Arbeitsgemeinschaft

Christine Zeuner

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-019

Mit einer A. werden in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten, der Politik, der Wirtschaft oder im Bildungsbereich Ziele wie Erfahrungsaustausch, Interessenvertretung oder auch die gemeinsame Lösung von Problemen verfolgt. Im Bildungsbereich ist sie heute v. a. als ein didaktisch-methodisches Prinzip zu verstehen (Didaktik – Methodik), bei dem sich Lernende in selbstorganisierten Gruppen (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) mit inhaltlichen Fragen und Themengebieten (Inhalte – Themen) auseinandersetzen und ihren Aneignungs- und Lernprozess nach selbst gesetzten Zielen und Regeln weitgehend selbstständig steuern.

Die Idee der A. als didaktisches Prinzip der Bildungsarbeit ist nicht neu. Sie wurde Ende des 19. Jh. zunächst in der Lehrerbildung und in Arbeitsschulen erprobt. Nachdem in der Weimarer Republik die Volksbildung Verfassungsrang erhielt und einen entsprechenden Bedeutungszuwachs und institutionellen Ausbau erfuhr, wurde die A. als eine wichtige Lern- und Arbeitsmethode in der Volksbildung und der politischen Jugendbildung diskutiert und angewandt (Mann, 1932). Gleichzeitig wurde der Begriff A. nach den revolutionären Ereignissen 1918/19 gesellschaftspolitisch erweitert und beinhaltete schließlich den Zusammenschluss politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Gruppen mit dem Ziel der Durchsetzung gemeinsamer Interessen (ein Beispiel ist die Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von 1919 bis 1924) (Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland – von 1918 bis 1933).

Die A., wie sie von Volksbildenden der Weimarer Zeit, insb. den Vertreterinnen und Vertretern der „Neuen Richtung“ diskutiert und als Methode erprobt wurde, folgte didaktischen Grundsätzen, die einen Kontrast zu den bis dahin vorherrschenden Lern- und v. a. Lehrformen der Volksbildung bildeten. Im Gegensatz zu den bevorzugten Methoden wie Vorträgen und Vorlesungen sollten durch eine A. Zusammenhänge hergestellt werden. Den Teilnehmenden sollte nicht nur Wissen vermittelt werden; vielmehr sollten sie gemeinsam Erkenntnisse erarbeiten (Aneignung – Vermittlung). Ziel war es, unabhängiges Denken, Urteils- und Kritikfähigkeit zu entwickeln und die Persönlichkeitsbildung zu unterstützen. Mittels verwandter Methoden sollten die Lernenden dazu angeregt werden, ihren Lernprozess nicht nur in Bezug auf Lernstrategien und -methoden, sondern auch in Bezug auf die Inhalte eigenverantwortlich zu gestalten. Als Prinzipien der A. gelten – nach heutiger Terminologie – die Teilnehmerorientierung, die Persönlichkeitsentwicklung und die aktive Teilnahme aller. Als Arbeitsform wurde die A. vorwiegend in Volkshochschulen und Heimvolkshochschulen eingesetzt.

Neben den pädagogischen Implikationen galt die A. als ein Instrument, das den Demokratisierungsprozess in Deutschland unterstützen und Elemente einer neuen politischen Kultur entwickeln sollte. Die Übung des demokratischen Umgangs miteinander und die Übernahme von Selbstverantwortung beschränkten sich nicht nur auf den Lernprozess; politische Mündigkeit und Emanzipation des Einzelnen sowie die Überwindung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Gegensätze waren weitere inhaltliche Zielsetzungen. Mit der A. wurde eine Methode entwickelt und erprobt, die Ansätze einer emanzipatorischen Erwachsenenbildung in sich trägt, deren Ideen erst in den 1960er und 1970er Jahren wieder diskutiert wurden.

Im Hinblick auf aktuelle Ansätze der Bildungsarbeit erlangen Prinzipien der A. in verschiedenen Lern- und Aneignungskontexten wieder Bedeutung. So werden in der politischen Bildung Formate wie forschendes Lernen oder Projektarbeit (Projektmethode) angewandt, die u. a. als A. organisiert werden. In der betrieblichen Weiterbildung werden Konzepte zu arbeitsintegriertem oder kooperativem Lernen weiterentwickelt, die selbstgesteuerte Lernprozesse nicht nur von Einzelnen, sondern auch von Gruppen unterstützen. Neue Ansätze der Lernkultur erkennen den Arbeitsplatz als Lernort an (Lernen am Arbeitsplatz), und Organisationsformen wie Lernstatt, Qualitätszirkel, Lerninseln sowie verschiedene Ansätze der Gruppen- oder Projektarbeit beinhalten Elemente der A.

Literatur

Mann, A. (1932). Arbeitsgemeinschaft. In H. Becker, R. Mirbt & G. A. Narciss (Hrsg.), Handwörterbuch des deutschen Volksbildungswesens (o. S.). Breslau: Neuer Breslauer Verlag.

Wunsch, A. (1986). Die Idee der „Arbeitsgemeinschaft“. Eine Untersuchung zur Erwachsenenbildung in der Weimarer Republik. Frankfurt a. M.: Peter Lang.

Zeuner, C. (1998). Die Arbeitsgemeinschaft als historischer Vorläufer einer „Erwachsenendidaktik der Selbstorganisation“. In K. Derichs-Kunstmann, P. Faulstich, J. Wittpoth & R. Tippelt (Hrsg.), Selbstorganisiertes Lernen als Problem der Erwachsenenbildung (Beiheft zum Report. Literatur- und Forschungsreport, S. 106–117). Frankfurt a. M.: DIE.

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Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten