Andreas Martin
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-081
Regionale und tiefregionalisierte räumliche Zugänge sind für Forschung, Praxis und Politik der Weiterbildung – insb. im Zusammenhang moderner Bildungssteuerung und Educational-Governance-Forschung (→ Educational Governance) sowie als räumliche Dimension ungleicher Bildungschancen und schließlich als moderierende Bildungskontexte – von besonderer Relevanz. Die beobachtbaren räumlichen Disparitäten der Weiterbildungslandschaft sind dabei in hohem Maß von der Wahl des räumlichen Bezugsrahmens abhängig.
In der → Weiterbildungsforschung werden unterschiedliche Zugänge zur Kategorie → Raum genutzt. Neben den Konzepten der → Sozialraumorientierung sind dies v. a. geografische Raumabgrenzungen. Diese lassen sich in drei Hauptgruppen zusammenfassen:
- Gebietskörperschaften sind (bis zu einem bestimmten Grad) politisch eigenständige, selbstbestimmte, hoheitsrechtliche Räume, in denen das öffentliche Recht zwischen öffentlicher Gewalt und Bevölkerung vermittelt und in deren Rahmen sich Bürgerinnen und Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten beteiligen können. Am wichtigsten sind hier die Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte sowie die Bundesländer (Martin et al., 2015). Gebietskörperschaften dienen auch immer administrativen Aufgaben. In der Weiterbildung stellen diese Raumbezüge sowohl Regulative des Weiterbildungsangebots (→ Angebot), der Kooperation und Konkurrenz als auch → Regulative der Weiterbildungsbeteiligung dar. Nach Gebietskörperschaften (Gemeinden, Kreisen) sind auch die → Volkshochschulen gegliedert.
- Funktionalregionen sind regionale Raumabgrenzungen, die weder hoheitlichen noch administrativen Zwecken dienen, sondern wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zusammenfassen und so vergleichbare Räume konstituieren. Solche Regionen (z. B. Raumordnungsregionen, Arbeitsmarktregionen) dienen v. a. wissenschaftlichen und statistischen Zwecken. Sie sind besonders für die → Bildungsberichterstattung geeignet (ebd.), nicht selten aber auch der Raum der Bildungsinformation und -werbung für Lernende (v. a. in Ballungsräumen).
- Administrativregionen schließlich dienen v. a. Ämtern und Behörden zur räumlichen Koordination spezifischer Verwaltungsaufgaben (z. B. Finanzamtsbezirke, Agenturbezirke der → Bundesagentur für Arbeit). Diese Raumabgrenzungen spielen in der Weiterbildungsforschung und -praxis bisher keine Rolle, wohl aber bei der Entwicklung von Weiterbildungsorganisationen, z. B. in Fragen der → Finanzierung oder Konkurrenz.
Eine Reihe von Forschungs- und Praxisprojekten hat Weiterbildung in der Region zum Gegenstand. Eine besondere Rolle spielt dabei das Programm Lernende Regionen, das als eines der größten Weiterbildungsprogramme auf Bundesebene in den 2000er Jahren zu innovativen Angebots-, Informations- und Kooperationsprojekten (→ Innovation) führte (Nuissl et al., 2006; Tippelt et al., 2009). Dabei wurden insb. der Aufbau von → Netzwerken der Bildungseinrichtungen fokussiert; diese dienten der gemeinsamen Bildungsinformation und -beratung (→ Beratung im Kontext lebenslangen Lernens), der verbesserten Zu- und → Übergänge im Bildungssystem, der Qualifizierung von Lehrkräften und der Angebotsentwicklung. Hessencampus, Lernen vor Ort, Weiterbildungsverbünde sowie das Kommunale Bildungsmonitoring sind regionale Beispiele für diesen Typus. Der Deutsche Weiterbildungsatlas (Martin et al., 2015) nutzt Bundesländer, Raumordnungsregionen sowie Kreise und kreisfreie Städte zur Darstellung von Weiterbildung in der Region.
Literatur
Martin, A., Schömann, K., Schrader, J. & Kuper, H. (Hrsg.). (2015). Deutscher Weiterbildungsatlas (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 29). Bielefeld: wbv Publikation.
Nuissl, E. (2010). Netzwerkbildung und Regionalentwicklung (Studienreihe Bildungs- und Wissenschaftsmanagement, Bd. 12). Münster: Waxmann.
Nuissl, E., Dobischat, R., Hagen, K. & Tippelt, R. (Hrsg.). (2006). Regionale Bildungsnetze. Ergebnisse zur Halbzeit des Programms „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ (Reihe Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Bd. 7). Bielefeld: W. Bertelsmann.
Tippelt, R., Strobel, C., Kuwan, H. & Reupold, A. (Hrsg.). (2009). Lernende Regionen – Netzwerke gestalten: Teilergebnisse zur Evaluation des Programms „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“. Bielefeld: W. Bertelsmann.