Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen

Josef Schrader

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-064

Das DIE ist eine Einrichtung für Wissenschaft, Politik und Praxis der Erwachsenen- und Weiterbildung, die im Sinne der Mission der Leibniz-Gemeinschaft „Wissenschaft zum Nutzen und Wohl der Menschen – theoria cum praxi“ betreibt (Popularisierung).

Das Institut wurde Ende 1957 als Pädagogische Arbeitsstelle (PAS) des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV) gegründet, zu Beginn einer Phase, in der eine Modernisierung des Bildungssystems nach dem weitgehend als Restauration empfundenen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nachdrücklich eingefordert wurde –
teils mit dem Verweis auf die begrenzte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft („Sputnik-Schock“), teils als Kritik an mangelnder sozialer Gerechtigkeit („Bildung als Bürgerrecht“). Auch andere außeruniversitäre Institute (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), 1951; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB), 1963; Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN), 1966) verdanken ihre Entstehung den Modernisierungsimpulsen der Nachkriegszeit, die im Falle des DIPF von den Vereinigten Staaten ausgingen.

Die PAS sollte, beginnend mit nur einer Handvoll Beschäftigter, v. a. zwischen den Volkshochschulen (vhs) und ihren Verbänden vermitteln, nachgeordnet auch zwischen der Praxis und einer sich noch im Aufbau befindlichen Erwachsenenbildungswissenschaft (Nuissl, 2022). Ihr erster Leiter wurde Dr. Willy Strzelewicz, der Mitte der 1950er Jahre aus dem schwedischen Exil zurückgekehrt war und 1960 als Professor für Soziologie an die Pädagogische Hochschule Hannover wechselte. Ihm folgte Dr. Hans Tietgens, der das Institut über mehr als 30 Jahre prägte und zwischen 1979 und 1991 zugleich Honorarprofessor für Erwachsenenbildung an der Philipps-Universität Marburg war. Charakteristisch für das Aufgabenverständnis der ersten Jahrzehnte waren die Herausgabe adressatenspezifischer Buchreihen, das Angebot von Seminaren zur Berufseinführung an vhs, der Aufbau einer volkshochschulspezifischen Berichterstattung sowie die (Mit-)Autorschaft des damaligen Leiters an Selbstverständnispapieren des Verbands (DVV, 1963, 1978). Mit der Buchreihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung bot Tietgens zudem der Erwachsenenbildungswissenschaft (Erwachsenenbildung als Wissenschaft) seit Mitte der 1960er Jahre eine viel beachtete Plattform für wissenschaftliche Verständigung und Profilierung.

Ab 1991 leitete Prof. Dr. Ekkehard Nuissl das Institut als Wissenschaftlicher Direktor, zunächst als Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Marburg, dann in Folge der Verlegung des Institutssitzes von Frankfurt a. M. nach Bonn als Professor an der Universität Duisburg-Essen. Nuissl führte das DIE, das 1994 die Nachfolge der PAS antrat, im Jahre 1997 in die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, die sich 1995 zunächst als Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste konstituiert hatte. Mit der Lösung vom DVV und dem Eintritt in eine außeruniversitäre Gemeinschaft von Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen änderten sich die Leistungserwartungen an das Institut und auch dessen Selbstverständnis. Das DIE verstand sich nun nicht mehr als eine Serviceeinrichtung für vhs, sondern als eine wissenschaftliche Infrastruktureinrichtung mit Forschungsaufgaben (Forschung) für den Gesamtbereich der Weiterbildung. Mit „forschungsbasierter Entwicklungsarbeit“ zielte das Institut (un-)mittelbar auf die Verbesserung von Politik und Praxis (wissenschaftliche Politikberatung).

Seit 2012 hat das DIE, nun geleitet von Prof. Dr. Josef Schrader, Universität Tübingen, sein Forschungsprofil ebenso weiterentwickelt wie seine Leistungen im Wissenstransfer und in der Bereitstellung von Infrastrukturen für Forschung (Forschungsinfrastrukturen). Das Institut folgt den Ansprüchen einer problem- und anwendungsorientierten Forschung, die grundlagenwissenschaftlich fundiert ist. In einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive wird die Frage betont, wie sich Bedingungen für erfolgreiche Lehr-Lern-Prozesse identifizieren und wissenschaftlich fundierte pädagogische Hilfen entwickeln lassen, die im Sinne eines realistischen Bildungsbegriffs (Bildung – Allgemeinbildung) zur Entwicklung individueller Anlagen, zur gesellschaftlichen Integration und zur Beschäftigungsfähigkeit Erwachsener beitragen. Der Wissenstransfer wird mit Blick auf die Bedingungen der Möglichkeit, wissenschaftliche Innovationen in enger Kooperation mit der Erwachsenenbildungspraxis zu etablieren, beobachtet.

Im Jahr 2022 arbeiten ca. 120 Beschäftigte im DIE, davon mehr als 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Literatur

Deutscher Volkshochschul-Verband. (Hrsg.). (1978). Stellung und Aufgabe der Volkshochschule. Bonn: DVV.

Deutscher Volkshochschul-Verband. (Hrsg.). (1963). Die Volkshochschule, ihre Stellung und Aufgabe im Bildungssystem. Frankfurt a. M.: DVV.

Nuissl, E. (2022). Vermitteln. In J. Schrader (Hrsg.), Wissenschaft für die Praxis. Hans Tietgens und die Erwachsenenbildung in Deutschland (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 42, S. 141–162). Bielefeld: wbv Publikation.

Schrader, J. (2019). Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung: Auftrag und Selbstverständnis eines Leibniz-Instituts. Erziehungswissenschaft, 30(59), 29–36.

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