Dropout

Ekkehard Nuissl

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-070

Der D., also das Wegbleiben oder Herausfallen aus einer Bildungsmaßnahme, ist ein Phänomen in allen Bildungsbereichen. Er ist schwerwiegender in längerfristigen Bildungsmaßnahmen (wie schulische Bildung, Studium, Ausbildung), spielt jedoch auch in den kurzzeitigen pädagogischen Maßnahmen der Erwachsenen- und Weiterbildung eine Rolle. Dort kann unter D. auch die unregelmäßige Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung, die passive Anwesenheit und auch der Fall, dass sich jemand angemeldet hat, aber am Angebot nie teilnimmt, gefasst werden (Nuissl & Sutter, 1979; Schmidt, 2011). Insb. bei solchen Veranstaltungen der Weiterbildung, an denen die Erwachsenen meist freiwillig teilnehmen (also weniger in innerbetrieblichen Maßnahmen), tritt ein D. häufig auf. Dennoch ist die Forschungslage dazu noch wenig ergiebig.

D. kann unter folgenden Aspekten zum Problem werden: ökonomisch – mit Blick auf Angebotskosten und Einrichtungsimage; organisatorisch – mit Blick auf die Kontinuität des Angebots; pädagogisch – mit Blick auf Gruppenatmosphäre und -struktur und Didaktik sowie individualpsychologisch – mit Blick auf den Verlust an sozialem Ansehen und das Misserfolgserlebnis des Teilnehmenden.

Auch wenn der D. komplex und multifaktoriell ist (Hoffmann et al., 2020), können v. a. drei Faktoren identifiziert werden, die einen Abbruch begünstigen: (1) die Rahmenbedingungen, (2) die individuelle Situation der Lernenden und (3) die Situation im Lernprozess.

Zu (1). Zu den Rahmenbedingungen zählen z. B. Verbindlichkeiten, beruflicher Nutzen, Erreichbarkeit und Kosten des Angebots. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Dauer der Bildungsmaßnahme, allerdings ohne, dass grundsätzlich bei längerer Dauer die Abbruchquote steigt. Die D.-Quoten sind in berufsorientierten Angeboten (berufliche Weiterbildung) geringer als in nicht-beruflichen. Hier spielen die Verbindlichkeit der Teilnahme und der Nutzen der Zeitinvestition (in Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten) eine Rolle. Einige der Rahmenbedingungen sind jedoch immer auch im Zusammenhang mit den individuellen Faktoren und denen des Lernprozesses zu sehen.

Zu (2). Zu den individuellen Faktoren zählen v. a. Persönlichkeitsstruktur, Weiterbildungsmotivation und Lernmotivation, soziale Situation und Erwartungen. Durchhaltewille und Belastbarkeit sind Elemente der Persönlichkeitsstruktur. Die Motivation ist v. a. hinsichtlich ihrer Intensität und Belastbarkeit ein D.-Faktor. Die Abbruchquote ist umso niedriger, je häufiger Möglichkeiten zu persönlichen Kontakten zwischen den Teilnehmenden gegeben sind und je intensiver die Lernaktivität vom sozialen Umfeld (z. B. Familie, Freunde, Arbeitskollegen) getragen wird. Wird den Erwartungen der Teilnehmenden nicht entsprochen oder fehlt ein Bezug des Inhalts zu Erfahrungen und Alltagswelt (Alltag; Lebenswelt) der Teilnehmenden, begünstigt dies einen Abbruch (Hoffmann et al., 2021).

Zu (3). Zu den Faktoren im Lernprozess zählen Inhalt, Prozess (Tempo, Niveau, Kon­trolle des Lernens), Lerngruppe und Lehrende. Das Anforderungsniveau des Lehr-Lern-Prozesses fördert den D., wenn es entweder zu hoch oder zu niedrig ist. Häufig wird der Lernaufwand als zu gering eingeschätzt. Auch eine zu scharfe Leistungskontrolle oder starke zeitliche Belastung (Zeit) erhöht die Gefahr des Abbruchs. Besonders häufig tritt der D. zu Beginn einer Maßnahme auf, da hier der Entschluss zur Teilnahme geprüft und Erwartungsdifferenzen aufgedeckt werden (Hoffmann et al., 2021). Auch eine schlechte Passung in den eigenen Tagesablauf wird zu diesem Zeitpunkt deutlich. Nicht zuletzt ist die Zusammensetzung der Lerngruppe von wesentlicher Bedeutung, da die Teilnahme auch ein soziales Ereignis darstellt (Gruppendynamik). Hier zeigt sich, dass eine Homogenität der Gruppe in Bezug auf den Lerngegenstand (Lernvoraussetzungen, Lernverhalten) die Abbruchquote stark reduziert. Ein weiterer Faktor ist die persönliche und fachliche Akzeptanz der Kursleitenden.

Bis zu 50 Prozent der Teilnehmenden verlassen eine Bildungsmaßnahme vorzeitig, in Abhängigkeit von den eigenen Investitionen und der Bedeutung für Zukünftiges. Dies ist nicht immer und nicht einmal in den häufigsten Fällen eine Kritik an den Lehrenden, der Lerngruppe oder der Organisation des Lehr-Lern-Prozesses. Meist kumulieren mehrere Faktoren und lösen den D. aus (Hoffmann et al., 2020).

Literatur

Hoffmann, S., Thalhammer, V., Hippel, A. von & Schmidt-Hertha, B. (2021). Situative (Nicht-)Passung als Erklärungsansatz von Drop-out in der Weiterbildung. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 44(3), 241–262.

Hoffmann, S., Thalhammer, V., Hippel, A. von & Schmidt-Hertha, B. (2020). Drop-out in der Weiterbildung –
eine Verschränkung von Perspektiven zur (Re-)Konstruktion des Phänomens Drop-out. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 43(1), 31–46.

Nuissl, E. & Sutter, H. (1979). Dropout in der Weiterbildung. Eine Literaturexpertise empirischer Unter­suchungen. Arbeitsgruppe für empirische Bildungsforschung. Heidelberg: Esprint.

Schmidt, B. (2011). Dropout in der Erwachsenenbildung. Zeitschrift für Pädagogik, 57(2), 203–213.

Diskurs
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