Profession

Wiltrud Gieseke

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-230

Während „Berufe“ allgemein als dauerhafte, standardisierte Zusammensetzung von speziellen Fähigkeiten und Kompetenzen (Arbeitsvermögen) zu verstehen sind, wird der Begriff P. insb. für akademische Berufe verwendet. Der Prozess der Entwicklung einer Berufsgruppe in Richtung einer P. wird als Professionalisierung bezeichnet.

In einer klassischen Definition nach Hartmann und Hartmann (1982) zeichnet sich eine P. durch folgende Merkmale aus: breites wissenschaftliches Grundlagenwissen, Klientenorientierung, hohe ethische Wertebildung (Ethik), gesellschaftliche Orientierung sowie berufsständische Verbandsbildung. Dazu gehört der Anspruch an den Professionsinhaber, in ungeklärten Situationen auf das Individuum orientiert handlungsfähig zu bleiben. Dies verlangt eine relative Unabhängigkeit (Autonomie) in der Berufsausübung.

Wissenschaftliches Wissen wird in einer P. zu einem Gegenstandsbereich zusammengefasst, wenn dieses gesellschaftlich von lebensrelevanter Bedeutung für alle Menschen ist und damit verbunden ethische Verpflichtungen gegenüber den Individuen bestehen, unabhängig von deren gesellschaftlichen Positionen und Fähigkeiten (z. B. Ärztin bzw. Arzt, Juristin bzw. Jurist). Dies wird seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts auch für die im Bildungsbereich Tätigen beansprucht. Entwicklungen von Professionen sind nicht ohne die Wechselwirkung zur Politik, zur Ökonomie und zu sozialen Strukturen zu denken. Aber erst auf einer theoretischen und empirischen bildungswissenschaftlichen Basis entsteht die Möglichkeit, sich interdisziplinär einzubringen und einen Austausch auf Augenhöhe zu führen.

Der schulische Bereich gilt, bedingt durch die staatlichen Regulierungen, als „semiprofessionell“. Jedoch ist hier ein pädagogisches Studium verpflichtend. Für die Erwachsenen- und Weiterbildung ist dieser Weg nicht entsprechend umgesetzt, trotz der Größe des Weiterbildungsmarkts und der Trägervielfalt der Weiterbildungsanbieter sowie der hohen Eigenverantwortlichkeit für die Teilnehmenden. Damit fehlt eine gesetzliche Regelung für eine standardisierte erwachsenenpädagogische Ausbildung als Voraussetzung für diese Tätigkeit. Dementsprechend arbeiten neben wenigen hauptberuflich Tätigen in diesem Feld insb. frei- und nebenberuflich Beschäftigte (Personal).

Ausgangspunkte von professionellen Ansprüchen in der Erwachsenenbildung sind daher die Einstellungsbedingungen der jeweiligen Weiterbildungsorganisation (Personalrekrutierung) und die dortigen Einordnungsprinzipien pädagogischer Handlungen. Bei der Einstellung von Mitarbeitenden wird i. d. R. eine ganze Bandbreite von Fächerabschlüssen berücksichtigt. Nur wenige von ihnen bringen eine erwachsenenpädagogische Qualifikation mit, sondern werden erst durch eine kurze Einführung auf ihre Aufgaben vorbereitet. Ihre jeweiligen Fähigkeiten erarbeiten sie sich durch praktische Erfahrungen in der arbeitgebenden Organisation. Die Ergebnisse dieser sozialisatorischen Wirkungen (Sozialisation) sichern einen jeweils spezifischen, organisationsbezogenen, beruflichen Habitus (Gieseke, 1989).

Ein solcher beruflicher Einstieg, der auch gegenwärtig noch überwiegt, kann unter professionellen Gesichtspunkten nur begrenzt zur Herausbildung einer erwachsenenpädagogisch geteilten Begrifflichkeit beitragen, die zur organisationsübergreifenden Wirklichkeitserfassung des erwachsenenpädagogischen Arbeitens genutzt werden kann. Hinzu kommt, dass die jeweils vorangegangene wissenschaftliche Sozialisation im Rahmen unterschiedlicher Fachstudien den Blick auf die pädagogische Wirklichkeit bestimmt.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts dominierten konstruktivistisch ausgerichtete Theorieentwicklungen (Konstruktivismus), die auf eine individuelle Steuerung der Weiterbildung fokussieren. Zudem veralltäglichte sich der Professionsbegriff, was zu seiner Entkernung führte. In der Erwachsenenbildung konnte sich dadurch ein Verständnis von Bildung als Dienstleistung, die sich stärker nach betriebswirtschaftlichen Kriterien am Markt ausrichtet, entwickeln. Neue Leistungskriterien und Standardisierungen wurden umgesetzt (Qualitätssicherung). Fragen der ethischen Verantwortlichkeit und ein kollegiales Verbundsystem wurden aber weiterhin theoretisch und empirisch bearbeitet.

Aus Forschungen, die auf die sich verändernden strukturellen Bedingungen unter Marktprämissen fokussieren, lässt sich in verschiedenen erwachsenenpädagogischen Handlungsfeldern eine verschwommene interdisziplinäre Verwobenheit ableiten. Ein deutliches erwachsenenpädagogisches Profil, welches sich sukzessive herausgebildet hat, scheint sich trotzdem zu entwickeln.

Literatur

Egetenmeyer, R. & Schüßler, I. (2012). Akademische Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/
Weiterbildung.
Baltmannsweiler: Schneider.

Gieseke, W. (1989). Habitus von Erwachsenenbildnern. Eine qualitative Studie zur beruflichen Sozialisation. Oldenburg: BIS.

Hartmann, H. & Hartmann, M. (1982). Vom Elende der Experten: Zwischen Akademisierung und Deprofessionalisierung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 34(2), 193–223.

Meuser, M. (2005). Professionelles Handeln ohne Profession? In M. Pfadenhauer (Hrsg.), Professionelles Handeln (S. 253–264). Wiesbaden: Springer VS.

Nittel, D. (2000). Von der Mission zur Profession? Stand und Perspektiven der Verberuflichung in der
Erwachsenenbildung
(Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: W. Bertelsmann.

Popularisierung
Professionalisierung