Arbeit

Christine Zeuner & Susanne Umbach & Peter Faulstich †

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-016

A. gehört zu den gesellschaftspolitisch und wissenschaftlich kontrovers diskutierten Begriffen. Zunächst bezeichnet A. die zielgerichtete, planmäßige und bewusste menschliche Tätigkeit, die unter Einsatz physischer und psychischer Fähigkeiten erfolgt und die Grundlagen der Existenz sichert. Darüber hinaus hilft A. den Menschen, personale und soziale Identität zu entwickeln und gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen (Anerkennung, gesellschaftliche – personale). Die Bedeutung von A. für die Menschen in modernen Gesellschaften wird mit Blick auf die psychosozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen von Arbeits- und Erwerbslosigkeit deutlich. A. wird einerseits als Mühsal, Kampf, Ausbeutung und Entfremdung erfahren. Andererseits ermöglicht sie den Subjekten Selbstverwirklichung, Identitätsentwicklung und die Sicherung des Lebensunterhalts. A. wird gesellschaftlich verortet und von Subjekten gelebt.

Die Wertigkeit von A. wurde im Laufe der Geschichte unterschiedlich eingeschätzt. In der Antike wurde körperliche und kommerzielle A. im Gegensatz zur geistigen oder politischen Betätigung eher skeptisch betrachtet, und A. galt im Mittelalter und bis zur Reformation v. a. aus der Sicht des Adels als Strafe und Buße. In der frühen Neuzeit erfolgte eine Umwertung: A. wurde positiv besetzt, da die „niederen“ Stände durch sie Freiheit und Stadtbürgerrechte erlangen konnten. Im Zeitalter der Aufklärung wurde A. erstmals als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung verstanden – eine Funktion, die mit dem Aufstieg des Bürgertums im 19. Jh. im Sinne von Identitäts- und Sinnstiftung noch erweitert wurde. Im Kontext der „protestantischen Ethik“ verstand Max Weber A. und Erwerb nicht mehr nur als Mittel der Bedürfnisbefriedigung, sondern als eigentlichen Zweck des Lebens. Immerwährende systematische Selbstkontrolle, lebenslange Reflexion, Methodisierung und Rationalisierung der Lebensführung wurden zu quasi-religiös legitimierten Anforderungen an die Arbeitenden (Modernisierung).

Nach Karl Marx ist A. durch den grundlegenden Widerspruch zwischen der Produktivkraft und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen gekennzeichnet. Unter den Bedingungen dieser Produktionsverhältnisse wird den Arbeitenden die Verfügung über das Produkt entzogen und Entfremdung erzeugt. In der Erwerbsarbeit sind die Arbeitenden gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, wodurch sie Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung ausgeliefert sind.

Spätestens seit Ende des 19. Jh. wird A. weitgehend mit „Erwerbsarbeit“, also „Produktionsarbeit“ gleichgesetzt. Andere Formen der A., die in den Bereich der Reproduktionsarbeit fallen, wie Haus-, Familien-, Erziehungs- und Eigenarbeit, werden ausgeschlossen und damit abgewertet. Diese Differenzierung trägt bis heute zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung bei, da der Bereich der Reproduktionsarbeit überwiegend von Frauen übernommen wurde und wird – mit entsprechenden Konsequenzen für ihre Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit am (Erwerbs-)Arbeitsmarkt.

Für die Gegenwart sind Entwicklungen der A. zu konstatieren, die sich bereits mit dem Wandel der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft in den 1970er Jahren abzeichneten und die heute in der sog. Wissensgesellschaft und unter den Bedingungen von Globalisierung und zunehmender Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt v. a. Konsequenzen für die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze haben, indem sich Form und Inhalt von A. grundlegend verändern. Besonders die Digitalisierung hat deutliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Arbeitswelt. Veränderte Techniken ermöglichen neue, stark vernetzte Produktionsweisen von Gütern („Industrie 4.0“). Die Verlagerung von industrieller Produktion hin zu Dienstleistungen und der massive Ausbau des innerbetrieblichen Dienstleistungssektors als Voraussetzung für neue Produktionsformen führt zu neuen Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung der arbeitenden Menschen, da Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich (Büro/Kommunikation, Gesundheit/Wellness, Erziehung) andere Fähigkeiten und Kenntnisse erfordern als überwiegend körperliche Tätigkeiten.

