Wissensmanagement

Heinz Mandl

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-300

W. oder auch knowledge management hat zum Ziel, Wissen von Individuen und Organisationen optimal zu erfassen und zu speichern, zu verteilen und zu nutzen, zu erwerben und weiterzuentwickeln und produktiv zu verarbeiten, insb. bei der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Handlungsfelder.

Nach dem TOM-Modell von Bullinger et al. (1998) bilden Technik, Organisation und Mensch die drei zentralen Komponenten des Wissensmanagements:

  1. Die Komponente Technik bezieht sich auf die Implementation und die Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologien, Datenbanken und Software­lösungen.
  2. Die Komponente Organisation beinhaltet die Bereitstellung der notwendigen Rahmenbedingungen und Methoden, die den Umgang mit der Ressource Wissen erleichtern und den Erwerb, die Speicherung und den Austausch von Wissen fördern.
  3. Die Komponente Mensch bezieht sich auf die Organisationsmitglieder als Wissensträger bzw. Wissensressourcen und die Förderung deren Bewusstseinsbildung (z. B. Motivation, Einstellungen), kontinuierlich Wissen in die Organisation einzubringen („lernende Organisation“).

In den 1990er Jahren wurden erste konzeptionelle Ansätze zum W. in Unternehmen und Organisationen entwickelt. Nonaka und Takeuchi (1995) zählen zu den Mitbegründern des heutigen Wissensmanagements und zeigten auf, wie Wissen in Unternehmen und Organisationen erzeugt und eingesetzt werden kann. Sie entwarfen ein Modell, bei dem Wissensgenerierung als Resultat eines ständigen Transformationsprozesses zwischen implizitem und explizitem Wissen erfolgt, wodurch individuelles schließlich in organisationales Wissen überführt wird. Wissen gilt als „implizit“, wenn es nicht direkt artikulierbar ist und in hohem Maße auf Erfahrungen basiert. Dagegen gilt es als „explizit“, wenn es sprachlich artikulierbar (Sprache – Fachsprache) und durch Weitergabe auch von den primären Wissensträgern abgekoppelt werden kann.

Für die Umsetzung von W. wurden zahlreiche Modelle entwickelt, die sich an bestimmten Kernprozessen orientieren. I. d. R. werden vier Prozessphasen unterschieden, wobei diese in Projekten aufeinander bezogen sind und individuelle, organisationale und technische Aspekte integrieren (Mandl, 2010):

  1. Die Wissensdokumentation beinhaltet Prozesse der Identifikation neuen Wissens, verschiedene Formen der Kodifizierung, Aufbereitung und Speicherung von Wissen sowie die transparente Präsentation von Wissen.
  2. Zur Wissensgenerierung zählen Prozesse der Beschaffung oder Entwicklung von ­neuem Wissen (u. a. auch der Import durch neue Mitarbeitende oder externe Beratende), das Einrichten von speziellen Wissensressourcen sowie die Schaffung personaler und technischer Netzwerke (u. a. auch Kooperationen mit anderen Organisationen).
  3. Unter Wissenskommunikation lassen sich Prozesse des Verteilens von Informationen und Wissen, der Vermittlung und des Teilens von Wissen (Wissenstransfer – Wissenschaftskommunikation) sowie der gemeinsamen Konstruktion von Wissen und der wissensbasierten Kooperation durch organisationsübergreifenden Austausch subsumieren.
  4. Die Wissensnutzung schließlich beinhaltet die Anwendung von Wissen bei Entscheidungen und Handlungen sowie die Transformation von Wissen in Innovationen bei Produkten und Dienstleistungen.

Im Bildungsbereich ergeben sich vielfältige Beziehungen zum W. Mit Blick auf die Erwachsenen- und Weiterbildung können drei Gesichtspunkte hervorgehoben werden (Reinmann, Mandl & Niedermeier, 2018):

  1. Als Gegenstand von Weiterbildung können Grundgedanken, Bedeutung und Entwicklung von W. aufgezeigt werden.
  2. Bei der Organisation von Weiterbildung bietet sich an, beispielhaft einige Modelle des Wissensmanagements vorzustellen und auf Weiterbildungsorganisationen anzuwenden.
  3. Aufgrund der Entwicklung des digitalen Lernens im Allgemeinen und der sozialen Medien im Besonderen ergeben sich zahlreiche Verschmelzungsphänomene zwischen W. und Weiterbildung, insb. hinsichtlich der Unterstützung des Wissensmanagements im Arbeitsprozess und der Gestaltung digitaler Lernangebote. Sie eignen sich dazu, sowohl Lehr-Lern-Prozesse als auch Arbeitsprozesse im W. dort zu unterstützen, wo es darum geht, Kommunikation und Kooperation anzuregen und zu erleichtern. In besonderem Maße lässt sich am Einsatz sozialer Medien (z. B. Wikipedia und Weblogs, Micro-Blogs und soziale Netzwerke) zeigen, wie man gleichzeitig Prozesse des Wissensmanagements und des Lernens fördern und miteinander verzahnen kann.

Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung in Verbindung mit der rasanten Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechniken steigt die Herausforderung an eine humane Umsetzung von W. bezogen auf Individuum und Organisation.

Literatur

Bullinger, H.-J., Warschat, J., Prieto, J. & Wörner, K. (1998). Wissensmanagement-Anspruch und Wirklichkeit: Ergebnisse einer Unternehmensstudie in Deutschland. IM Information Management & Consulting, 13(1), 7–23.

Mandl, H. (2010). Wissensmanagement: Kompetenter Umgang mit Wissen – Grundlage für Innovation. In R. Oerter, D. Frey, H. Mandl, L. von Rosenstiel & K. Schneewind (Hrsg.), Neue Wege wagen (S. 197–203). Stuttgart: Lucius & Lucius.

Nonaka, I. & Takaeuchi, H. (1995). The knowledge-creating company. Oxford (GB): University Press.

Reinmann, G., Mandl, H. & Niedermeier, S. (2018). Wissensmanagement und Weiterbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Re­fer­ence Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 2, S. 1533–1552). Wiesbaden: Springer VS.

Wissenschaftliche Weiterbildung
Wissenstransfer – Wissenschaftskommunikation