Fachbereich – Fachdidaktik

Sigrid Nolda

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-095

Erwachsenenbildung, von außen als Fach der Pädagogik bzw. der Erziehungswissenschaft wahrnehmbar, ist intern mit dem Phänomen der Fachlichkeit auf unterschiedlichen Ebenen konfrontiert. Dafür stehen v. a. die Begriffe Fb. und Fd.

Fachbereiche stellen in Institutionen wie der Volkshochschule (vhs) eine Form der Einteilung des Angebots und eine Gliederung der Organisation dar. Die Angebotsgliederung dient Adressatinnen und Adressaten zur Orientierung und der Organisation zur Klarheit von Zuständigkeiten. In Statistiken wird die Einteilung zur Feststellung von Verteilungen und Entwicklungen des Angebots genutzt. In den 1970er Jahren hat die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (heute: Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) die Einteilung des Angebots der vhs in die Bereiche Sozialwissenschaften, Erziehungs- und Geisteswissenschaften, Sprachen, Wirtschaft und Kaufmännische Praxis, Mathematik – Naturwissenschaften – Technik, Kreatives Gestalten und Freizeitaktivitäten sowie Gesundheit – Gymnastik – Körperpflege – Haushaltsführung vorgeschlagen. Dieser weitgehend an akademischen Disziplinen orientierten Vorgabe wurde größtenteils gefolgt; allgemeine Entwicklungen sowie lokale und temporäre Besonderheiten haben zu Erweiterungen und einrichtungsbezogenen Differenzierungen geführt. Die mittlerweile in der vhs-Statistik verwendete Einteilung in Politik – Gesellschaft – Umwelt, Kultur – Gestalten, Gesundheit, Sprachen, Qualifikationen für das Arbeitsleben – IT – Organisation/Management, Schulabschlüsse – Studienzugang und -begleitung sowie Grundbildung zeigt eine stärkere Orientierung an individuell und gesellschaftlich relevanten Themen, die sie auch mit dem Angebot der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und der konfessionellen Erwachsenenbildung – bedingt – vergleichbar macht. Bei beiden Einteilungen handelt es sich um Kompromisslösungen, die zum einen Bereiche der Lebenswelt, zum anderen Bereiche der Qualifizierung (Qualifikation) umfassen.

Die vom Begriff Fb. nahegelegte Orientierung an schulischen Unterrichtsgegenständen (Unterricht) oder an hochschulischen Wissenschaftsgebieten steht in Konkurrenz zur Orientierung der Erwachsenenbildung an erwachsenen Lernenden, an speziellen Zielgruppen (Zielgruppenorientierung) und an ihren Lebenssituationen (Lebenswelt). Auch aus diesen Gründen werden mittlerweile vermehrt Bezeichnungen wie „Programm-“, „Angebots-“ und „Themenbereich“ benutzt. Das Vordringen betriebswirtschaftlichen Denkens in die Erwachsenenbildung (Wirtschaftlichkeit) hat zudem dazu beigetragen, die Relevanz des (schulisch oder universitär geprägten) Fachlichen gegenüber der davon weitgehend unabhängigen Aufgabe des Managements (Bildungsmanagement; Leitung – Management) zu verringern. Eine generelle Kritik an der Einteilung von Bildungseinrichtungen in Fachbereiche richtet sich gegen die damit verbundene Erschwerung von Vernetzungen und projektorientierten Vorhaben. Wenn trotzdem an Fachgruppen berücksichtigenden Einteilungen und an der Relevanz fachlicher Kompetenz festgehalten wird, so ist dies auch Ausdruck der gesellschaftlichen Bedeutung, die fachlichen Kenntnissen und fachwissenschaftlicher Ausbildung beigemessen wird und die ihre Vertreterinnen und Vertreter als Trägerinnen und Träger legitimierten Wissens erscheinen lässt.