Bis heute ist A. eine, wenn nicht die bestimmende Größe des Lebens der Einzelnen wie der Gesellschaft. Was sich immer wieder geändert hat und weiterhin verändert, sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die A., die Verfügbarkeit von A. und die Arbeitsbedingungen. Während für (West-)Deutschland spätestens seit den 1960er Jahren bis in die frühen 1980er Jahre für die männliche erwachsene Bevölkerung die Vorstellung eines sog. Normalarbeitsverhältnisses normgebend war – eine langfristige vollberufliche Tätigkeit, die eine Familie ernähren konnte –, erodiert dieses seit den 1990er Jahren. Die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse ist rückläufig, und an ihre Stelle treten vermehrt andere Beschäftigungsformen wie Selbstständigkeit, Honorartätigkeiten, multiple und/oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die häufig schlecht bezahlt und sozial gering abgesichert sind. Einschränkend muss allerdings festgestellt werden, dass ein Normalarbeitsverhältnis stets nur für eine Minderheit die Regel war: Frauen, gering Qualifizierte, Saison- und Gelegenheitsarbeiterinnen und -arbeiter waren davon fast immer ausgeschlossen. Eine solche Arbeitsmarktstruktur ist also weder historisch noch strukturell gesehen wirklich neu (Arbeitsmarkt- und Berufsforschung). Neu ist allerdings, dass die Veränderungen auch Gruppen betreffen, die auf dem Arbeitsmarkt bisher eher gute Chancen hatten. Dies zeigt sich bspw. im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung: Die hauptamtlichen Mitarbeitenden, deren Zahl traditionell eher klein ist, werden heute nicht nur von nebenamtlichen Dozentinnen und Dozenten unterstützt. Vielmehr hat sich v. a. der Anteil derjenigen Personen vergrößert, die in prekären Arbeitsverhältnissen oder auf Honorarbasis quasi hauptamtlich in den verschiedenen Segmenten der Weiterbildung arbeiten (Personal). Sie sind zumeist hochqualifiziert, haben aber kaum Chancen auf einen Wechsel in eine sozialversicherungspflichtige Dauerbeschäftigung im gleichen Bereich oder auf beruflichen Aufstieg (Dobischat, Elias & Rosendahl, 2018).

Es sind aber nicht nur Veränderungen der Inhalte von A. zu konstatieren. Auch die Formen, Strukturen und Organisation von A. haben sich gewandelt, sodass in manchen Segmenten – besonders für sehr gering und für sehr hoch bezahlte Tätigkeiten – wenige Verbindlichkeiten in Bezug auf Arbeitszeiten, Bezahlung und berechenbare Arbeitsstrukturen bestehen. Im Niedriglohnsegment führt dies häufig zu dem Zwang, verschiedene Tätigkeiten parallel auszuüben, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für den Hochlohnbereich und mittlerweile auch für den mittleren Lohnbereich geht die Arbeitssoziologie von einer „Subjektivierung“ bzw. „Autonomisierung“ der A. aus. Tätigkeiten basieren also stärker als zuvor auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation, was innerbetrieblich zu marktähnlichen Auftragsbeziehungen führen kann.

Im Rahmen betriebsübergreifender Arbeitsbeziehungen zeigen sich Formen der Auslagerung von A. auf Scheinselbstständige, Kooperationen mit Selbstständigen, virtuelle Betriebe usw. (Pongratz & Voß, 2004, S. 10). Für Menschen, die in diesen neuen Arbeitsformen arbeiten, die oft als Plattformarbeit (auch als crowdworking oder crowdsourcing bezeichnet) in Erscheinung treten, wurde der Begriff „Arbeitskraftunternehmer“ geprägt. Diese Personen verfügen über eine höhere Selbstständigkeit und unterliegen gleichzeitig dem Zwang, als strategisch handelnde Akteure die eigene Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt vermarkten zu müssen. Voraussetzung dafür sind ein verändertes Selbstbild und eigenständiges Handeln im Hinblick auf die Planung und Steuerung der Arbeitskraft durch verstärkte Selbstkontrolle. Die Selbstrationalisierung sowie die Selbstökonomisierung durch die ziel- und zweckgerichtete „Produktion“ und Vermarktung der eigenen Fähigkeiten werden als „Verbetrieblichung des Lebenslaufs“ (ebd., S. 12) bezeichnet.

