Weiterbildungsmotivation

Julia Gorges

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-292

Motivation ist ein psychologisches Konstrukt zur Erklärung der Initiierung, Ausrichtung und Persistenz von Verhalten. Motivation entsteht durch eine Mensch-Umwelt-Interaktion: Im Menschen verankerte Beweggründe (Motive), z. B. Neugier, werden durch spezifische Umweltbedingungen (Anreize), z. B. zur Verfügung stehende Weiterbildungsangebote, angeregt, wodurch ein zielgerichtetes Verhalten aktiviert wird, z. B. Teilnahme an Weiterbildung. Unter W. ist demgemäß ein individueller Einflussfaktor bzw. ein „Regulativ“ (Wittpoth, 2018) der Teilnahme an Erwachsenen- und Weiterbildung zu verstehen (Regulative der Weiterbildungsbeteiligung). Die Teilnahme beruht im Allgemeinen auf einer freiwilligen Entscheidung. Neben anderen nicht-motivationalen Determinanten trägt W. daher auf individualpsychologischer Ebene zur Beantwortung der Frage bei, warum eine Person (nicht) an Weiterbildung teilnimmt oder eine Weiterbildungsmaßnahme abbricht (Dropout).

Im pädagogisch-psychologischen Diskurs über die Lern- und Leistungsmotivation (Lernmotivation – Lerninteresse) werden zahlreiche Konzepte und theoretische Ansätze unterschieden. Zur Untersuchung bildungsbezogener Entscheidungen (z. B. Weiterbildungsteilnahme) hat sich die Erwartung-mal-Wert-Theorie (EWT) bewährt, die von Jacquelynne Eccles und Allan Wigfield in den 1980er Jahren auf den pädagogischen Bereich übertragen wurde (zusammenfassend: Gorges, 2015). Die Entscheidung für eine Handlungsalternative wird hierbei auf bewusst oder unbewusst wirkende kognitive Überzeugungen zurückgeführt – die Erfolgserwartung und den subjektiven Wert der Handlung(sfolgen). Erfolgserwartung meint die individuelle Überzeugung, eine Handlung (z. B. eine Bildungsmaßnahme) erfolgreich bewältigen zu können. Der subjektive Wert umfasst die Bedeutung oder den Nutzen des Handlungsprozesses oder -ergebnisses (z. B. Interesse am Thema oder beruflich verwertbares Zertifikat) sowie die damit verbundenen monetären (z. B. Teilnahmegebühren) und nicht-monetären (z. B. erforderlicher Zeitaufwand) Kosten. Die Komponenten Erwartung und Wert werden wiederum durch die (wahrgenommene) soziale Umwelt geprägt. Die soziokulturelle Einbettung und integrative Ausformulierung der EWT bietet einen heuristisch wertvollen Rahmen für die Untersuchung von W.

Die Erfolgserwartung bezieht sich grundsätzlich auf die gesamte Handlung, während mit Blick auf die Besonderheiten der Weiterbildungsbeteiligung Inhalt, Teilnahme und Abschluss als Referenzpunkte für den subjektiven Wert der Handlung spezifiziert werden können (ebd.): Die Inhalte einer Weiterbildungsmaßnahme stehen im Vordergrund, wenn die Auseinandersetzung mit ihnen als attraktiv empfunden wird (intrinsische W.) und im motivationspsychologischen Sinne von einem „Lerninteresse“ gesprochen werden kann (Siebert, 2006). Zudem kann sich W. auch auf die Nützlichkeit der Lerninhalte beziehen (extrinsische W.). Die Teilnahme ist ausschlaggebender Referenzpunkt, wenn die soziale Partizipation unabhängig von den Inhalten als wertvoll wahrgenommen wird. Der zu erwerbende Abschluss beeinflusst die W., wenn Lernende z. B. beruflich verwertbare Zertifikate und Abschlüsse erlangen ­wollen.

Individuelle Einflussfaktoren von Weiterbildungsbeteiligung sind schon lange Gegenstand der Weiterbildungsforschung. Bei Forschungsarbeiten zur W. stehen die Lernenden im Mittelpunkt. Bspw. wird die Weiterbildungsbeteiligung aus motivationaler Sicht, anders als in deskriptiven Studien zum Weiterbildungsmonitoring (Monitoring), als psychischer Prozess aufgefasst (Bildungspsychologie), und es werden individuelle Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in den Blick genommen. Neben der W. beeinflussen weitere personale (zumeist soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsniveau) und kontextuelle Faktoren die Entscheidung zur Weiterbildungsteilnahme (Wittpoth, 2018). W. ist insb. dann ein bedeutsamer Einflussfaktor, wenn kontextuelle Faktoren wenig zur Weiterbildungsbeteiligung beitragen und Teilnehmende diese selbst initiieren müssen (z. B. Personengruppen mit ungünstigen Gelegenheitsstrukturen).

Literatur

Gorges, J. (2015). Warum (nicht) an Weiterbildung teilnehmen? Ein erwartungs-wert-theoretischer Blick auf die Motivation erwachsener Lerner. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18(1), 9–28.

Siebert, H. (2006). Lernmotivation und Bildungsbeteiligung (Reihe Studientexte für Erwachsenenbildung, Bd. 3). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Wittpoth, J. (2018). Beteiligungsregulation in der Weiterbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Reihe Springer Reference Sozialwissenschaften, 6., überarb. u. akt. Aufl., Bd. 2, S. 1149–1172). Wiesbaden: Springer VS.

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