Bernd Käpplinger
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-030
„Zur betrieblichen Weiterbildung zählen vorausgeplante, organisierte Weiterbildungsmaßnahmen, die […] vollständig oder teilweise vom Arbeitgeber finanziert wurden“ (Schönfeld & Behringer, 2017, S. 56) – diese Definition ist mittlerweile verbreitet. Im Mittelpunkt stehen die arbeitgeberseitigen Förderungen, wobei auch Mischfinanzierungen seitens der → Teilnehmenden (z. B. durch Einbringen von → Freizeit) oder der öffentlichen Hand (z. B. → Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit) eingeschlossen sind. Unerheblich ist hierbei, ob die Weiterbildung im Betrieb oder extern, z. B. in kommerziellen oder öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen, stattfindet.
B. W. wird – bezogen auf die möglichen Lernformen – üblicherweise in zwei Hauptbereiche differenziert: zum einen in formelle, kursförmig organisierte Maßnahmen, zum anderen in unterschiedliche informelle Lernmöglichkeiten wie Job-Rotation, Qualitätszirkel und Besuche von Messen. → Lernen am Arbeitsplatz wird dann einbezogen, wenn es vom Betrieb vorausgeplant und beabsichtigt ist. B. W. umfasst i. d. R. kein zufälliges oder beiläufiges Lernen. Diese Abgrenzung kann aber international abweichen, insb. in Ländern, wo der Begriff b. W. und seine Übersetzungen weniger bekannt sind als Begriffe wie „Workplace Learning“ (Billett, 2001). Dem Lernen in externen Weiterbildungseinrichtungen in betrieblichem Auftrag wird dort kaum Aufmerksamkeit gewidmet.
B. W. ist in Deutschland das größte Teilsegment der → Erwachsenen- und Weiterbildung. Folgt man den Datenerhebungen verschiedener Adult Education Surveys der letzten Dekade, dann werden diesem rund 70 Prozent aller Weiterbildungsaktivitäten und rund 50 Prozent aller Weiterbildungsstunden zugeordnet. Der geringere Zeitanteil erklärt sich durch die häufige Kürze von betrieblichen Bildungsmaßnahmen, die innerbetrieblich zumeist unter Kosten- und Legitimationsdruck stehen. In Krisenphasen zählen Weiterbildungskosten in Unternehmen zu primären Kürzungsposten. So sind digitale Weiterbildungsformen (→ digitales Lernen) auch deswegen beliebt, weil sie eine direkte (zeit- und kostensparende) Nutzung am Arbeitsplatz versprechen (→ Wirtschaftlichkeit).
B. W. ist inhaltlich oft auf reaktive Anpassungsqualifizierungen ausgerichtet, die durch technologischen Wandel (z. B. durch Digitalisierung) notwendig werden. → Zertifikate und Abschlüsse spielen eine untergeordnete Rolle, da es nicht um überbetriebliche Mobilität der Arbeitsnehmenden geht. Diese ist i. d. R. von Arbeitgebern auch nicht gewollt, da sie befürchten, dass auf ihre Kosten qualifizierte Beschäftigte zu Konkurrenzbetrieben abwandern könnten. Gleichzeitig erwarten viele Beschäftigte Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen in Form von Weiterqualifizierungen (→ Personalentwicklung). Auch verlangen z. T. Hersteller Schulungsnachweise als Voraussetzung für die Nutzung ihrer Produkte (z. B. Bedienung ihrer Maschinen, Anwendung ihrer Software). In manchen Berufen und bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten gibt es zudem gesetzliche Weiterbildungspflichten, die mit Belegen dokumentiert werden müssen. Darüber hinaus werden über zertifizierte Führungskräfteprogramme (→ Führungskräftebildung) innerbetriebliche Hierarchien begründet.
Je nach Branche und Betriebsgröße ist b. W. sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dies ist ein Grund, weswegen in der Forschung Konfigurations- bzw. Clusteransätze (Käpplinger, 2016) Verwendung finden. Beschäftigtengruppen werden unterschiedlich an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen beteiligt. Es wird vom „Matthäus-Prinzip“ gesprochen, da Höherqualifizierte betrieblich mehr gefördert werden. Aus diesem Grund hat die → Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung von Geringqualifizierten die Aufmerksamkeit öffentlicher Förderprogramme (→ staatliche Weiterbildungsförderung) sowie der Gewerkschaften (→ gewerkschaftliche Bildungsarbeit) auf sich gezogen. In politischen Diskursen und zwischen den Sozialpartnern gibt es Dispute darüber, wie stark von außen auf b. W. Einfluss genommen werden sollte. Gesetze zum → Bildungsurlaub, Freistellungen für die Teilnahme während der Arbeitszeit oder die Rückzahlung von Kosten nach Betriebswechsel stellen hierbei Konfliktfelder dar, die auch öfters zu juristischen und öffentlichen Auseinandersetzungen führen.
In der → Weiterbildungsforschung war es früher normativ umstritten, ob b. W. wegen ihrer hohen Zweckorientierung als Gegenstand des pädagogischen Diskurses verstanden werden kann. Heute gibt es weniger prinzipielle Vorbehalte, wenngleich auf die verschiedenen Handlungslogiken und Interessen der diversen Beteiligten theoretisch wie empirisch hingewiesen wird.
Literatur
Billett, S. (2001). Learning in the workplace. Crows Nest, N. S. W. (AU): Allen & Unwin.
Käpplinger, B. (2016). Betriebliche Weiterbildung aus der Perspektive von Konfigurationstheorien (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 32). Bielefeld: wbv Publikation.
Schönfeld, G. & Behringer, G. (2017). Betriebliche Weiterbildung. In F. Bilger, F. Behringer, H. Kuper & J. Schrader (Hrsg.), Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2016. Ergebnisse des Adult Education Survey (AES) (Reihe DIE Survey. Daten und Berichte zur Weiterbildung, Bd. 3, S. 56–73). Bielefeld: wbv Publikation.