Irit Bar-Kochva & Stefanie Bredthauer
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-057
Mit DaZ wird das Erlernen von Deutsch als Umgebungssprache bezeichnet, nachdem bereits eine andere Erstsprache erworben wurde. Meist geschieht diese Form von Spracherwerb außerhalb des familiären Umfelds und innerhalb der natürlichen Kommunikationssettings eines Landes der Zielsprache (Kniffka & Siebert-Ott, 2012). Diese Lernbedingungen können, müssen aber nicht durch gesteuertes Lernen (z. B. in Sprachkursen) ergänzt werden. DaZ unterscheidet sich vom Erlernen einer → Fremdsprache, das außerhalb eines Landes der Zielsprache geschieht und auf einem v. a. gesteuerten bzw. unterrichtsförmigen Erwerb beruht (→ Unterricht). Unterschieden wird zudem vom Erwerb einer oder mehrerer Erstsprache(n), der schon vor dem dritten Lebensjahr beginnt (Harr, Liedke & Riehl, 2018).
Der Begriff DaZ impliziert eine klare Reihenfolge des Spracherwerbs von Individuen. In der Praxis ist eine solche Abfolge jedoch oft nicht gegeben. Viele Personen wachsen schon von Geburt an in einem multilingualen Umfeld auf (→ Mehrsprachigkeit). Darüber hinaus können Menschen Deutsch auch in einem deutschsprachigen Land erwerben, nachdem sie in ihrem Herkunftsland bereits andere Sprachen in der Schule erworben haben; die deutsche Sprache wird dann dennoch als „Zweitsprache“ bezeichnet.
Es wird davon ausgegangen, dass Kenntnisse der entsprechenden Sprache(n) des Landes (→ Sprache – Fachsprache), in dem eine Person lebt, einen deutlichen Beitrag zur Verbesserung der beruflichen Perspektive, zur individuellen Entwicklung sowie zur sozialen Teilhabe leisten (Geis-Thöne, 2019; Harr, Liedke & Riehl, 2018). Dementsprechend haben die Migrationsbewegungen nach Deutschland (→ Migration) einen großen Bedarf an Vermittlungsangeboten von DaZ mit sich gebracht. In der → Erwachsenen- und Weiterbildung wird Deutsch in unterschiedlichen Settings gelehrt. Durch seine Integrationskurse ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein wesentlicher Auftraggeber von Sprachkursen für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Zusätzlich zum Deutschunterricht umfassen diese Kurse auch weitere Inhalte, die mit dem Leben in Deutschland zusammenhängen, wie soziale, kulturelle und rechtliche Informationen. Für Menschen mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten (→ Literalität – Numeralität) werden in diesem Rahmen auch Alphabetisierungskurse angeboten (→ Alphabetisierung –
Grundbildung), damit sie einen Integrationskurs abschließen können. Die Integrationskurse werden über unterschiedliche Träger angeboten, mit den → Volkshochschulen als zentraler Träger. Weitere Anbieter von Deutschkursen sind u. a. das Goethe Institut, andere Sprachschulen, verschiedene Weiterbildungsinstitutionen und Unternehmen.
Deutschkurse, die auf DaZ ausgerichtet sind, legen ihren → Curricula und Evaluationsprozessen (→ Evaluation) oft die Prinzipien des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) zugrunde (→ Sprachenzertifikate) (Europarat, 2001). Dieser unterscheidet sechs aufsteigende Stufen der Sprachkompetenz (→ Kompetenz): A1, A2, B1, B2, C1 und letztendlich C2. Das Ziel eines Integrationskurses ist, laut der Integrationskursverordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IntV), das GER-Niveau B1 zu erreichen. Dies entspricht einer Sprachkompetenz auf mittlerem Niveau und erlaubt Menschen, selbstständig in ihrem Alltag zurechtzukommen.
Die Qualifizierung von Lehrkräften im Bereich DaZ erfolgt üblicherweise durch Hochschulstudiengänge für Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache und/oder durch relevante Zusatzqualifizierungen. Inhaltlich beziehen sich diese v. a. auf die Linguistik der deutschen Sprache, Merkmale von Erwerbsverläufen, Diagnostikverfahren von Lernständen, darauf aufbauende didaktische Prinzipien (→ Didaktik – Methodik) und → Methoden der Sprachförderung sowie auch Migration und Mehrsprachigkeit.
Lernende von DaZ in Integrationskursen oder innerhalb anderer Settings stellen eine ausgesprochen heterogene Gruppe hinsichtlich einer Vielzahl von Faktoren dar. Hierzu gehören bspw. der vorherige Stand der Deutschkompetenz, Bildungserfahrungen und spezifische Erfahrungen im Spracherwerb (→ Erfahrungen – Erfahrungsorientierung) sowie Gründe zur Migration in ein deutschsprachiges Land (z. B. Arbeit, Familie, Asyl). Zudem kommt ein weites Spektrum an soziodemografischen und motivationalen Faktoren für den Spracherwerb hinzu, wie mögliche Verbleibperspektiven in einem Land. Eine große Herausforderung des Bildungssystems (→ Weiterbildungssystem) besteht deshalb darin, Personen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zu adressieren. Die Erforschung der Didaktik von DaZ bei Lerngruppen mit einer stark ausgeprägten Heterogenität – z. B. der Einsatz von Maßnahmen der Binnendifferenzierung sowie interkulturelle und mehrsprachige Didaktik – ist somit ein zentrales und aktuelles Thema.
Literatur
Europarat. (Hrsg.). (2001). Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren und beurteilen. München: Klett-Langenscheidt.
Geis-Thöne, W. (2019). Sprachkenntnisse entscheidend für die Arbeitsmarktintegration. IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, 46(3), 73–89.
Harr, A.-K., Liedke, M. & Riehl, C. M. (2018). Deutsch als Zweitsprache – Migration – Spracherwerb – Unterricht. Stuttgart: J. B. Metzler.
Kniffka, G. & Siebert-Ott, G. (2012). Deutsch als Zweitsprache: Lehren und Lernen. Paderborn: Ferdinand Schöningh.