Ehrenamt

Sandra Habeck

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-072

E. kann als Überbegriff für freiwilliges und gemeinwohlorientiertes Engagement verstanden werden, sofern es keine Erwerbsarbeit darstellt und sich nicht auf den privat-familiären Sektor bezieht. Es stellt eine zentrale Form aktiver, bürgerschaftlicher Teilhabe in demokratischen Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Ausprägungen dar, je nach Typ und Ausbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaats. Ausdifferenzierungstendenzen von E. spiegeln sich in Form von differierenden Bedeutungszuschreibungen und Begrifflichkeiten wider: „Freiwilligenarbeit“, „bürgerschaftliches“, „zivilgesellschaftliches“, „freiwilliges Engagement“.

Erwachsenen- und Weiterbildung fungiert in diesem Kontext der Informierung über bürgerschaftliches Engagement, der Prozess- und Entwicklungsbegleitung im Engagement oder der Qualifizierung für bestimmte Engagementfelder (bürgerschaftliches Lernen) (Brödel, 2005). Des Weiteren stellt Weiterbildung für E. einen wesentlichen Aspekt gesellschaftlicher Wertschätzung dar und ist ein zentrales Element einer Kultur der Anerkennung (Anerkennung, gesellschaftliche – personale). Ein bildungspolitischer Erkenntnis- und Handlungsbedarf in Zusammenhang mit E. und Weiterbildung ist u. a. hinsichtlich einer Sozialintegration vor dem Hintergrund von demografischem Wandel, der Transformation der Arbeitsgesellschaft und der Globalisierung auszumachen.

Zielgruppen von Weiterbildung im Kontext von E. sind einerseits an einem Engagement interessierte und andererseits sich bereits engagierende Personen. Ziel einer Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung innerhalb eines freiwilligen Engagements ist die Befähigung der Teilnehmenden, ihre Tätigkeit so auszuüben, dass sie eigenen und fremden Erwartungen gerecht wird und somit die Beibehaltung des Ehrenamts fördert (Rüber, Güleryüz & Schrader, 2020). Insgesamt soll eine nachhaltige Stärkung des freiwilligen Engagements durch Weiterbildung erreicht werden. Die Finanzierung der Weiterbildung im Kontext von E. wird zumeist staatlich (staatliche Weiterbildungsförderung), durch Fördermittel von Stiftungen und/oder Spenden getragen.

Im Hinblick auf das institutionalisierte Lernen Erwachsener im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement lassen sich zwei gegenläufige Angebotsformen ausmachen, die mit jeweils unterschiedlichen Varianten erwachsenenpädagogischer Professionalität einhergehen: (1) Angebote von Bildungsanbietern, welche die Transformation von Inhalten und Themen auf Verwendungssituationen im E. zum Ziel haben, und (2) Selbstbewegungen, die ausgehend vom Spezifischen des Ehrenamts aus dem situativ begrenzten Erfahrungshorizont heraus auf kontextübergreifende Verstehenszusammenhänge hinarbeiten (Schäffter, 2006). Häufig werden die Weiterbildungseinrichtungen in diesem Bereich von Werte- und Interessensgemeinschaften getragen, z. B. von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen.

E. hat in Deutschland eine lange Tradition. Nach einer postulierten Krise Anfang der 1980er Jahre zeichnet sich seit Mitte der 1980er Jahre eine vielfältige Transformation des Ehrenamts ab, die sich in den Facetten gesellschaftlicher Bedeutungs-, Struktur- und Motivwandel manifestiert (Habeck, 2015). In der öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskussion ist die Bedeutung von E. – als „gesellschaftlicher Kitt“ firmierend –
derart gestiegen, dass von einem „Quantensprung“ in der gesellschaftlichen Anerkennung gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang rückt die Weiterbildung zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement verstärkt ins Zentrum.

Mit Blick auf die Geschichte zeichnet sich bereits eine enge Verwobenheit von E. und Weiterbildung ab. Die Institutionalentwicklung der Erwachsenen- und Weiterbildung (Institutionalisierung) ist eng verschränkt mit den sozialen Bewegungen wie der Arbeiterbewegung, der Jugend-, Frauen- und reformpädagogischen Bewegung, aber auch mit den jüngeren Bewegungen wie der Studenten-, Umwelt-, Friedens- und Selbsthilfebewegung (Brödel, 2005). Insgesamt zeigt sich Weiterbildung als Ausgangspunkt für Selbsthilfe und gesellschaftspolitische Mobilisierung sowohl als Symptom als auch als Motor von sozialem Wandel. Weiterbildung im Rahmen von freiwilligem Engagement ist ein bedeutungsvolles Element zur Förderung und Verstetigung von E. und trägt nicht zuletzt zur gesellschaftlichen Zukunftsfähigkeit bei.

Literatur

Brödel, R. (2005). Bürgerschaftliches Engagement und Erwachsenenbildung. Forum Erwachsenenbildung –
Beiträge und Berichte aus der evangelischen Erwachsenenbildung
, 4, 11–14.

Habeck, S. (2015). Freiwilligenmanagement. Exploration eines erwachsenenpädagogischen Berufsfeldes. Wiesbaden: Springer VS.

Rüber, I. E., Güleryüz, D. & Schrader, J. (2020). Weiterbildungsbeteiligung und die Dauer freiwilligen Engagements in Deutschland. Eine Pseudo-Panel-Analyse. In J. Schrader, A. Ioannidou & H.-P. Blossfeld (Hrsg.), Monetäre und nicht monetäre Erträge von Weiterbildung (S. 145–173). Wiesbaden: Springer VS.

Schäffter, O. (2006). Lernen in der Zivilgesellschaft – aus der Perspektive der Erwachsenenbildung. In H. Voes­gen (Hrsg.), Brückenschläge. Neue Partnerschaften zwischen institutioneller Erwachsenenbildung und bürgerschaftlichem Engagement (S. 21–33). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Educational Governance
Emotion – emotionale Kompetenz