Ähnlich wie in der Schule geht es aber nicht nur um das Fachwissen der Unterrichtenden, sondern auch um fachdidaktische Kenntnisse. In der Erwachsenenbildung soll auf diese Weise gesichert werden, dass qualitätsvoll unterrichtet, aber auch ein den jeweiligen Fächern angemessenes Programm erstellt wird, entsprechend vorgebildete Kursleitende beschäftigt und qualifizierte Beratungen angeboten werden (Beratung im Kontext lebenslangen Lernens). Generell hat eine Fd. die Aufgabe, eine adressatengerechte Auswahl geeigneter Lehr-Lern-Gegenstände aus der Gesamtheit eines Fachs auszuwählen bzw. andere Instanzen bei der Auswahl zu beraten, Lehr-Lern-Ziele zu bestimmen und zu begründen, methodische Hinweise ( Methoden) zur Durchführung von Fachunterricht und zur Gestaltung von Lernarrangements zu geben, entsprechende Lehr-Lern-Materialien zu entwickeln bzw. zu beurteilen sowie zu vermittelnde Kompetenzen zu beschreiben und den Leistungsstand von Lernenden einzuschätzen. Das von einer Fd. zusammengestellte und systematisierte Wissen ist auf die Anwendung im praktischen Unterricht gerichtet und formuliert Empfehlungen für Lehrende ( Rezepte – Rezeptologien). Anders als oft angenommen, beschäftigen sich die einzelne Fachdidaktiken und die sich entwickelnde Allgemeine Fd. auch mit der Frage nach fächerübergreifendem Unterricht und nach dem allgemeinen Bildungswert fachbezogenen Lernens. Die Anwendungsorientierung gilt auch für die fachdidaktische Forschung, die die Voraussetzungen, den Verlauf und die Ergebnisse von Lehr-Lern-Prozessen analysiert, Kompetenzen und deren Veränderungen untersucht sowie die Empfehlungen der Fd. empirisch abzusichern versucht (Lehr-Lern-Forschung). In letzter Zeit verstärken sich Anstrengungen, didaktische Fähigkeiten von Lehrenden je nach Fach in Teilkomponenten zu zerlegen und zu messen. Dabei geht es um den Umgang mit typischen Schwierigkeiten und Fehlern von Lernenden, um das Erklären und Repräsentieren und um die Einschätzung von Lernmaterialien (Medien in Lehr-Lern-Prozessen).

Eine Fd. steht in einem Spannungsverhältnis zwischen den ihr zugehörigem Fach einerseits und der allgemeinen Didaktik (Didaktik – Methodik) andererseits. Da sie fast ausschließlich auf den Bereich Schule bezogen ist, ist dies die allgemeine Schuldidaktik. Sie berücksichtigt deshalb weder die besondere Situation der im Vergleich zur Schule flexibler agierenden Erwachsenenbildung noch die Spezifik von erwachsenen Lernenden, deren Lernverhalten mehr oder weniger stark durch Vorerfahrungen (Erfahrungen – Erfahrungsorientierung), ihre aktuelle Lebenssituation und die größere Notwendigkeit der praktischen Anwendung von Gelerntem geprägt ist. Neben Ansätzen in der politischen Bildung und konfessionellen Erwachsenenbildung wurde bisher eine speziell auf Erwachsene bezogene Fd., mehr oder weniger stark verbunden mit der Allgemeinen Erwachsenendidaktik, für den Bereich Fremdsprachen entwickelt, in dem sich auch ein kommerziell erfolgreicher Markt an Lehr-Lern-Materialien für fremd- und selbstorganisiertes Lernen etabliert hat.

Viele Angebote der Erwachsenenbildung haben keine Entsprechung im Fächerkanon der Schule und sind auch nicht auf eine universitäre Disziplin oder eine Berufsausbildung bezogen. Sie können somit nicht auf das systematisierte Wissen von existierenden und ggf. anzupassenden Fachdidaktiken zugreifen. Das gilt nicht nur für viele zielgruppenbezogene Angebote, sondern auch für solche, die dem Gebot der Integration (z. B. von allgemeiner und beruflicher Bildung) folgen oder die als Projekte (Projektmethode) organisiert sind. Die Einteilung in Fach- bzw. Themenbereiche, die auf ein Feld von gemeinsamen Interessen, Fragestellungen und Perspektiven bezogen ist, legt eine bereichsdidaktische Sichtweise nahe. Dass solche Bereichsdidaktiken bisher kaum ausgearbeitet sind, liegt auch an der Geschwindigkeit, mit der – in Reaktion auf allgemeine Entwicklungen – Bereiche neu konturiert werden. Für die Erwachsenenbildung steht deshalb neben der Frage nach der Auswahl von Lehr-Lern-Gegenständen aus einem abgegrenzten Fach ungleich dringender als für die Schule die Aufgabe an, gesellschaftlich, politisch und beruflich relevante Inhalte erst einmal zu bestimmen und zu begründen (curriculum ­studies) bzw. die an sie von Politik oder Wirtschaft herangetragenen Wünsche in Bezug auf das eigene Bildungsverständnis (Bildung – Allgemeinbildung) zu beurteilen.

