Helmut Vogt
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-285
Mit der W. a. H. wird ein großes Feld umspannt. Es reicht von der Weiterbildungswissenschaft (einer Teildisziplin der Erziehungswissenschaft mit Studienangeboten, die zu einem ersten berufsqualifizierenden oder einem weiterführenden Studienabschluss führen) über die Weiterbildung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (→ Hochschuldidaktik) und des nichtwissenschaftlichen Hochschulpersonals bis hin zur → wissenschaftlichen Weiterbildung und zu Teilen des berufsbegleitenden Studiums. Im Folgenden wird der Fokus auf strukturelle Fragen der W. a. H. gelegt.
„Weiterbildung als Hochschulaufgabe“ wurde im Zuge der → Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre politisch diskutiert und ab Mitte der 1970er Jahre in die Hochschulgesetzgebung aufgenommen. Die Zuständigkeiten innerhalb der Hochschulen und Fragen der Finanzierung regelte man jedoch, wenn überhaupt, nur rudimentär. Auch fehlte es der W. a. H. zunächst an einem akademischen Abschluss (→ Zertifikate – Abschlüsse); dieser wurde erst mit der Einführung des Weiterbildungs-Masters als Folge des → Bologna-Prozesses ab 1999 etabliert. Inzwischen gibt es zudem zunehmend Studiengänge, die mit einem Weiterbildungs-Bachelor abschließen. Durch den Bologna-Prozess und insb. durch die sog. Bologna-Nachfolgekonferenzen wurde die W. a. H. schließlich auch im Kontext des lebenslangen Lernens (→ lifelong learning) diskutiert. Ebenso spielt W. a. H. in der Debatte um eine „Third Mission“ der Hochschulen, bei der neben den beiden Kernmissionen Forschung und Lehre auch gesellschaftliche Trends und Bedürfnisse berücksichtigt werden, eine bedeutende Rolle.
Trotz des Bedeutungszuwachses, den W. a. H. seit ungefähr der Jahrtausendwende erfahren hat, sind drei Strukturfragen bis heute nicht hinreichend geklärt:
- Die Weiterbildungsangebote der Hochschulen haben keine gesicherte finanzielle Basis. Selbst eine Finanzierung der fixen Kosten aus dem Haushalt der Hochschule ist die Ausnahme und gerät durch das EU-rechtliche Verbot der Subventionierung von Marktaktivitäten zunehmend unter Druck. Für Entwicklungen und Erprobungen neuer → Angebote der Weiterbildung sind die Hochschulen häufig auf nationale und europäische Projektfinanzierungen angewiesen.
- Die Organisationsformen für die W. a. H. sind – abgesehen von Studiengängen mit akademischem Abschluss – nicht formal festgelegt und entsprechend vielfältig. Im deutschsprachigen Raum findet man u. a. zentrale Einrichtungen, aber auch An-
Institute als eingetragene, gemeinnützige Vereine oder (gemeinnützige) GmbHs (→ Rechtsformen von Weiterbildungsorganisationen) sowie z. T. Verwaltungsreferate und Stabsstellen vor. Neuerdings kommen sog. Professional Schools hinzu. In Österreich existiert darüber hinaus seit 1995 die einzige staatliche Weiterbildungsuniversität in Europa, die Donau Universität in Krems. Die unklaren Regelungen hinsichtlich der Organisationsformen führen immer wieder zu Umstrukturierungen, die häufig nicht zielführend sind und Kapazitäten binden. - Abgesehen von Ausnahmen sind die Weiterbildungsangebote der Hochschulen nicht kapazitätsrelevant. Lehre in der Weiterbildung kann vom Lehrkörper nicht auf das Lehrdeputat angerechnet werden. Das gilt größtenteils auch für die Lehre im weiterbildenden Masterstudium. Obwohl es sich bei der Weiterbildung um eine gesetzliche Hochschulaufgabe handelt, werden Lehraufgaben häufig im Nebenamt wahrgenommen und gesondert vergütet.
Die W. a. H. ist in allen drei deutschsprachigen Ländern national organisiert: durch die → Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF), das Netzwerk für universitäre Weiterbildung und Personalentwicklung der österreichischen Universitäten (AUCEN) und den schweizerischen Verband der universitären Weiterbildung (Swissuni). Auf europäischer Ebene hat sich seit Anfang der 1990er Jahre das European Continuing Education Network (EUCEN) als Fachgesellschaft etabliert.
Bis heute wird W. a. H. – insb. im öffentlich finanzierten Hochschulsektor – nicht als integraler Bestandteil des Hochschulaufgabenspektrums angesehen. Dazu trägt besonders die tradierte Hierarchie der Hochschulaufgaben (erst Forschung, dann Lehre in der Erstausbildung, danach alle anderen Aufgaben, einschließlich der wissenschaftlichen Weiterbildung) bei. Die zunehmende Öffnung der Hochschulen für neue Angebotsformate, Zielgruppen und Vermittlungsformen (→ digitales Lernen) bietet jedoch die Chance, dem Aufgabenfeld der W. a. H. einen adäquaten Stellenwert in gesicherten Strukturen zuzuweisen.
Literatur
Hörr, B. & Jütte, W. (Hrsg.). (2017). Weiterbildung an Hochschulen. Der Beitrag der DGWF zur Förderung wissenschaftlicher Weiterbildung. Bielefeld: wbv Publikation.
Jütte, W. & Rohs, M. (Hrsg). (2020). Handbuch Wissenschaftliche Weiterbildung. Wiesbaden: Springer VS.
Vogt, H. (2020). Weiterbildung – die vierte Aufgabe der Universität. In R. Nicolaysen E. Krause & G. B. Zimmermann (Hrsg.), 100 Jahre Universität Hamburg (Studien zur Hamburger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte in vier Bänden, Bd. 1: Allgemeine Aspekte und Entwicklungen, S. 345–371). Göttingen: Wallstein.