Harald Geißler
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-052
C. ist ein Weiterbildungsformat, das sich an Einzelpersonen und Gruppen wendet, die berufliche und/oder persönliche Probleme haben und deshalb professionelle Hilfe suchen. Es beruht im Wesentlichen auf Prozessberatung (Schein, 2000) und Subsidiarität bzw. Hilfe zur Selbsthilfe. Die Aufgabe der Beratenden (Coaches) besteht entsprechend darin, den Problembearbeitungsprozess ihrer Klientel (Coachees) methodisch anzuleiten und nur bei Bedarf in geringem Umfang auch fachliches → Wissen bzw. handlungspraktisches Können (→ Kompetenz) zu vermitteln.
Die historischen Wurzeln von C. als Weiterbildungspraxis liegen in den späten 1980er Jahren, als in Wirtschaftsunternehmen der Bedarf wuchs, interne Umstrukturierungsprozesse zunehmend selbst durchzuführen und sich damit weniger von externen Beratungsunternehmen abhängig zu machen. Dieser Bedarf generierte das C. als eine Mischung von themenbezogener Unternehmensberatung (→ Organisationsberatung), personenzentrierter Gesprächsberatung und problemlösungsorientierter Weiterbildung. C. wurde dabei definiert als ein Setting, das bestimmte äußere Merkmale aufweist: das Vier-Augen-Prinzip der → Interaktion zwischen Coach und Coachee, die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Verschwiegenheitspflicht des Coachs, die inhaltliche Fokussierung bzw. Beschränkung auf berufliche und organisationale Fragen sowie die Ergebnisorientierung und damit verbunden die relativ enge zeitliche Begrenzung des Prozesses. C. wurde ursprünglich nur im Top-Management genutzt. In den 1990er Jahren wurde es dann von der betrieblichen → Personalentwicklung entdeckt und zu einem vielfältig einsetzbaren Personalentwicklungsinstrument weiterentwickelt. Aus der ursprünglich bilateralen Beziehung, die weiterhin das C. im Top-Management und auf dem freien Markt bestimmt, wurde so eine Dreiecksbeziehung mit den Bezugspunkten der durchführungssteuernden Personalentwicklung als organisationalen Auftraggeberin, des beratenden Coachs und des zu beratenden Coachees (Geißler, 2018).
Gegenwärtig ist das C. als Weiterbildungspraxis durch eine unüberschaubare Fülle von „Bindestrich-Coachings“ bestimmt. Will man sie systematisierend ordnen, bietet sich eine vierfache Differenzierung nach Sozial- und Arbeitsformen (z. B. Einzel-, Partner-, Gruppen-, Team-, Organisations(bereichs)- und Selbst-C.), nach Zielgruppen (z. B. Angestellte und Selbstständige, Fach- und Führungskräfte sowie Personen mit berufsbezogenen und persönlichen Problemen), nach Thematiken bzw. Anwendungsfeldern (z. B. IT-, Verkaufs-, Konflikt-, Karriere-, Outplacement- oder Newplacement-C., aber auch Partnerschafts-, Gesundheits-, Rhetorik-C.) und nach C.-Medien (Präsenz- vs. Online-C.) an (Wegener, Fritze & Loebbert, 2013).
Die konzeptionellen Wurzeln des Coachings liegen in der → Organisationsentwicklung, der Psychotherapie und der → Didaktik der Weiterbildung. C. begründet sich deshalb heute weitgehend interdisziplinär, und zwar mit Bezug auf entsprechende Forschungen der Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaften sowie der angewandten Kommunikations- und Managementwissenschaften bzw. Betriebswirtschaftslehre. Diese Begründungszusammenhänge machen es möglich, C. als eine spezielle Beratungs- und Weiterbildungsmethode (→ Beratung im Kontext lebenslangen Lernens) zu definieren und zu entfalten. Ein Beispiel hierfür ist der Ansatz der → Ermöglichungsdidaktik.
Die empirische C.-Forschung hat in ihren Anfängen versucht, mittels quantitativer Methoden die Erfolgswirksamkeit von C. als einem Format zu untersuchen, das ausschließlich durch die o. g. äußeren Merkmale bestimmt ist. Dieser Ansatz erwies sich als unterkomplex, weil er den Aspekt der C.-Methoden ignoriert. In der sog. Erfolgsfaktoren-Forschung wird deshalb versucht, C.-Methoden zu identifizieren, die anschließende C.-Erfolge wahrscheinlich machen. Dieser ebenfalls quantitative Forschungsansatz wird von einer qualitativen Prozessforschung flankiert, die mit unterschiedlichen → Forschungsmethoden die Details des Prozessgeschehens untersucht (Wegener et al., 2018).
Literatur
Geißler, H. (2018). Supervision/Coaching als Methode organisationspädagogischer Praxis. In M. Göhlich, A. Schröer & S. M. Weber (Hrsg.), Handbuch Organisationspädagogik (S. 685–696). Wiesbaden: Springer VS.
Schein, E. (2000). Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. Köln: EHP.
Wegener, R., Fritze, A., Hänseler, M. & Loebbert, M. (Hrsg.). (2018). Coaching-Prozessforschung. Forschung und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Wegener, R., Fritze, A. & Loebbert, M. (Hrsg.). (2013). Coaching-Praxisfelder. Forschung und Praxis im Dialog. Wiesbaden: Springer VS.