicht und von den Einrichtungen beim Staat gegen Geld eingetauscht werden. Diese Finanzierungsinstrumente können hinsichtlich ihres Förderwerts fix und einheitlich oder einkommensabhängig gewährt werden.
Bei der Finanzierung des Bildungsangebots kann der Staat die gesamten Kosten der Angebotserstellung (staatliche Vollfinanzierung) oder einen bestimmten Anteil dieser Kosten (staatliche Teilfinanzierung) tragen. Dies kann über Zuschüsse, Anreizprämien, einmalige Prämien oder dauerhafte Zuschüsse bei Angeboten für bestimmte Zielgruppen, Bildungsgutscheine, Steuernachlässe oder -befreiungen, zinsbefreite oder zinsbegünstigte Darlehen geschehen (→ staatliche Weiterbildungsförderung). Letzteres impliziert, dass weitere Finanziers hinzutreten müssen. Der Staat kann aber die Bereitstellung des Angebots von Bildungsleistungen – wie im Falle der kommunalen → Volkshochschulen üblich – auch selbst übernehmen.
Staatliche (Weiter-)Bildungsfinanzierung bedeutet also nicht notwendig eine Angebotsfinanzierung, sie bedeutet nicht notwendig Vollfinanzierung, und sie bedeutet nicht notwendig staatliche Bildungsproduktion. Umgekehrt impliziert staatliche Bildungsproduktion auch nicht notwendig eine staatliche Vollfinanzierung.
Die Finanzierungspraxis der Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland (→ Finanzierungssituation der Weiterbildung) ist eine Mischfinanzierung. Sie beruht auf Beiträgen der Teilnehmenden (im Durchschnitt 36 %), der Einrichtungsträger (im Durchschnitt 27 %), der öffentlichen Hand (im Durchschnitt 26 %) und sonstigen Einnahmen (im Durchschnitt 9 %).
Literatur
Hummelsheim, S. (2009). Finanzierung der Weiterbildung in Deutschland (Reihe Studientexte für Erwachsenenbildung, Bd. 9). Bielefeld: W. Bertelsmann.
Levin, H. M. & Schütze, H. G. (1983). Financing recurrent education. Strategies for increasing employment, job opportunities, and productivity. Beverly Hills (US): Sage.
Timmermann, D. (2016). Finanzierung der Erwachsenen-/Weiterbildung (Studienheft). Kaiserslautern: TU Kaiserslautern.