Diese neuen Arbeitsformen basieren auf dem Einsatz digitaler Arbeitsmittel und setzen sich nicht nur im betrieblichen Kontext der sog. New Economy durch, auch wenn sie hier sehr früh zu beobachten waren. Vielmehr finden sie sich auch in den Bereichen Produktion (z. B. im Automobilsektor) und Dienstleistung (v. a. im Gesundheits-, Pflege- und Logistiksektor). Subjektivierung und Entgrenzung der A. – begünstigt durch ein Aufweichen der Grenzen zwischen A. und Freizeit durch Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort –
unterstützen auf der einen Seite eine Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitenden, z. B. in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auf der anderen Seite ermöglicht der digitale und vernetzte Arbeitsplatz neue Formen der Kontrolle (Umbach et al., 2020, S. 109) und führt häufig zu einer Doppelbelastung bei dem Versuch, Berufstätigkeit und Sorgearbeit zu verbinden.

Jedoch verändern sich nicht nur Arbeitsplätze, sondern durch Automatisierung und Digitalisierung werden Aufgaben von Maschinen bzw. Computern übernommen, die bisher Teil der menschlichen Tätigkeit waren. Die Prognosen bezüglich der Folgen dieser Entwicklung reichen von einer weiteren Polarisierung von Einfacharbeit und höherqualifizierter A. auf Kosten der Ebene der mittleren Qualifizierung bis hin zu einem generellen „Upgrading“ (Qualifikation). So profitieren alle Beschäftigten von der Automatisierung einfacher Tätigkeiten zugunsten anspruchsvollerer Tätigkeitsprofile. Im Zuge der Globalisierung von Produktionsketten, die sich u. a. durch die Entwicklung digitaler Kommunikation in Echtzeit und gesunkene Transportkosten sprunghaft ausgeweitet haben, werden allerdings die Produktionsstätten ganzer Industriezweige, aber auch Call Center und Entwicklungsabteilungen in Niedriglohnländer verlegt, wodurch an den ursprünglichen Standorten Arbeitsplätze entfallen. Unter Bedingungen der Digitalisierung stellt sich zudem die mangelnde technische Anbindung ländlicher Räume als Problem dar.

Die zunehmende Digitalisierung der A. und die damit verbundenen bzw. prognostizierten Veränderungen von Arbeitstätigkeiten und Formen der Arbeitsorganisation gehen einher mit großer Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige A. Es wird davon abhängen, wie sich Arbeitnehmerinnen und -nehmer auf die Veränderungen einstellen und mit ihnen umgehen können. In dieser Situation erhält die Fähigkeit und Möglichkeit, sich im Rahmen der Arbeitstätigkeit mit Neuerungen auseinanderzusetzen sowie die individuelle und die betriebliche Bereitschaft, in berufliche Weiterbildung zu investieren, zentrale Bedeutung. Der Imperativ des lebenslangen Lernens (lifelong learning) hat hier einen seiner Ursprünge.

Damit stellt sich die Frage, welche Rolle Aus- und Weiterbildung in Zukunft spielen werden und inwiefern bekannte Modelle und die bisherige Praxis noch tragfähig sind. Das Konzept der Arbeitsorientierten Weiterbildung (Arbeitsorientierung) kann Hinweise geben und weiterführende Perspektiven erschließen (Faulstich, 1981). Es wurde ursprünglich im Anschluss an die Diskussionen über die Humanisierung der Arbeitswelt in den 1970er Jahren entwickelt und sollte zur Entfaltung der Person über die Vermittlung individueller und gesellschaftlicher Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen, während es gleichzeitig den Menschen Möglichkeiten eröffnete, ihre Interessen in Bezug auf ihre A. zu artikulieren. Zur personalorientierten Weiterbildung weiterentwickelt, kann es heute im Rahmen veränderter Arbeitsformen und -bedingungen und in Anbetracht neuer Rollen, die Beschäftigte ausfüllen müssen, dazu beitragen, dass das „soziotechnische System“ A. in eine lernförderliche Richtung weiterentwickelt wird.

