Hochschuldidaktik

Stefanie Hartz & Sabine Marx

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-132

Die H. adressiert theoretische und praktische Fragen des Lehrens und Lernens in Hochschulen. Im Rahmen der H. werden die Mikroebene mit der organisationalen und auch der politisch-gesellschaftlichen Ebene verbunden und die Möglichkeiten und Grenzen der Lehr-Lern-Entwicklung, der Studiengangs- und der Organisationsentwicklung mit Blick auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen reflektiert (Huber, 1983; Schaper, 2014). Für die Gestaltung von Lehr-Lern-Interaktionen schließt die H. an Theorien der Allgemeinen Didaktik (Didaktik – Methodik) sowie an die erziehungswissenschaftliche, neurologisch und psychologisch orientierte Lehr-Lern-Forschung an. Für die Organisations- und Systemebene referiert die H. auf soziologische und organisationstheoretische Diskurse. Darüber hinaus finden sich in der H. verschiedene Ausdifferenzierungen im Anschluss an spezifische Fachdisziplinen, z. B. die Medizin-, Mathematik- oder Ingenieurdidaktik (Wildt, 2013). Die H. ist damit interdisziplinär im Schnittfeld von Lehr-Lern-Forschung, Fachdidaktik (Fachbereich – Fachdidaktik), Hochschulforschung, Organisationsforschung und Wissenschaftsforschung angesiedelt.

Der Begriff H. ist kritisch zu sehen: Er suggeriert eine Engführung, die eine Profilierung der H. zur Konturierung eines eigenständigen Fachgebiets für die Vermittlung von Wissen und Wissenschaft im Rahmen universitärer Bildung (Weiterbildung an Hochschulen; wissenschaftliche Weiterbildung) erschwert. Andere Begriffe, die den Gegenstandsbereich treffender beschreiben könnten, z. B. „Hochschulbildung“, „Hochschulentwicklung“ oder „Hochschulpädagogik“, konnten sich bislang nicht durchsetzen.

Im frühen 19. Jh. lässt sich bei der „Hodogetik“ (Huber, 1983) eine konzeptionelle Nähe zur heutigen H. feststellen, später ebenso in der Hochschulpädagogik, wie sie sich am Ende des 19. Jh. herausbildete. Kennzeichnend für die neuere H. sind Bezüge zu Wilhelm von Humboldts Idee einer Einheit von Forschung und Lehre (ebd).

Nach dem historischen Bruch durch den Faschismus stand die Neudefinition von „Universität“ zunächst eher unter dem Einfluss der Reeducation bzw. Erziehung zur Demokratie (Wildt, 2013): Die neuere H. findet ihren Ursprung in den 1960er und 1970er Jahren im Kontext (inter-)nationaler Hochschulreformbestrebungen (Bildungsreformen), einer Kritik an dozentenzentrierter Lehre bei gleichzeitig stark steigenden Studierendenzahlen und einer folglich zunehmenden Heterogenität der Studierendenschaft. Studierende wie Lehrende artikulierten Reformwillen, brachten neue Themen ein und setzten auf interaktive Formate. Hochschuldidaktische Zentren entstanden, zuerst an der TU Berlin (1969), kurz darauf in Hamburg (1970); eine Blütezeit der H. setzte ein. In den 1990er Jahren verschwanden viele dieser Aktivitäten wieder. Wenig Beachtung fand die Geschichte der Hochschulpädagogik in der DDR, die nach der Wende de facto abgewickelt wurde (ebd.).

Neuen Aufwind erfuhr die H. durch mehrere parallele Entwicklungen: (1) So wurden und werden hochschuldidaktische Angebote durch die bundesweite Verständigung auf Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung (Zertifikate – Abschlüsse), koordiniert durch die Arbeitsgemeinschaft für H. (heute: Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik), strukturiert, curricularisiert und zertifiziert (ebd.). (2) Zudem wurden infolge der Reformen des Bologna-Prozesses die Forderung nach einer kompetenzorientierten Lehre nach dem Prinzip shift from teaching to learning sowie die Bedeutung der internationalen Vernetzung (ebd.) unterstrichen. Zentrale, weltweit agierende Dachorganisation ist das International Consortium of Educational Development (ICED). (3) Flankiert wurde diese Forderung durch das Bund-Länder-Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre sowie die 2020 gegründete Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

Dies hat die H. und ihr Wirken in zweierlei Hinsichten profiliert: Als praktische Disziplin der Gestaltung und Optimierung von Studienbedingungen mit der Bereitstellung entsprechender Dienstleistungen haben sich hochschuldidaktische Arbeitsbereiche in den Hochschulen etabliert (ebd.). Als forschende Disziplin reflektieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven Akzeptanz und Wirkungen dieser Dienstleistungen. Dabei ist das Forschungsspektrum (Forschung) durch die Integration unterschiedlicher Ebenen und verschiedener Elemente der grundlagen- und anwendungsorientierten, quantitativen und qualitativen Wirk- und Evaluationsforschung breit aufgestellt (Schaper, 2014). Die aktuelle Herausforderung der hochschuldidaktischen Forschung ist es, stärker evidenzbasierte, differenzierte Forschungsdesigns zu etablieren, die zugleich das Ableiten von Handlungsempfehlungen auf der Basis von Kausalanalysen erlauben (Hartz et al., 2022).

Literatur

Hartz, S., Aust, K., Gottfried, L. M. & Kurtz, C. (2022). Kompetenzentwicklung und Lerntransfer bei Hochschullehrenden. Eine empirische Studie mit Erhebungs- und Auswertungsinstrumenten. Wiesbaden: Springer VS.

Huber, L. (1983). Hochschuldidaktik als Theorie der Bildung und Ausbildung. In L. Huber (Hrsg.), Enzyklo­pädie Erziehungswissenschaft. Ausbildung und Sozialisation in der Hochschule (Bd. 10, S. 114–138.). Stuttgart: Klett-Cotta.

Schaper, N. (2014). Forschung in der Hochschulbildung. In J. Kohler, P. Pohlenz & U. Schmidt (Hrsg.), Handbuch für Qualität in Studium und Lehre (Griffmarke D 2.4-1). Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus.

Wildt, J. (2013). Entwicklung und Potentiale der Hochschuldidaktik. In M. Heiner & J. Wildt (Hrsg.), Professionalisierung der Lehre. Perspektiven formeller und informeller Entwicklung von Lehrkompetenz im Kontext der Hochschulbildung (Reihe Blickpunkt Hochschuldidaktik, Bd. 123, S. 27–57). Bielefeld: wbv Publikation.

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