Leitung – Management

Dörthe Herbrechter

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-178

In modernen Gesellschaften stellen Organisationen eine zentrale Vergesellschaftungsform dar, denn nahezu alle Bereiche der heutigen Lebensführung (z. B. Finanzen, Gesundheit, Sicherheit, Erziehung und Bildung) sind in Organisationen eingefasst – Organisationen, die von Führungspersonen geleitet und gemanagt werden. Obwohl die Aufgaben L. und M. bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh. (im Zuge des Entstehens von Großbetrieben in den sog. Gründerjahren) an Bedeutung gewinnen, beschäftigen sich die Erziehungswissenschaft wie auch die Erwachsenen- und Weiterbildung erst seit den 1990er Jahren intensiver mit diesem Thema.

In der Erwachsenen- und Weiterbildung findet häufig der Begriff L. Verwendung (z. B. Einrichtungsleitung, Leitungskräfte, Fachbereichsleitung), obgleich damit durchaus Aufgaben und Tätigkeiten eingeschlossen sind, die in der Organisationsforschung mit den Begriffen „Führung“ und M. beschrieben werden.

Nach wie vor werden diese drei Begriffe – auch in der interdisziplinären Organisationsforschung – unterschiedlich, z. T. synonym verwendet. Im Sinne eines Minimalkonsenses lässt sich aber als analytische Unterscheidung Folgendes festhalten:

  • Der Begriff L. bezieht sich v. a. auf die Erfüllung derivativer Aufgaben, die sich aus in formalen Führungsgremien der Organisation getroffenen strategisch-originären Entscheidungen ableiten. Die L. trägt im alltäglichen Organisationablauf also dafür Sorge, dass die formal definierten Ziele, Grundsätze und Entscheidungen Umsetzung finden.
  • Der Begriff „Führung“ ist demgegenüber breiter gefasst. Er beinhaltet zum einen alle Führungsorgane einer Einrichtung (z. B. Vorstand, Beirat, Verwaltungsrat, Mitgliederversammlung) und die von ihnen gewählten Instrumente und Strategien, eingegangenen Kooperationen, definierten Grundsätze, Leitlinien und entwickelten Visionen für die Ausgestaltung und Koordination der gesamten Organisation. Zum anderen umfasst er die Personalführung, verstanden als gezielte, kommunikative Einflussnahme auf andere Organisationsmitglieder in direkten Interaktionsbeziehungen (Interaktion – Kommunikation).
  • Der Begriff M. bezieht sich auf die verschiedenen einrichtungsinternen Hierarchieebenen – für gewöhnlich Lower-M., Middle-M. und Top-M., wobei Letzteres der Organisationsführung entspricht. Zudem beschreibt er die Steuerung der strukturellen Sachprozesse, die in der klassischen Organisationslehre nach Henri Fayol durch folgende Funktionen konkretisiert wird: Vorschau und Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle. In diesem Sinne lässt sich M. auch als „Führung auf Distanz“ verstehen, weil es nicht über direkte Kommunikation vollzogen, sondern indirekt über Strukturen, Techniken und Programme wirksam wird. Im Sinne Neubergers (2002, S. 49, Hvh. i. O.) lässt sich die Differenz zwischen M. und Führung folgendermaßen auf den Punkt bringen: „Man managt einen Geschäftsprozess oder eine divisionale Organisation, aber man führt Menschen oder Gruppen.“

Auch wenn sich das Spektrum an empirischen und konzeptionellen Beiträgen der organisationsbezogenen Weiterbildungsforschung in den vergangenen Jahren erkennbar erweitert hat, überwiegen neben einführenden Überblicksdarstellungen und anwendungsbezogenen Beiträgen zum Thema L. und M. nach wie vor Forschungsarbeiten, die entweder spezifische Teilaufgaben von L. und M. (z. B. Personalrekrutierung, Freiwilligenmanagement, Marketing) erforschen oder grundlegend Typen, Aufgaben sowie Herausforderungen von L. und M. in den Mittelpunkt rücken. Demgegenüber haben Fragen der Führung insb. mit Blick auf eine gelingende, organisationsinterne Zusammenarbeit der verschiedenen Personalgruppen im Kontext der Erwachsenen- und Weiterbildung bislang noch vergleichsweise wenig Beachtung erfahren (Herbrechter, 2018; Walter, 2002).

Literatur

Herbrechter, D. (2018). Organisation und Führung in institutionellen Kontexten der Weiterbildung (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 40). Bielefeld: wbv Publikation.

Neuberger, O. (2002). Führen und führen lassen: Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung (6., völlig neu bearb. u. erw. Aufl., utb 2234). Stuttgart: Lucius & Lucius.

Walter, B. (2002). Führen und leiten in der Erwachsenenbildung als pädagogisches Handeln – Eine empirische und historisch-systematische Untersuchung (Diss.). Münster: Westfälische Wilhelms-Universität.

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