Kreativität

Richard Stang

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-166

Der Begriff K. geht auf das lateinische Wort creare (schaffen, schöpfen) zurück. Als K. wird die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe bezeichnet, Dinge oder die Umwelt zu gestalten, innovative Ideen (Innovation) hervorzubringen oder Problemstellungen auf neuartige Weise zu bewältigen. Letztendlich handelt es sich um eine Neuformierung von Informationen, die sich durch Originalität auszeichnet, wobei das Neue immer in Relation zu den Herausforderungen und der Umwelt zu sehen ist. K. ist das schöpferische Vermögen bei diesem Prozess. Ihre systematische Entwicklung fördert die individuelle Persönlichkeitsbildung und ermöglicht Individuen die Mitgestaltung der Gesellschaft. Insb. bezogen auf die Bewältigung gesellschaftlicher Transformationsprozesse wird immer wieder von der Notwendigkeit „kreativer Lösungen“ gesprochen. So ist K. zugleich zu einer Chiffre für gesellschaftliche und ökonomische Zukunftsfähigkeit geworden.

Neben der Psychologie und der Hirnforschung beschäftigen sich die Philosophie und die Pädagogik mit dem Konstrukt der K. Im Zusammenhang mit der Diskussion über K. als Schlüsselqualifikation ist sie auch Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften. Im Diskurs über Künstliche Intelligenz wird das Thema K. und Maschine zudem von den Informations- und Computerwissenschaften kritisch reflektiert. Lange wurde K. nur auf Individuen bezogen betrachtet; in den letzten Jahren rücken jedoch auch Dimensionen kreativer Teamarbeit u. a. durch die Entwicklung sozialer Netzwerke stärker in den Blick.

Es gibt unterschiedliche theoretische Konzepte, um die Entwicklung von K. zu beschreiben. Eines ist die Einteilung der Bedingungen für K. nach den Four P‘s of Creativity (James M. Rhodes): person (Person), process (Prozess), product (Produkt), press (Umwelt). Anhand des Zusammenspiels der kognitiven und handwerklichen Fähigkeiten des Menschen, der Phasen der Gestaltung, des greifbaren Ergebnisses des Prozesses sowie des Einflusses des Umfelds, für das das neue Produkt notwendigerweise geschaffen wird, kann K. wahrgenommen, erklärt und beurteilt werden. Der kreative Prozess wird häufig in vier Phasen unterteilt: Erkennen von Problemen (Identifikation), Sammlung von Informationen (Vorbereitung), Entwicklung oder Gestaltung (Generierung), Analyse und kritische Bewertung des Ergebnisses (Evaluation).

Das Thema K. wurde lange Zeit v. a. im Kontext des künstlerischen Arbeitens verortet. Die Kreativitätsforschung geht allerdings davon aus, dass alle Menschen kreativ sein können. Die Ausprägung hängt u. a. von der Biografie ab. Für kreatives Vermögen spielen folgende Faktoren eine Rolle: Empathiefähigkeit (Sensitivität), Einfalls- und Denkflüssigkeit (Fluktualität), Ideenreichtum (Flexibilität), unkonventionelle Ideen (Originalität), Vielschichtigkeit von Überlegungen (Komplexitätspräferenz), Unterscheidung guter und­ schlechter Ideen (Elaborationsfähigkeit) und Aushalten von Widersprüchen (Ambiguitätstoleranz). Weitere wichtige Aspekte für die Entwicklung von K. sind Motivation und Emotion.

Für pädagogische Prozesse ist von Relevanz, wie die kreativen Potenziale der Lernenden bzw. Teilnehmenden zur Entfaltung gebracht werden können. Dabei spielen zum einen die Lehrenden eine wichtige Rolle, denen die Aufgabe zukommt, eine offene Atmosphäre zu gestalten, die selbstständiges Lernen im Austausch mit anderen Lernenden ermöglicht und auch Kritik zulässt. Zum anderen ist eine anregungsreiche Umgebung hilfreich, sodass die Lernenden auch über das Raumsetting inspiriert werden (z. B. ist für künstlerisches Arbeiten die Umgebung eines Ateliers anregender als die eines klassischen Seminarraums).

In der Erwachsenen- und Weiterbildung finden sich v. a. im Bereich der ästhetisch-kulturellen Bildung Angebote zur Förderung von K., aber auch in der politischen Bildung (z. B. Schreibwerkstätten) und der Gesundheitsbildung (z. B. Tanz). Zudem werden solche Angebote in der Berufsbildung konzipiert, z. B. wenn die Methode des Design Thinking eingesetzt wird.

Literatur

Beyes, T. & Metelmann, J. (Hrsg.). (2018). Der Kreativitätskomplex: Ein Vademecum der Gegenwartsgesellschaft. Bielefeld: transcript.

Csikszentmihalyi, M. (2010 [1997]). Kreativität: Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden (8. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta.

Reckwitz, A. (2012). Die Erfindung der Kreativität: Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung. Berlin: Suhrkamp.

Runco, M. A. & Pritzker, S. (2020). Encyclopedia of creativity (3rd ed.). Oxford (GB): Oxford Academic Press.

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