Personalrekrutierung

Annika Goeze

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-222

P. (lat. recrescere wieder nachwachsen), auch „Personalbeschaffung“ oder „Personalgewinnung“ genannt, bezeichnet den Prozess, Mitarbeitende für bestimmte Aufgaben, die eine Organisation bewältigt wissen will, zu suchen, zu identifizieren, auszuwählen und einzustellen.

Für die Erwachsenen- und Weiterbildung, insb. für ihre organisierten Angebote, ist kon­sti­tu­tiv, dass sie regelmäßig hochgradig arbeitsteilig zustande kommen, also durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Personalgruppen (Personal): Leitungspersonen (Leitung – Management), planend-disponierend tätiges Personal, Verwaltungsmitarbeitende, Kursleitende, Trainer und Beratende. Ein Unterschied zu anderen Bildungsbereichen wie der frühkindlichen oder (hoch-)schulischen Bildung liegt darin, dass in der Erwachsenen- und Weiterbildung diejenigen Mitarbeitenden, die den Kernzweck einer Weiterbildungsorganisation bzw. einer Weiterbildungsabteilung im Betrieb gewährleisten, indem sie die Lehr-Lern-Prozesse durchführen (Lehren), zumeist keine festangestellten Mitglieder der betreffenden Organisation sind. Vielmehr handelt es sich bei dieser zahlenmäßig größten Personalgruppe im Regelfall um Honorarkräfte bzw. freiberuflich Tätige; diese werden themen- oder personenbezogen, zu singulären Anlässen oder für spezifische Perioden und damit sehr häufig rekrutiert.

Die Entscheidung zur Einstellung von Personal und besonders von einer Lehrperson ist folgenreich für die Organisation: Kursleitende, Trainerinnen und Trainer und Beratende sind in ihrem Lehr- und Beratungshandeln (Beratung im Kontext lebenslangen Lernens) der Schlüsselfaktor für die (von den Teilnehmenden wahrgenommene) Weiterbildungsqualität (Qualität) und prägen die Reputation der Einrichtung. Ist eine Lehrperson jedoch erst einmal von einer Weiterbildungseinrichtung rekrutiert, verstetigen sich die Engagements häufig über Jahre.

Obwohl der P. (insb. von Lehrenden durch das planend-disponierende Personal) eine hohe Bedeutung im Arbeitsalltag zukommt, sie regelmäßig erfolgt und von den Verantwortlichen als herausfordernd wahrgenommen wird, wird sie in der Ausbildung, Praxis, Forschung und Weiterbildung bisher nur randständig behandelt. Die oben genannten Phänomene könnten auf eine besondere Sorgfalt in der Aus- und Weiterbildung des planend-disponierenden Personals hinsichtlich der P. schließen lassen. Doch weder in den universitären Curricula noch in den Fortbildungsangeboten (Fortbildung) scheint sich dies entsprechend widerzuspiegeln. Die Rekrutierung von sehr heterogen vorgebildetem, aber dennoch passendem Personal auf einem unübersichtlichen und intransparenten „Trainermarkt“ erfordert jedoch spezifische Kompetenzen und stellt, insb. angesichts gestiegener Qualitätserwartungen an Weiterbildungsangebote, eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe dar (Goeze & Schneider, 2014; Goeze, i. V.).

Die institutionelle Heterogenität in der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie der geringe Grad der Reglementierung des Berufszugangs lassen vermuten, dass im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen verstärkt institutionell-kontextspezifische und personenbezogene Einflüsse auf die Rekrutierungskriterien und die Praxis der Such-, Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse bei der Personalauswahl existieren. In einer empirischen Studie (Goeze, i. V.) zeigte sich u. a., dass Such- und Erstkontaktwege (z. B. eigene Homepage, Online-Datenbanken, Empfehlungen Dritter) personenbezogen heterogen verlaufen; für die danach folgende Beurteilung der Passung gilt jedoch mindestens ein ca. einstündiges Bewerbungsgespräch weithin als Standard über unterschiedliche Re­kru­tie­rungs­ver­ant­wort­liche und Kontexte der Erwachsenen- und Weiterbildung hinweg; es können aber auch weitere Methoden wie Simulationen oder Hospitationen bei der Auswahl zum Einsatz kommen.

In der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung (öffentliche Verantwortung) scheint sich der Personalangebotsmarkt in einen Personalnachfragemarkt gewandelt zu haben: Insb. im ländlichen Raum besteht hier für viele Einrichtungen ein Mangel an geeigneten Kursleitenden. Der pandemiebedingte Digitalisierungsschub dürfte diese Situation noch verschärft haben. Hinsichtlich der Rekrutierungskriterien zeigt sich u. a., dass einige stark vom Kontext abhängen: Während z. B. eine fehlende Spezialisierung auf ein Thema für Trainerinnen und Trainer bei Weiterbildungsanbietern auf dem freien Markt und bei Unternehmen rekrutierungsverhindernd wirkt, ruft eine thematische Bandbreite in der gemeinwohlorientierten und öffentlich geförderten Erwachsenenbildung eher rekrutierungsförderliche Reaktionen hervor. Solche Praxen können wiederum die Strategien der Auftragsakquise von Lehrenden beeinflussen (Schneider, 2019).

Literatur

Goeze, A. & Schneider, D. (2014). What creates and regulates access to the adult education profession? Research on recruiting practices. In S. Lattke & W. Jütte (Eds.), Professionalization of adult educators: International and comparative perspectives (pp. 201–213). Frankfurt a. M.: Peter Lang.

Goeze, A. (i. V.). Rekrutierungspraxen und personaldiagnostische Kompetenzen des Weiterbildungs­per­sonals.

Schneider, D. (2019). Rekrutierungserfahrungen und -strategien von KursleiterInnen und TrainerInnen. Über den Zugang in und die Zusammenarbeit mit Bildungsorganisationen (Reihe Sozialwissenschaften heute, Bd. 4). Bielefeld: wbv Publikation.

Personalentwicklung
Persönlichkeitsbildung