Familienbildung

Carola Iller

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-097

Die F. umfasst alle Bildungsprozesse von (angehenden) Familienmitgliedern im Hinblick auf ein gelingendes Familienleben. In einem weiten Verständnis reicht F. von Bildungsangeboten zur Ehevorbereitung über Geburtsvorbereitungskurse und Beratung zur Säuglingspflege bis zu Angeboten zur intergenerationellen Bildung mit Großeltern oder zum Zusammenleben mit hochaltrigen Familienangehörigen. In einem engen Verständnis umfasst F. die Bildung für Eltern und Kinder in den ersten Lebensjahren. Da sich viele Bildungsangebote an Eltern (auch Stief- oder Pflegeeltern) richten, wird z. T. auch zwischen „Elternbildung“ und F. in einem engeren Sinne unterschieden. F. bezeichnet dann nur jene Bildung, in der Eltern und Kinder gemeinsam beteiligt sind.

F. kann in erster Linie als familienbezogene Erwachsenenbildung verstanden werden; zugleich sind Bezüge zur Pädagogik der Kindheit wie auch zu einer – bislang noch wenig ausgearbeiteten – Familienpädagogik relevant. Die verschiedenen disziplinären Zugänge sind auch in der Institutionalisierung der F. erkennbar; neben Einrichtungen der Erwachsenenbildung und speziellen Familienbildungsstätten lassen sich auch Bildungsangebote für Familien im Rahmen sozialpädagogischer Familienhilfe oder der Elternarbeit in Kita und Schule finden. Einrichtungen der F. bieten eine große Vielfalt an Kursen, Elterntreffs und auch Hausbesuchsprogrammen an (Juncke et al., 2021, S. 5) und werden meist in Trägerschaft von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden gehalten. Weitere Angebote werden von Selbsthilfeorganisationen und z. T. ehrenamtlichem Engagement (Ehrenamt) erbracht (ebd., S. 75). Aus der Perspektive der Eltern sind für sie zudem informelle Bildungsprozesse durch Medien (wie Elternbriefe, Zeitschriften, Internetportale) sowie Beratungen durch andere Eltern oder pädagogische Fachkräfte relevant.

Historisch hat sich die F. an der Schnittstelle zwischen Erwachsenenbildung und Gemeinwesenarbeit bzw. Sozialer Arbeit entwickelt. Dies kommt auch in einer doppelten rechtlichen Verankerung der F. in den Weiterbildungsgesetzen der Bundesländer (Recht der Weiterbildung) und dem Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) zum Ausdruck. Inhaltlich führt dies jedoch auch zu Spannungen: Einerseits wird F. für familien- und sozialpolitische Ziele in den Dienst genommen und soll Eltern in ihren Erziehungsaufgaben unterstützen, damit sie Kinder auf die Leistungsanforderungen in der Schule und die spätere Rolle als Arbeitskräfte vorbereiten. Andererseits werden erwachsenenpädagogische Konzepte verfolgt, die Eltern als lernende und sich bildende Subjekte ansehen, biografisches Lernen in der Elternrolle ermöglichen oder intergenerationelle Bildung zwischen Familienmitgliedern fördern.

Über die Inanspruchnahme von F. liegen trägerübergreifende Daten aus einer Länderstudie (Bayern) vor: Hier nehmen 80 Prozent der Eltern mindestens einmalig, häufig auch mehrmals an F. teil. Des Weiteren kommt eine bundesweite, trägerübergreifende Befragung von Einrichtungen zu dem Ergebnis, dass die F. eine hohe Reichweite hat: Im Jahr 2019 nahmen 1,6 Mio. Personen teil (ebd., S. 52), was einem Anteil von 14 Prozent aller Familien (mit im Haushalt lebenden Kindern aller Altersgruppen) entspricht. Die Angebote werden mehrheitlich von Müttern in Anspruch genommen; hinsichtlich der sozial-strukturellen Zusammensetzung überwiegen Teilnehmende mit niedrigem und mittlerem sozialen Status (ebd., S. 56).

Insgesamt fehlt ein institutionenübergreifendes Verständnis von F. sowohl bei den Anbietern als auch beim Personal. Zudem besteht keine spezifische Ausbildung für die Tätigkeit in der F., vielmehr qualifizieren sich Kursleitende häufig in trägerspezifischen Weiterbildungen. Besondere Bedeutung wird seit einigen Jahren der Vernetzung der F. mit anderen sozialen und Bildungsinstitutionen beigemessen (Netzwerke – Kooperationen). F. soll so einen Beitrag dazu leisten, dass die Familie als Lernort von Anfang an die Bildungsverläufe von Kindern unterstützt (Lebenslauf). Der Auftrag der Elternbildung wird dabei auf eine Prävention verengt, deren öffentliche Förderung sich vorzugsweise auf bedürftige Eltern konzentrieren soll.

Literatur

Iller, C. (2010). Familienbildung. In C. Zeuner (Hrsg.), Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online (EEO), Fachgebiet Erwachsenenbildung (Kapitel Anbieter von Erwachsenenbildung: Einrichtung und Organisation). Weinheim: Beltz.

Juncke, D., Lehmann, K., Nicomedus, J., Stoll, E. & Weuthen, U. (2021). Familienbildung und Familienberatung in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Im Auftrag des Bundesministeriums. Düsseldorf: Prognos.

Schiersmann, C., Thiel, H.-U., Fuchs, K. & Pfizenmaier, E. (1998). Innovationen in Einrichtungen der Familienbildung: Eine bundesweite empirische Institutionenanalyse. Opladen: Leske + Budrich.

Wittpoth, J. (2007). Familie und Weiterbildung. In J. Ecarius (Hrsg.), Handbuch Familie (S. 342–365). Wiesbaden: Springer VS.

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