Konzeptionen der Erwachsenenbildung tendieren dazu, der unhinterfragten Teilnehmerorientierung eine problematisierte (und vereinfachte) Inhaltsorientierung gegenüberzustellen. Dies dient der Eigenprofilierung gegenüber schulischen, beruflich-betrieblichen und universitären Bildungsangeboten, kann aber auch zu einer Überforderung des eigenen Anspruchs und zu einer Missachtung des Teilnehmerwunschs nach Wissenserwerb führen. Die Fokussierung auf das Lernen bzw. auf die jeweils individuelle Aneignung – wie sie z. B. eine konstruktivistische Sehweise (Konstruktivismus) nahelegt – hat dazu geführt, der Aufgabe des Lehrens und der Bedeutung der Lehrenden für den Lernprozess weniger Beachtung zu schenken.

Durch die zunehmende Veränderung speziell berufsbezogenen Fachwissens hat sich zudem mit dem Konzept der Schlüsselqualifikationen und der fachneutralen Kompetenzen das Primat einer Handlungs- und Problemlösungsorientierung durchgesetzt, das die Bedeutung von (isoliertem) Fachwissen weiter infrage gestellt hat. Die Fachorientierung ist durch die Kompetenzorientierung allerdings nicht ersetzt, wohl aber relativiert worden: Als Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen (lifelong learning) wurden 2006 in einer Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats acht Kompetenzen aufgeführt, von denen die Hälfte fachbezogen ist: die muttersprachliche, die fremdsprachliche, die mathematische, eine grundlegende naturwissenschaftlich-technische und die Computerkompetenz. Ein Nachhall traditionellen Fachdenkens zeigt sich auch in den internationalen Studien der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), in denen u. a. die Kompetenzen Erwachsener in Lesen und Mathematik verglichen werden (Literalität – Numeralität).

Zu einem Rückgang der Bedeutung der Fachlichkeit hat schließlich auch die Etablierung des akademischen Fachs der Erwachsenenbildung als Wissenschaft bewirkt. Damit ist der Anteil von philologisch, politik- oder naturwissenschaftlich ausgebildeten pädagogischen Mitarbeitenden zugunsten der Absolvierenden dieser erziehungswissenschaftlichen Studiengänge gesunken. Nicht zuletzt tendiert auch die Weiterbildungsforschung dazu, die Fachbezogenheit von Lerninteraktionen oder die (nicht-pädagogische) fachliche Herkunft und Identität von pädagogischen Mitarbeitenden und Lehrenden zu vernachlässigen. Mangelnde fachliche Informiertheit kann auch dazu führen, sich bei der theoretischen und empirischen Beschäftigung mit Erwachsenenbildung ausschließlich auf allgemein verständliche Bereiche zu beziehen und so die Fachlichkeit weiter auszuklammern. Die Anzahl von fachbezogenen Studien zur Erwachsenenbildung ist gering; eine allgemeine Bestimmung des Stellenwerts von Fachlichkeit für die Bereiche Institution bzw. Organisation, Angebotsplanung, Unterricht und Beratung sowie Profession in der Erwachsenenbildung fehlt.

Die Vernachlässigung der Bedeutung fachlichen und fachdidaktischen Wissens in der Erwachsenenbildung wird in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Aufwertung des Themas Lehren verstärkt diskutiert. Dabei zeigt sich, dass die Tendenz, Fachlichkeit als Gegensatz zu Kooperation, Integration und Inter- bzw. Transdisziplinarität sowie Inhaltsorientierung als Gegensatz zu Zielgruppen- und Lebensweltorientierung zu sehen, zu kurz greift. Stattdessen geht es in Organisation, Unterricht und Beratung um eine immer wieder neue Ausbalancierung der unterschiedlichen Ansprüche. Eine stärkere Berücksichtigung fachlicher Aspekte bei der Aus- und Fortbildung, bei der Theoriebildung und der qualitative und quantitative Methoden umfassenden empirischen Forschung (Forschungsmethoden) würde der Bedeutung der Fachlichkeit für das Angebot, für das professionelle Selbstverständnis von Organisierenden und Lehrenden und für die Bedarfe und Interessen von Lernenden entsprechen, ohne Gefahr laufen zu müssen, Prinzipien wie das der Teilnehmer- oder Problemorientierung außer Kraft zu setzen.

Literatur

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Lehner, M. (2013). Inhalte als zentrale Aspekte einer Didaktik der Erwachsenenbildung. Magazin erwachsenenbildung.at, 20, 03-2–03-10.

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