Moderation

Hans-Joachim Müller

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-202

M. bezeichnet eine Methode der Leitung von Kommunikationsprozessen (Interaktion – Kommunikation) in Gruppen durch eine Moderatorin oder einen Moderator. Als Kombination aus Visualisierungs- und Planungstechniken sowie Gruppendynamik zielt M. auf die Aktivierung der Leistungspotenziale von Gruppen. In Planungs-, Entscheidungs-, Problemlösungs- und Lernprozessen ermöglicht M., die Teilnehmerbeiträge (z. B. Themen, Fragen, Wissen, Erfahrungen, Stimmungen, Urteile) themenbezogen zu sammeln, anschaulich zu dokumentieren, transparent zu strukturieren und zielbezogen weiterzuverarbeiten. Dies geschieht auf konzeptioneller Ebene mithilfe steuernder Prinzipien, auf operativer Ebene durch ein formales Instrumentarium aus Materialien, Regeln und Techniken (Dauscher, 2006).

Auf der konzeptionellen Ebene belässt die Moderatorin oder der Moderator die zu bearbeitenden Probleme in der Zuständigkeit der Teilnehmenden und bietet ihnen die Möglichkeit zur selbstgesteuerten Problembearbeitung (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen). Statt passiv Informationen zu empfangen, übernehmen die Teilnehmenden selbst die Verantwortung für die Themenwahl, klären in direkter und offener Kommunikation die damit einhergehenden Probleme und wählen die bevorzugten Lösungsansätze. Vier Moderationsprinzipien sichern die Autonomie der Teilnehmenden:

  1. Transparenz: Den Teilnehmenden wird ein optischer Überblick über den Verlauf und die wichtigsten Ergebnisse der Themenbearbeitung geboten. Dazu dienen Strategien der Visualisierung (prozesssynchrone, optische Dokumentation), des Zugänglich-­Machens der emotionalen Aspekte des Themas (z. B. Beziehungsebene einbeziehen) sowie der Strukturierung (z. B. Zusammengehörendes verdichten und/oder in gleichen Farben visualisieren).
  2. Aktive Beteiligung: Die Teilnehmenden können ihre eigenen Ideen, Erfahrungen und Erlebnisse einbringen. Sie übernehmen den überwiegenden Anteil der Aktivität sowie –
    als die eigentlichen Expertinnen und Experten – die inhaltliche Verantwortung für ihre Lern- oder Problemlösungsprozesse; sie werden von Betroffenen zu Beteiligten.
  3. Wertschätzung: Teilnehmerautonomie erfordert im Umgang miteinander eine Kultur der sozialen Gleichwertigkeit und gegenseitigen Wertschätzung. So werden innere Zensuren, Unsicherheiten und Versagensängste abgebaut und die Teilnehmenden ermutigt, die angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten und Aktivierungsanlässe zu nutzen.
  4. Formale Fragen: Die Formulierung formaler Fragen soll v. a. die Übernahme der Selbstverantwortung beim Miteinander-Lernen und -Arbeiten ermöglichen. Die Moderatorin bzw. der Moderator bleibt hierdurch inhaltlich neutral, d. h. er initiiert und steuert die Prozesse eher subtil.

Auf operativer Ebene kommen bei der M. verschiedene Visualisierungsmittel, Regeln und Techniken zum Einsatz, die es ermöglichen, themen- bzw. problembezogenes Wissen und die Einschätzungen der Teilnehmenden zu sammeln und zu einem transparenten und aussagefähigen Gesamtbild zusammenzufügen. Wichtige Visualisierungsmittel sind Pinnwände, Plakate, Flipcharts, Filzstifte, Selbstklebepunkte sowie Karten verschiedener Größe, Farben und Formen. Wichtige Regeln sind z. B. „alle Aussagen visualisieren“, „emotionale und sachliche Aspekte getrennt erfassen“ und „alle Visualisierungen bleiben sichtbar“. Als Techniken werden formale Visualisierungs-, Präsentations-, Cluster- und Abfragemethoden eingesetzt. Deren Kombination zum „Rad der Moderation“ (Seifert, 2018) ermöglicht, ungelöste Fragen und komplexe Probleme zu analysieren und schrittweise lösungsorientiert zu fokussieren. Eine wechselweise Differenzierung und Entdifferenzierung der Sachzusammenhänge steuern und stabilisieren dabei einen Prozess der Suche, Identifikation und sukzessiven Konkretisierung neuer Erkenntnisse und weiterführender Lösungen.

Anfang der 1970er Jahre entwickelte das Quickborner Beratungsteam die Methode der M. als universell-funktionsfähige Strategie zur Problembearbeitung, um den Teams in der Wirtschaft fruchtbare und gleichberechtigte Formen der Zusammenarbeit und des Mitentscheidens zu bieten. Grundlegend waren wissenschaftliche Studien zu den oft verdeckt wirksamen Mechanismen menschlicher Kommunikation. Dazu zählten die Hawthorne-Studien von Elton Mayo in den 1930er Jahren sowie die daraus abgeleiteten Thesen zur Erklärung von Gruppenprozessen von George C. Homans zu Beginn der 1950er Jahre, Kurt Levins Feldstudien in den 1940er Jahren, Peter R. Hoffstätters Laborexperimente in den 1950er Jahren sowie das von Paul Watzlawick (und Mitarbeitenden) entwickelte Modell zur Erklärung komplexer dialogischer Kommunikationssituationen in den 1960er Jahren. Diese Erkenntnisse zu den Bedingungen, unter denen Menschen in Gruppen sich wohlfühlen, motiviert sind und ihre individuelle Leistungsfähigkeit zeigen können, transferierte Tobias Brocher ebenso in den 1960er Jahren in erwachsenen­pä­da­go­gi­sche Lernarrangements.

Nicht nur die Didaktik der Erwachsenenbildung wurde durch die Methode der M. tiefgreifend verändert. Die heute auf allen Stufen des Bildungswesens und in der Arbeitsweilt praktizierten Formen des Führens (Leitung – Management) und des selbstorganisierten Lernens und Arbeitens basieren auf den Prinzipien der M., die Fremdsteuerung so zu dosieren, dass Selbststeuerung und Selbstlernen ermöglicht wird.

Literatur

Dauscher, U. (2006). Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt (Reihe Grundlagen der Weiterbildung, 3., überarb. u. erw. Aufl.). Augsburg: Ziel.

Metaplan. (Hrsg.). (1994). Fibel zur Metaplantechnik. Wie man mit der Metaplantechnik Gruppengespräche moderiert. Quickborn: Metaplan.

Seifert, J. W. (2018). Visualisieren, Präsentieren, Moderieren (40. Aufl.). Offenbach: Gabal.

Modellversuche – Projekte
Modernisierung