Lernen am Arbeitsplatz

Peter Dehnbostel

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-180

Das L. a. A. ist die älteste und verbreitetste Form der beruflichen Qualifizierung. Es ist ein Lernen, das unmittelbar am Arbeitspatz stattfindet und das sich auf den Arbeitsgegenstand sowie die damit verbundenen Arbeitsprozesse und Wissensbestände bezieht. L. a. A. ist mit einer Vielfalt an Bedeutungen verbunden, die in Begriffen wie „arbeits­integriertes Lernen“, „Lernen im Prozess der Arbeit“ und „Lernort Arbeitsplatz“ zum Ausdruck kommen. L. a. A. ist begrifflich als arbeitsplatzgebundenes Lernen zu fassen, bei dem Lernort und Arbeitsort (Arbeit) identisch sind. Es beschreibt mithin den örtlichen und arbeitsaufgabenbezogenen Bereich des Lernens.

L. a. A. wird historisch in der Beistelllehre des mittelalterlichen Zunfthandwerks durch das sog. Imitatio-Prinzip verkörpert. Gelernt wurde durch Zusehen, Mitmachen, Helfen und Probieren und v. a. durch Nachmachen des Beobachteten. Unter neuzeitlichen berufsqualifizierenden und erwachsenenpädagogischen Gesichtspunkten wird L. a. A. erstmals mit der Entwicklung des Bildungswesens im 18. Jh. betrachtet. In der entwickelten Industriegesellschaft mit ihren tayloristischen, auf Arbeitsteilung beruhenden Arbeitsstrukturen und monoton-repetitiven Arbeitstätigkeiten verlor das L. a. A. jedoch wieder an Bedeutung. Der Arbeitsplatz konnte angesichts abnehmender Lernpotenziale und Lerngelegenheiten in durchgeplanten industriellen Arbeitsprozessen kaum mehr als Lernort dienen.

Mit der Restrukturierung von Organisationen und der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien seit den 1970er Jahren befindet sich das L. a. A. in einem grundlegenden Wandel, der Ziele, Inhalte, Formen und Methoden des Lernens gleichermaßen erfasst. L. a. A. findet zunehmend selbstgesteuert (Selbstorganisation –
Selbststeuerung – Selbstlernen
) und prozessorientiert im Sinne lebensbegleitenden Lernens (lifelong learning) statt. Die wachsende Pluralität betrieblicher Lernorte und die Entgrenzung des betrieblichen Lernens im Zuge der digitalen Transformation der Arbeit lassen die Bedeutung vom L. a. A. steigen und führen zu differenzierten Lernformen am Arbeitsplatz. L. a. A. erweist sich zunehmend als Kern der betrieblichen Kompetenzentwicklung (Kompetenz), die gleichermaßen die Fach-, Sozial-, Methoden- und Personalkompetenz stärkt und die betriebliche Weiterbildung neu gestaltet.

Mit dem Wandel der Arbeit und den gestiegenen Kompetenzanforderungen im Rahmen restrukturierter und digitalisierter Arbeit hat das L. a. A. für alle Beschäftigten an Bedeutung gewonnen. Gewachsene Lernpotenziale und Lerngelegenheiten in der Arbeit machen das Lernen auch für diejenigen attraktiv, die aufgrund einschlägiger Erfahrungen mit fremdbestimmtem und erzwungenem Lernen Lernwiderstände und Lernverweigerungen zeigen. Idealiter gesehen, schafft L. a. A. Lernmotivation, bringt Sinn und Einsicht, bezieht Erfahrungen und subjektive Dispositionen ein und ermöglicht Ent­wick­lungs- und Laufbahnwege. Realiter gilt aber auch für eine zunehmend ganzheitliche und lernhaltige Arbeit, dass L. a. A. durchaus zufällig und beliebig sein kann, dass es betriebswirtschaftlichen Zielen unterliegt, zweckbestimmt ist und häufig durch Arbeitsverdichtung und Stress erschwert wird.

Hier setzen betriebliche Personalentwicklung und Bildungsarbeit an. Durch die Arbeit wird ein Rahmen für Reflexion geschaffen, der das L. a. A. fordert und fördert. Dazu zählen insb. eine lern- und kompetenzförderliche Arbeitsgestaltung, die Schaffung von Lernorganisationsformen und die Einbeziehung von betrieblichen Lernkonzepten. Bei der lern- und kompetenzförderlichen Arbeitsgestaltung sind Kriterien – von der vollständigen Handlung über die soziale Unterstützung bis zur Reflexivität – entwickelt worden, die das L. a. A. fördern. Arbeiten und Lernen verbindende Lernorganisationsformen inmitten der Arbeit wie Lerninseln und Online-Communities vereinen informelles und organisiertes Lernen (formale – non-formale – informelle Bildung). Betriebliche Lernkonzepte wie situiertes, organisationales, erfahrungsgeleitetes, selbstgesteuertes Lernen und E-Learning (digitales Lernen) finden zunehmend Berücksichtigung, um dem L. a. A. Ziel und Richtung zu geben.

Literatur

Dehnbostel, P. (2007). Lernen im Prozess der Arbeit (Studienreihe Bildungs- und Wissenschaftsmanagement, Bd. 7). Münster: Waxmann.

Dehnbostel, P. (2019). Lernort Arbeitsplatz – Metalernort und hybrider Lernraum. In R. Arnold, M. Rohs & M. Schiefner-Rohs (Hrsg.), Von der Lernortkooperation zur entgrenzten Berufsbildung (S. 59–70). Baltmannsweiler: Schneider.

Molzberger, G. (Hrsg.). (2018). Betriebliche Kompetenzentwicklung in heterogenen Lernkonstellationen gestalten. Erfahrungen und Erkenntnisse zu den Möglichkeiten arbeitsintegrierter betrieblicher Weiterbildung. Münster: Waxmann.

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