Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen

Rudolf Tippelt

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-061

Der Deutsche A. für das Erziehungs- und Bildungswesen ist die Vorgängereinrichtung des Deutschen Bildungsrats. Seine Konstituierung 1953 als bildungspolitisches Beratungsgremium gilt als erste gemeinsame bildungs- und kulturpolitische Maßnahme von Bund und Ländern in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Für die Erwachsenen- und Weiterbildung interessant ist der Deutsche A., weil seine Aufgabe darin bestand, das gesamte Bildungswesen, von der Vorschule bis zur allgemeinen und beruflichen Weiterbildung, „zu beobachten und durch Rat und Empfehlung zu fördern“. Insofern lässt sich sagen, dass seine Aufgabe schon zu einem frühen Zeitpunkt dem lebenslangen Lernen (lifelong learning) verpflichtet war (Glaser, 2017; Otto, 2007).

In den zwölf Jahren seines Bestehens von 1953 bis 1965 widmete er sich satzungsgemäß dieser Aufgabe und beriet in 30 Gutachten und Empfehlungen die Vertreterinnen und Vertreter der Bildungspolitik (Weiterbildungspolitik). Erstmals in der Nachkriegszeit erstellte der Deutsche A. ein Gutachten zur „Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“, in dem der Bereich der Erwachsenenbildung in das öffentliche Erziehungs- und Bildungswesen einbezogen wurde. Zukunftsweisend waren die Anregungen, den Beruf und die Professionalisierung der Erwachsenenbildenden zu eta­blie­ren, um sowohl die persönlichkeitsbildende als auch die soziale und gesellschaftliche Bedeutung der Erwachsenenbildung hervorzuheben, angesichts der technischen und industriellen Umstrukturierungen die Qualifizierung der Bevölkerung auch im Erwachsenenalter zu stärken sowie den vermeintlichen Gegensatz von Bildung und Ausbildung zu problematisieren. Man kann die Positionen des Ausschusses daher als Katalysator für den Diskurs der Erwachsenenbildung in Deutschland ansehen (Schiersmann, 2004,
S. 299).

Aufmerksamkeit erhielt auch der im Jahr 1959 veröffentlichte „Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinen öffentlichen Schulwesens“, denn dieser Plan sah eine an die Grundschule anschließende zweijährige Förderstufe vor – ein Vorläufer der heutigen Orientierungsstufe –, um die Übergänge im Bildungssystem zu verbessern. Im 1964 veröffentlichten Gutachten wurde für den Bereich der Berufsbildung der einschlägige Begriff „duales System“ geprägt, sodass die gemeinsame und gleichberechtigte berufliche Ausbildung in Schule und Betrieb zum Ausdruck gebracht werden konnte. Auch das Fach Arbeitslehre einzurichten, geht auf eine Empfehlung des Deutschen Ausschusses zurück.

Dem Deutschen A. gehörten 20 ehrenamtliche Personen (überwiegend Professoren) an. Organisatorisch und in seiner Zusammensetzung war der Ausschuss staatlich und parteipolitisch unabhängig, was aber auch dazu führte, dass seine Empfehlungen wenig zur Kenntnis genommen wurden. Im Jahr 1965 wurde der Deutsche A. aufgelöst und durch den stärker an Bund und Länder angebundenen Deutschen Bildungsrat ersetzt. Der Deutsche A. für das Erziehungs- und Bildungswesen war aber ein wichtiger Anfang einer expertisebasierten Kommunikation von Wissenschaft und Politik, die der Deutsche Bildungsrat vertiefte und die zur institutionalisierten, indikatorengestützten Systembeobachtung (Systemevaluation) und zur Beratung einer evidenzbasierten Bildungsreform über die Lebensspanne führte, z. B. durch den seit dem Jahr 2006 erarbeiteten zweijährigen Nationalen Bildungsbericht mit wechselnden thematischen Schwerpunkten, erstellt von einer Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen und Statistischer Ämter unter Federführung des ­Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), oder die seit 1998 publizierten, international vergleichenden Bildungsberichte „Education at a ­Glance“ der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD).

Literatur

Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen. (1966). Empfehlungen und Gutachten, 1953–1965 (Gesamtausgabe). Stuttgart: Klett.

Glaser, E. (2017). Pädagogik und Politik. Der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen und seine Empfehlungen als ein Beitrag zur Wissensgeschichte in der frühen Bundesrepublik. In S. Reh, E. Glaser, B. Brehm & T. Drope (Hrsg.), Wissen machen. Beiträge zu einer Geschichte erziehungswissenschaftlichen Wissens in Deutschland zwischen 1945 und 1990 (Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 63, S. 88–107). Weinheim: Beltz Juventa.

Otto, V. (2007). Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung (1960). Das Gutachten des deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen. In R. Koerrenz, E. Meilhammer & K. Schneider (Hrsg.), Wegweisende Werke zur Erwachsenenbildung (Reihe Edition Paideia, S. 365–378). Jena: IKS Garamond.

Schiersmann, C. (2004). Erwachsenenbildung. In D. Benner & J. Oelkers (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Pädagogik (S. 288–302). Weinheim: Beltz.

Deutsche Schule für Volksforschung und Erwachsenenbildung
Deutscher Bildungsrat