Das heißt, A. muss so gestaltet werden, dass den Beschäftigten im Rahmen ihrer Tätigkeit die Entwicklung von Kompetenzen ermöglicht wird und dass Weiterbildung zugleich, ausgehend von den Bedarfen der Beschäftigten im Hinblick auf ihre Tätigkeiten und ihre Beruflichkeit, selbstverständlicher Teil der A. wird. Auf diese Weise trägt A. zur Aufrechterhaltung von Lernbereitschaft und damit zu der Fähigkeit bei, mit Veränderungen und Unsicherheiten umzugehen. Die Investition in Weiterbildung und die Gestaltung einer lernförderlichen Arbeitsumgebung ist auch aus Unternehmenssicht eine Investition in die Zukunft, da Lernfähigkeit und kognitive Flexibilität der Beschäftigten in Zeiten des Wandels der Arbeitswelt einen zentralen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten (Umbach et al., 2020, S. 197ff.).

Eine zentrale Rolle spielt das Lernen im Prozess der A. (Lernen am Arbeitsplatz) nicht nur, aber doch in besonderem Maße, beim Erwerb digitalisierungsspezifischer Fähigkeiten. Trotz der Integration in den Arbeitsprozess muss für diese Lernformen auf der Ebene der Arbeitsorganisation Zeit veranschlagt werden, die Lernzeit als legitimen Teil von A. anerkennt und reflektierte Lernprozesse ermöglicht.

Literatur

Dobischat, R., Elias, A. & Rosendahl, A. (Hrsg.). (2018). Das Personal in der Weiterbildung im Spannungsfeld zwischen Professionsanspruch und Beschäftigungsrealität. Wiesbaden: Springer.

Dobischat, R., Käpplinger, B., Molzberger, G. & Münk, D. (Hrsg.). (2019). Bildung 2.1 für Arbeit 4.0? Wiesbaden: Springer.

Faulstich, P. (1981). Arbeitsorientierte Erwachsenenbildung (Reihe Studienbücher Sozialwissenschaften). Frankfurt a. M.: Diesterweg.

Hirsch-Kreinsen, H., Ittermann, P. & Niehaus, J. (Hrsg.). (2018). Digitalisierung industrieller Arbeit. Die Vision Industrie 4.0 und ihre sozialen Herausforderungen (2., akt. u. erw. Ausg.). Baden-Baden: Nomos.

Marx, K. & Engels, F. (1983 [1867, 1872]). Werke (Bd. 25: Das Kapital). Berlin (DDR): Dietz.

Negt, O. (2002). Arbeit und menschliche Würde (2. Aufl.). Göttingen: Steidl.

Pongratz H. J. & Voß, G. G. (Hrsg.). (2004). Typisch Arbeitskraftunternehmer? Befunde der empirischen Arbeitsforschung. Berlin: Edition Sigma.

Stalder, F. (2017). Die Kultur der Digitalität (Reihe edition suhrkamp, Bd. 2679, 3. Aufl.). Berlin: Suhrkamp.

Umbach, S., Haberzeth, E., Böving, H. & Glaß, E. (2020). Kompetenzverschiebungen im Digitalisierungsprozess. Veränderungen für Arbeit und Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten (Reihe Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen – Forschung & Praxis, Bd. 38). Bielefeld: wbv Publikation.

Weber, M. (2016 [1905, 1920]). Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus (Neuausg. d. ersten Fassung v. 1904/05 m. einem Verzeichnis d. wichtigsten Zusätze u. Veränd. a. d. zweiten Fassung v. 1920, hrsg. v. K. Lichtblau & J. Weiß). Wiesbaden: Springer.

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